Nicht nur der europäische Gerichtshof zementiert patriarchalisches Familienrecht

Ende März hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg die Beschwerden zweier Männer aus Deutschland (application no 45071/09 und application no. 23338/09) abgewiesen, die ihre Anerkennung als biologische Väter anstelle der Ehemänner der beiden Mütter juristisch durchsetzen wollten. Zuvor waren die beiden – der eine weiß sicher, dass er der Erzeuger einer Tochter ist, der andere ahnt und es und will deshalb einen Vaterschaftstest durchführen – mit ihrem Anliegen bereits vor deutschen Familiengerichten gescheitert. Denn noch immer gilt im deutschen Recht: Bringt eine verheiratete Frau ein Kind zur Welt, so ist juristisch gesehen ihr Ehemann der Vater – selbst wenn das Ehepaar schon lange getrennt lebt und alle Beteiligten wissen, dass das Kind von einem anderen Mann, dem biologischen Vater, gezeugt wurde.

Das Urteil der Straßburger RichterInnen bestätigt nun die bisherige deutsche Rechtsprechung: Es postuliert einen Schutz für die – zumindest vor dem Gesetz – weiterhin bestehende Familie aus miteinander verheirateten Eltern und Kindern. Als Grund führen die RichteR stets das Kindeswohl an, da in der Regel zu dem rechtlichen Vater, mit dem das Kind zusammengelebt hat oder sogar noch zusammenlebt, eine enge Bindung bestehe. Gleichwohl könnte dem tatsächlichen Vater ein gewisses Umgangsrecht zustehen. Dies müsse jedoch einzelfallbezogen geregelt werden.

Damit wir uns gleich richtig verstehen: Dass eine Rechtssprechung noch immer gilt, die schon seit Jahrhunderten den Ehemann zum absoluten Oberhaupt der Familie erklärt, der qua Ehering in letzter Konsequenz noch immer über die Kinder seiner Ehefrau bestimmen kann, ist schon absurd! Und um zu wissen, wie viel Leid ein solch einseitiger Begriff von Vaterschaft über die Beteiligten – und zwar ALLE Beteiligten! – bringen kann, reicht es, einmal Tolstois „Anna Karenina“ zu lesen (oder von mir aus eine der diversen Verfilmungen zu sehen).

Jetzt könnte der Text eigentlich schon fertig sein, oder? Aber jetzt kommt ihr ihr ins Spiel, liebe Eltern (hier lesen doch auch Männer respektive Väter, oder?). Ich gebe gerne zu: Ich bin froh, kein Familienrichterin zu sein, die über „Einzelfälle“ und das „Kindeswohl“ urteilen muss.

Keine Frage: Es lassen sich unzählige Konstellationen denken, in denen es weder für das Kind noch für die Mutter noch für irgendeinen andereN BeteiligteN von Vorteil wäre, wenn ein biologische Vater, eventuell nach jahrelangem Leugnen seiner Vaterschaft, sich plötzlich in das Leben einer für die Mitglieder funktionierenden Familie drängen würde.

Aber wenn der Kindsvater tatsächlich eine Beziehung zu seiner Tochter oder seinem Sohn aufbauen möchte? Wenn aus welchen – doch privaten! – Gründen auch immer ein Kind außerhalb einer Ehe entstanden ist, die aber weiterhin existiert, und wo alle Erwachsenen davon auch wissen: Dann verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht so richtig, warum es so viele erwachsene Männer und Frauen nicht irgendwann schaffen, die eigenen Verletzungen so weit beiseite zu stellen, wie es für das Kind am besten ist: Sprich: Wenn der leibliche Vater sich wirklich aktiv in das Leben seines Kind einbringen und eine Beziehung mit ihm aufbauen möchte – sollte das dann nicht machbar sein? Und zwar möglichst, ohne zuvor jahrelang vor Gericht zu streiten und sich – und vor allem dem Kind – noch tiefere Narben zuzufügen?

