Mutterschutz in der EU-Diskussion

Salut,

ich möchte euch heute vom aktuellen Stand der Revision der sog. Mutterschutz-Richtlinie berichten. Die derzeit gültige Richtlinie stammt aus dem Jahr 1992 und gewährt Arbeitnehmerinnen mindestens 14 Wochen bezahlten Mutterschaftsurlaub und legt Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen am Arbeitsplatz für Schwangere und Wöchnerinnen, wie es so schön heißt, fest. Außerdem schließt sie Kündigungen von Arbeitnehmerinnen während des Mutterschutzes aus.

Im Jahr 2008 legte die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie vor. Darin erhöhte sie den Anspruch auf Mutterschutzurlaub auf 18 Wochen und legte außerdem fest, dass die ersten sechs Wochen nach der Geburt verpflichtend seien, die restlichen zwölf Wochen flexibel vor oder nach der Geburt genommen werden können und dass eine Kündigung innerhalb 6 Monaten nach dem Mutterschaftsurlaub nur mit ausreichender Begründung durch den Arbeitgeber möglich sei. Die Kommission räumte in ihrem Vorschlag den Mitgliedsstaaten einen gewissen Spielraum ein. So könnten diese die Höhe der Vergütung während des Mutterschaftsurlaubs selbst festlegen, solange er die Höhe des Krankengeldes nicht unterschreitet.

Im Oktober 2010 verabschiedete das Europäische Parlament nach langen und kontrovers geführten Diskussionen seine Resolution, in der es 20 Wochen voll bezahlten Mutterschaftsurlaub forderte und diesen Anspruch auch auf Selbstständige ausdehnte. Eine weitere Neuerung war der zweiwöchige Vaterschaftsurlaub, den das Europaparlament in seiner Resolution einfordert und der zu einem Hauptstreitpunkt zwischen Parlament, Rat und Kommission wurde.

Wie sieht es heute aus, ein Jahr nach Verabschiedung der Resolution?

Der Rat hat bisher nicht offiziell auf die Resolution des Parlaments geantwortet. Aus internen Berichten wurde jedoch mehrfach deutlich, dass sich eine Gruppe von acht bis elf Mitgliedsstaaten (darunter Großbritannien, die Tschechische Republik und Deutschland) im Rat vehement gegen die EP-Position ausspricht. Hauptargument der GegnerInnen sind die Kosten, die ein längerer und voll bezahlter Mutterschaftsurlaub sowie der zweiwöchige Vaterschaftsurlaub mit sich brächten.
Machbarkeitsstudien, die sowohl von der Kommission und vom Europaparlament in Auftrag gegeben wurden, zeigen ein unterschiedliches Bild: Zwar käme es in einigen Mitgliedssaaten tatsächlich zu signifikanten Mehrkosten (zum Beispiel in Deutschland, wo bisher nur die Mindestdauer von 14 Wochen gewährt wird), in Ländern mit höheren Standards fielen diese jedoch erheblich geringer aus. Außerdem wurde in der Studie des Parlaments klar, dass schon ein minimaler Anstieg der Beschäftigungsquote der Frauen alle Mehrkosten ausgleichen würde.

Da es im Rat zum Stillstand der Verhandlungen gekommen ist, hat die Berichterstatterin der Mutterschutz-Richtlinie im Parlament, die portugiesische Sozialdemokratin Edite Estrela, in einer mündlichen Anfrage den Rat zur Stellungnahme aufgefordert. Die Antwort des Rates könnt ihr naträglich in