Liest man in gängigen Foren oder Kommentaren nach (zum Beispiel im Gästebuch des WDR zu diesem Thema, dem Forum Vatersein.de oder dem Blog „Kuckucksvater“), sieht es leider oft nicht so aus: Da sehen sich die dort postenden Väter offenbar vor allem als Leidende, denen die Mutter das gemeinsame Kind vorenthalte. Diese Mütter, so jammern die Männer lautstark, betrachteten das Kind vor allem als ihr Eigentum, über das sie nach Belieben verfügen und es als Druckmittel einsetzen können. Sie beklagen sich, gerade mal dazu gebraucht worden zu sein, um das Kind zu zeugen und später dafür zu zahlen. Ein Vorwurf, den übrigens auch Ralf Bönt in seinem – gelinde gesagt zwiespältigen – Manifest „Das entehrte Geschlecht: Ein notwendiges Manifest für den Mann“ weidlich ausbreitet.

So berechtigt der Zorn und der Schmerz einiger dieser Väter sogar sein mag – es ist eine ganz schön passiv-aggressive (und damit ziemlich bequeme) Haltung, sich von der Zeugung des Kindes bis hin Abbruch des Kontaktes zum eigenen Nachwuchs ausschließlich als Opfer zu sehen, oder?

Außerdem haben viele alleinerziehende Mütter bekanntermaßen nicht weniger Grund, wütend zu sein: auf Kindsväter, die sich noch während der Schwangerschaft oder kurz danach aus dem Staub machen – häufig mit dem Hinweis, das Kind eh‘ nicht gewollt zu haben. Auf Ex-Männer oder -Partner, die sich mit den perfidesten Mitteln vor Unterhaltszahlungen drücken.

Warum heißt es denn noch immer nach einer zerbrochenen Beziehung: „Die Kinder bleiben bei der Mutter“? Ein ungeschriebenes Gesetz, gegen das sich offenbar weder Mütter noch Väter wehren können – selbst wenn sie es denn wollten. Wie viele der Männer, die so öffentlichkeitswirksam um den Verlust des Zusammen­lebens mit ihrem Kind trauern, haben sich denn wohl nach der Trennung aktiv dafür eingesetzt, dass das Kind künftig bei ihnen lebt? Dass sie ihm morgens die Butterbrote schmieren, nicht ins Büro fahren, wenn das Kleine krank ist,  und am Wochenende nur dann ausgehen, wenn der Nachwuchs bei der Mutter zu Besuch ist?

Die Zahlen sind zwar schon etwas älter, doch 2008 errechnete die Frauenzeitschrift Brigitte, dass in Deutschland von den damals 2,2 Millionen Alleinerziehenden 95 Prozent Mütter seien. Viele davon würden in Armut leben, die Hälfte der Kinder hätte ein Jahr nach der Trennung keinerlei Kontakt mehr zum Vater. Die Frage nach den Gründen für eine solche Entwicklung konnte auch das Dossier (hier die Online-Fassung) nicht eindeutig beantworten. Doch auch wenn es bereits ein paar Jährchen auf dem Buckel hat – weder an den Zahlenverhältnissen, noch an diesem geradezu zwangsläufig anmutenden Verlauf der Beziehung zwischen Vater und Kind nach der Trennung der Eltern dürfte sich viel geändert haben.

Nennt mich naiv, aber sollten wir das nicht mittlerweile ein wenig besser können? Ohne all diese so überholten und klischeehaften Rollen, in die doch sicher keineR von uns jemals rutschen wollte? Ohne Polemik, ohne all die persönlichen Eitelkeiten und Befindlichkeiten, die für alles sorgen – aber nicht fürs Kindeswohl? Sollten wir nicht moderner sein als unser in dieser Frage noch immer so archaisch-patriarchalisches Familienrecht?

11 Kommentare zu „Nicht nur der europäische Gerichtshof zementiert patriarchalisches Familienrecht

  1. Ich verstehe, ehrlich gesagt, die Stoßrichtung dieses Postings nicht.

    Zunächst einmal kann ich nicht erkennen, warum die Regelung über den Ehemann als Kindesvater patriarchale Strukturen zementieren soll. Sie schafft zunächst einmal schlicht eine klare Zuordnung, die aber nicht in Stein gemeißelt ist. Gegebenenfalls können Mutter, Ehemann und Kind die Vaterschaft anfechten. Der Ehemann behält also keineswegs dauerhaft die Definitionsmacht über die Abstammungsverhältnisse. Wer die Vaterschaft des Ehemanns nicht anfechten kann und nicht anfechten können soll, ist der mögliche biologische Vater, der mit der Mutter nicht verheiratet ist. Angesichts des Anfechtungsrechts von Mutter und Kind geht es hier in der Tat v.a. um die Fälle, in denen ein Dritter mit rechtlichen Mitteln eine sozial bestehende Familie sprengen will. Ist es patriarchal, das auszuschließen? Im Übrigen kann der biologische Vater ja nach der jüngeren Rechtsprechung sehr wohl ein Umgangsrecht mit dem Kind haben – wenn es denn dem Kindeswohl dient. Das scheint mir ein angemessener Ausgleich zwischen den betroffenen Interessen zu sein. Dass das Kindeswohl den Ausschlag gibt, ist doch sicherlich konsensfähig, oder?

    Die späteren Appelle an die Eltern sind sicher sehr weitgehend berechtigt. Wer ein bisschen Erfahrung mit der familienrechtlichen Praxis hat, muss leider aber sehr schnell feststellen, dass die Fronten zwischen den Ex-Partnern in manchen Fällen so verhärtet sind, dass an einer verbindlichen Regelung durch eine staatliche Stelle kein Weg vorbeiführt. Der Weg gerade der jüngeren Rechtsprechung, hier das Kindeswohl ganz nach vorn zu stellen und die Belange der Ex-Partner klar in die zweite Reihe, scheint mir alles andere als archaisch-patriarchalisch zu sein.

  2. Was das Kindeswohl ist, wird nur leider vor Gerichten relativ willkürlich und ohne den gesamten Lebenslauf von Scheidungskindern zu untersuchen, durch das festgelegt, was der Richter halt so davon versteht – und das ist meistens nicht viel.

    So ist es wohl so, dass deswegen viele Väter den Kontakt zu ihren Kindern verlieren, weil der übliche Zwei-Wochen-Besuchsrythmus nicht dafür ausreicht, von eventuell kleineren Kindern noch eben als Vater wahrgenommen zu werden.

    Ich selber habe drei Kinder und kann nur feststellen, dass die Beziehung zu den kleineren, die mich sozusagen in „frühen“ Jahren als Vater nicht mehr erlebten, eine absolut oberflächliche ist und eigentlich nur deswegen existiert, weil der Ältere halt regelmässig bei mir sein will. Die Kleineren haben auch das Bedürfnis, einen Vater zu haben, aber da ist das Vatersein zum So-tun-als-ob degeneriert, wenn ich mal kritisch in mich gehe.

    In Wirklichkeit ist nicht das Kindeswohl das vorrangige Interesse bei einer Scheidung, sondern der Wunsch der Allgemeinheit, von den negativen Folgen einer durch private Entscheidungen herbeigeführten Scheidung weitestgehend abgeschirmt zu werden.
    Das zweite vorrangige Interesse ist das von Anwälten und Richtern, den status quo nicht anzurühren, weil er zu einer unablässigen Quelle von Verletzungen, Versagungen und damit Einnahmen führt.
    Und zu guter letzt ist der Einfluss der verschiedenen Lobbygruppen auf die Definition von „Kindeswohl“ sehr unterschiedlich – während Väterrechtsorganisationen praktisch nichts zu melden haben, sind die verschiedenen Alleinerziehendenvertretungen sehr gut platziert ( allein schon das Wort „Alleinerziehende“sagt ja aus, wohin der Hase laufen soll, nämlich zur Ausgrenzung des ehedem anderen Elternteils ).

  3. „Dann verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht so richtig, warum es so viele erwachsene Männer und Frauen nicht irgendwann schaffen, die eigenen Verletzungen so weit beiseite zu stellen, wie es für das Kind am besten ist: Sprich: Wenn der leibliche Vater sich wirklich aktiv in das Leben seines Kind einbringen und eine Beziehung mit ihm aufbauen möchte – sollte das dann nicht machbar sein?“

    und wer definiert, was für das kind das beste ist? warum hat leibliche elternschaft so einen hohen stellenwert? ich verstehe nicht, warum eine frau oder ein paar sich mit einem dritten über jahre zusammen raufen soll und wo jetzt da das kindeswohl sein soll.
    sagen wir, die frau ist schwanger und entscheidet das kind allein groß zu ziehen, weil sie sich weder eine beziehung mit dem biologischen vater vorstellen kann und auch menschlich gesehen nicht mit ihm auf einer wellenlänge liegt. was soll daran gut für ein kind sein, wenn zwei menschen, die mal sex hatten, sich aber nichts weiter zu sagen haben, vielleicht auch feststellen, dass nach näherer betrachtung nicht mal sympathie da ist?
    oder ein paar soll sich jetzt die nächsten zwanzig jahre darum bemühen, nicht nur das kind groß zu ziehen, sondern auch noch eine dritte person in das ganze integrieren? zum kinder groß ziehen braucht es viel abstimmung und da gibt es viele diskussionen, schon zu zweit! warum sollte man es sich unnötig schwer machen? seit wann sind gestresste eltern oder eltern, die etwas leben, womit sie nicht im reinen sind, besser für das kind als eltern, die ehrlich sagen: ich bin eifersüchtig, ich will die beziehung mit dir auch das kind, aber den will ich nie wieder sehen müssen..

    das problem ist, dass biologische elternschaft überbewertet ist und kinder nicht als aufgabe der gesellschaft verstanden werden.

    ich würde mich mehr über andere forderungen freuen, zum beispiel die, dass nach der geburt die mutter die mutterschaft annehmen kann oder nicht und zwar mit wem sie mag. das können zwei männer sein oder einer oder sie allein oder der biologische vater usw. wer da dann auf der geburtsurkunde drauf steht ist in zukunft ansprechpartner für den staat und trägt die verantwortung für das kind.

    eine weitere forderung wäre, die unsinnige unterhaltsregelung anzugehen. warum sollte ein mann wegen einer einmaligen angelegenheit zwanzig jahre zahlen und nicht mal kontakt zum kind wie er sich das wünscht haben? und dass das nicht so geht habe ich weiter oben dargelegt. zudem akzeptiere ich auch nicht, als frau, die definitiv den löwenanteil in der ganzen fortpflanzungsgeschichte was das biologische angeht trägt, hier nicht diejenige zu sein, die dann auch entscheidet.
    ich würde nämlich das kind nicht bekommen, wenn ich wüsste, dass ich mich mit einer mir nicht genehmen person herum schlagen soll, mit der es zwar zum ficken genug übereinstimmung gab, aber sonst auch nichts.
    da die meisten gerne hin und wieder sex haben und eben auch mit wechselnden partnern, die nicht dazu gedacht sind, mit ihnen den rest des lebens zu verbringen, halte ich es für besser, wenn man eltern finanziell unterstützt, die nicht genug haben, dass es für das kind reicht, aber dazu eben nicht grundsätzlich die leiblichen eltern heran zieht, sondern die, die auf der geburtsurkunde stehen und das mag dann auch zu konstellationen führen, dass es drei kinder gibt mit drei verschiedenen vätern und derselben mutter und alle haben sich lieb und sind total gut miteinander befreundet. aber das ist eben nicht allen gegönnt.

    weshalb mir auch nicht dieser beschwerdeton gefällt über die so egoistischen eltern, die sich da in ihrer kleinlichen verletzlichkeit suhlen. ich finde das arrogant, denn für manche ist das einfach nicht lebbar und bedeutet eine große belastung wenn sie keine beziehung mit sexueller exklusivität leben können. kann man persönlich finden wie man mag, aber andere finden es eben anders und es steht der autorin nicht zu, darüber in diesem abfälligen ton zu schreiben a la „jetzt stellt euch mal nicht so an“.

    das unsinnige „mein gen mein kind“ – denken ist zu kritisieren und da ist die entscheidung des gerichtes zu kritisieren, weil es begründet, dass der anspruch abgewiesen wird, weil ein sozialer vater da ist. was ist also, wenn keiner da ist? bekommt die frau dann quasi einen zugewiesen? das finde ich weit mehr bedenklich. auch das umgangsrecht. d.h. als frau kann ich in zukunft dann keinen sex mehr haben außer mit demjenigen, den ich mir für den rest meines lebens behalten werde, weil sonst, für den fall, dass ich schwanger werde, kann der quasi einen platz in meinem leben einklagen. nein, danke.

  4. Ich verstehe die Rechtsprechung des EGMR nicht wirklich. Die beiden Kläger führen doch letztendlich nur konsequent das fort, was dasselbe Gericht vor drei Jahren entschieden hat, als es um die fehlende Antragsmöglichkeit unverheirateter Väter ging. Wie @alex ja auch schon ausführte: anscheinend ist frau vor einem juristisch sanktionierten Eindringen in ihre Privatsphäre nur geschützt, wenn sie verheiratet ist. Wenn das nicht patriarchal ist, weiß ich auch nicht.

    Das Problem, das ich mit der Thematik habe ist, dass die Väterbewegten immer aufs Ganze gehen und die geteilte Sorge fordern, statt auf eine Stärkung des Umgangsrechts hinzuwirken. @Peter hat vollkommen recht, dass zweiwöcher Umgang oft nicht ausreicht, um eine Beziehung zwischen Elternteil und Kind zu knüpfen (wobei ich auch ein distanziertes Verhältnis zu meinem Vater habe – und der war zwischenzeitlich sogar alleinerziehend mit mir). Hier sollte der Gesetzgeber eingreifen und im Rahmen des Zumutbaren dafür sorgen, dass Trennungselternteile ausreichend Zeit mit ihren Kindern verbringen können, wenn dies nicht ohne Eingriff von außen möglich ist. Um ein guter Vater zu sein, muss ich nicht bestimmen können, auf welche Schule mein Kind geht, oder wohin es in den Urlaub fährt.

    Die Tatsache, dass es den Väterbewegten stets um das Sorgerecht geht, macht mich misstrauisch und lässt vermuten, dass es weniger ums Eltern-sein-dürfen geht, als vielmehr darum, Macht über Kind und damit die Mutter, die ja in den meisten Fällen die Konsequenzen der „gemeinsamen“ Sorgeentscheidungen tragen muss, ausüben zu dürfen. Von der Tatsache, dass Frauen mit der Entscheidung für ein Kind in der Regel ihre wirtschaftliche und soziale Existenz nachhaltig aufs Spiel setzen, ganzu zu schweigen (auch wenn das von Väterbewegten gern geleugnet wird).

  5. Privatsphäre und erfülltes Sexualleben eines erwachsenen Menschen sind nach meiner Ansicht schwache Argumente, wenn sie mit dem Wohl des Kindes kollidieren. Von daher verstehe ich viele Probleme von alex schon im Ansatz nicht. alex‘ Forderungen könnte ich nur zustimmen, wenn ich davon ausginge, dass die Mutter des Kindes stets oder zumindest in aller Regel die Person ist, die am besten weiß, was das Kindeswohl ist, und die im Konfliktfall bereit ist, ihre eigenen Belange zugunsten des Kindeswohls zurückzustellen – diese Haltung fände nun wieder ich patriarchal, das klingt mir zu sehr nach unersetzbaren Muttergefühlen usw. Die von alex vorgetragenen Argumente klingen mir, ehrlich gesagt, auch nicht besonders kindeswohlorientiert, sondern betonen nach meinem Verständnis in erster Linie die Belange der Mutter.

    Zu Name: Auch wenn dem biologischen Vater „nur“ ein Umgangsrecht zugestanden wird, dringt er mittelbar in die Privatsphäre der Mutter ein. Die verheiratete Frau ist da auch nicht vor gefeit, weil nach dem EGMR-Urteil ein Umgangsrecht des biologischen Vaters durchaus in Betracht kommt. Dass der biologische Vater bei bestehender Ehe seine Vaterschaft nicht feststellen lassen kann und insoweit schlechter als ohne Ehe, schützt die Ehe zugunsten beider Ehepartner – das ist m.E. nur patriarchal, wenn die Ehe selbst schon als patriarchale Institution angesehen wird (was ein anderes Fass aufmacht, aber mir zumindest beim heutigen Stand nicht mehr selbstverständlich erscheint). Ich sehe auch nicht, wie die Privatsphäre der Mutter in jedem Fall und vollständig intakt gelassen werden soll, ohne dem Kind potenziell schweren Schaden zuzufügen, solange die Selbstbefruchtung beim Menschen nicht erfunden ist.

  6. @ Pascale: Wenn Du Privatsphäre so weit fasst, hast Du natürlich Recht. Ich denke aber, es gibt einen qualitativen Unterschied in der Einschränkung der persönlichen Freiheit, ob ein Elternteil das andere Elternteil bei jeder das Kind betreffenden Entscheidung miteinbeziehen muss, oder eben nicht.

    Es geht nicht darum, dass ein Elternteil automatisch und qua Geschlecht immer im Sinne des Kindeswohls handelt (so habe ich @alex auch nicht verstanden). Das Problem ist, dass sowohl beide Elternteile als auch das Kind Grundrechte haben. Wenn wir also drei potenziell widerstreitende Interesselagen haben, muss abgewägt werden. Dass es dabei nicht 100% gerecht zugehen kann, ist klar. Inwiefern es dem Kindeswohl dient, wenn ein Elternteil das andere in seinen Grundrechten beschneiden darf (und wie weit es dabei gehen darf, um das Kindeswohl zu gewährleisten), ist im Einzelfall zu klären. Ich persönlich glaube nicht, dass das automatische Sorgerecht für biologische Väter (über das für biologische Mütter könnte man auch nochmal diskutieren) dafür der richtige Weg ist.

    Die Ehe ist selbstverständlich eine patriarchale Institution, zumal in Deutschland, wie z.B. das Ehegattensplitting zeigt. Dass der EMGR ebenso wie der deutsche Gesetzgeber soziale Vaterschaft ausschließlich über einen Trauschein definiert, bestätigt diese Tendenz doch auch sehr schön.

  7. Von einem automatischen Sorgerecht für biologische Väter halte ich auch nichts, das ist aber weder innerhalb noch außerhalb der Ehe die Rechtslage. Das automatische Sorgerecht der biologischen Mutter (genauer: der Frau, die das Kind gebiert) halte ich nicht ernsthaft für disponibel – wer sonst soll by default das Sorgerecht haben? Soll der Staat die Sorge im Einzelfall zuteilen?

    Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen geht die Tendenz der jüngeren grundrechtlichen Rechtsprechung in Deutschland wie Europa klar dahin, dass sich die Interessen des Kindes durchsetzen und beide Eltern zurückstehen müssen. Das halte ich für richtig und jedenfalls nicht für eine patriarchale Wertung. Wenn die Interessen des Kindes dazu führen, dass Entscheidungsfreiheiten oder Mitbestimmungsansprüche eines Elternteils verkürzt werden, habe ich damit überhaupt kein Problem; ich habe alex so verstanden, dass sie die Position der Mutter sehr viel stärker sieht, wofür ich nur wenig Verständnis habe. Im Verhältnis der Eltern zueinander werden in jedem Fall Interessen beschnitten, das ist kein einseitiges Problem: Wenn der Vater nicht mitreden darf, kann er das evtl. mit guten Gründen vielleicht nicht als Verkürzung, aber als Vorenthaltung von Privatsphäre empfinden. Ich halte nichts davon, das Alleinbestimmungsinteresse des einen oder das Mitbestimmungsinteresse des anderen Elternteils prinzipiell abzuwerten, sondern es kommt auf die Legitimität des Interesses im Einzelfall an (in dem Punkt sind wir uns, glaube ich, auch einig).

    Dass EGMR oder deutscher Gesetzgeber soziale Vaterschaft ausschließlich über einen Trauschein definierten, kann ich nicht sehen. Der nichteheliche Vater kann die Vaterschaft ja anerkennen und (gemeinsam mit der Mutter) eine Sorgeerklärung abgeben, um das volle Sorgerecht zu erhalten. Auch ohne Sorgeerklärung kann ein sozialer Vater zumindest Umgangsrechte erhalten. Dass dies alles komplizierter ist als bei miteinander verheirateten Eltern, ergibt sich schlicht daraus, dass die Betroffenen sich – warum auch immer – entschieden haben, von dem Rechtsrahmen keinen Gebrauch zu machen, den ihnen die Ehe bietet. Das hat für sie Vor- und Nachteile, belegt aber meines Erachtens keine patriarchalen Tendenzen.

    Das Ehegattensplitting ist in diesem Zusammenhang aus meiner Sicht kein Argument, weil es hier um die familienrechtlichen Beziehungen zwischen den Ehepartnern und ihren Kindern und nicht um die steuerrechtlichen Auswirkungen der Ehe geht. Das Ehegattensplitting ließe sich ohne Änderung des BGB abschaffen; dies hätte meines Erachtens keinerlei Auswirkungen auf das institutionelle Setting der Ehe. Für sachnähere Belege für den patriarchalen Charakter der Ehe bin ich dankbar.

  8. @pascale

    so lange das kind den biologischen vater nicht kennt, entsteht kein schaden. außer du redest dem kind ein, dass alle kinder, die die biologischen eltern nicht kennen einen schaden haben müssen.

    und ja, ich seh einfach nicht ein, warum erwachsene aneinenader gekettet werden sollen, nur weil eine frau schwanger wurde, und schon gar nicht kann ich erkennen, warum das zum wohle des kindes sein soll. alleinerziehend geht genauso, egal ob vater oder mutter. das lässt sich organisieren und damit meine ich staatlich. die rahmenbedingungen sind einfach schlecht. siehe fehlende tagesmütter und -väter bzw. kita-plätze. weiters muss man elternzeit gleich aufteilen, nur wenn beide jeweils die hälfte nehmen sollte es elternzeit geben. gleiches gilt für arbeitszeiten, männer müssen weniger arbeiten, frauen etwas mehr, 30 stunden woche. sonst wird das nie was mit der gleichstellung von männern und frauen.

    ich stärke die position der mutter nicht, ich möchte nur nicht mehr benachteiligt werden, nur wegen meines geschlechts. wenn ich schwanger bin, bleibe ich das nur, wenn ich dann auch bestimmen kann, was mit dem kind passiert und ich bin nicht bereit, mein leben aufzugeben, weil irgendwelche menschen meinen, der biologischen erlternschaft übermäßiges gewicht geben zu müssen. selbstaufgabe und kindeswohl sind zwei verschiedene sachen.
    wenn die mutter nach der geburt das kind zur adoption frei geben will sollte das ok sein, genauso, wie wenn der biologische vater die vaterschaft nicht annehmen will. aber wenn die mutter die mutterschaft annimmt, dann soll sie auch selbst entscheiden dürfen, mit wem (der/ die kann natürlich ablehnen, wenns nach mir ginge).
    in dem artikel geht es ja ausdrücklich darum, was wenn der biologische vater eine beziehung zum kind aufbauen will und da sage ich, tut mir leid, dass männer nicht schwanger werden können, aber ich seh nicht ein, dass ich, nur weil ichs kann, deswegen bestraft werden soll. und mein leben mit jemandem zusammen zu organisieren und ständig mit einer person zu tun haben zu müssen betrachte ich als ziemlich tiefen eingriff in meine persönliche freiheit, der hier nur gefordert wird, nicht wegen dem kind, sondern wegen dem biologischen vater.
    da geht es nicht um das kindeswohl, da geht es um besitzansprüche, die einer wegen genetischer übereinstimmung anmelden will. und da stehen eben neun monate schwangerschaft (das ist kein spaziergang!) plus geburt gegen, ja, wie lange? fünf minuten, eine stunde ficken? sorry, echt nicht.

    ebenso würde ich es als frechheit ansehen, wenn ich jetzt in einer beziehung bin und von jemandem anderes schwanger und ich werde dann dazu gezwungen, umgang mit jemandem zu haben, mit dem mein partner und ich das nicht haben wollen. was ist das anderes als eine strafmaßnahme für diejenigen, die sex hatten und nicht eine monogame ehe leben? das hat mit kindeswohl rein gar nichts zu tun. kindeswohl wäre erledigt, den biologischen vater zu vermerken, so dass, wenn das kind mal interesse haben sollte, es wissen kann, wer das ist.

  9. @Pascale: Sachnäher? Geht das auch ohne Strohmann? Natürlich hat das Ehegattensplitting nichts mit dem vorliegenden Fall zu tun, sondern mit der Ehe in Deutschland allgemein. Dass die Institution Ehe bei Abschaffung des Splittings dieselbe bliebe, bestreiten ja gerade die (zumeist konservativen) Befürworter des Splittings. Dabei ist es egal, was mit kodifizierten Rechtsnormen geschieht oder nicht. Die Auswirkungen in der Lebenswirklichkeit der Menschen sind relevant (und die gestalten sich z.Z. derart, dass Paare in die Versorgerehe gedrängt werden).

    Der EGMR hat in dem aktuellen Urteil dem sozialen Vater eine größere Wichtigkeit zugestanden, weil er mit der Mutter verheiratet ist, und damit die deutsche Rechtsauffassung bestätigt. In dem Urteil vor drei Jahren spielten soziale Väter keine Rolle, eben weil die betroffenen Mütter nicht verheiratet waren. Soziale Väter, die nicht mit der Mutter des Kindes verheiratet sind, waren bis 2009 in Deutschland genauso schlecht gestellt wie biologische unverheiratete Väter. Durch die Antragslösung werden jetzt soziale ledige Väter schlechter gestellt als biologische ledige; soziale verheiratete Väter bleiben hingegen, gemäß dem aktuellen Urteil, bessergestellt. Es geht nicht darum, was prinzipiell möglich ist, sondern wem im Fall widerstreitender Interessen der Vorrang eingeräumt wird.

    Zum automatischen Sorgerecht für Mütter: Noch in den 70ern mussten unverheiratete Mütter das Sorgerecht für ihre Kinder beim Jugendamt beantragen. Natürlich hatte das einen patriarchalen Hintergrund. Andererseits ist es doch durchaus interessant, dass Frauen qua Geschlecht das Sorgerecht, und damit die Sorgepflicht mit allen potenziellen strafrechtlichen Konsequenzen auferlegt bekommen, Männer qua Geschlecht die Freiheit haben, abgesehen von Unterhaltszahlungen ohne Konsequenzen zu gehen, oder sich eben um das Sorgerecht zu bemühen. Auch bei verheirateten Eltern bezweifle ich, dass Väter in der Praxis dieselben Sorgepflichten haben, wie Mütter.

  10. Einfach genialer Artikel!
    Sehr aufschlussreich und interessant.
    Ich finde es immer wieder erschreckend zu sehen, wie viel Alleinerziehende Mütter oder seltener auch Väter gibt. Klar gibt es Gründe, wieso es der Fall ist, aber meiner Meinung nach, sollte einKind mit Mutter UND Vater aufwachsen. Und dafür werde ich auch alles geben für meine künftigen Kinder.

  11. @simone

    und die begründung dafür ist was genau? was kann eine mutter, was ein vater nicht kann?

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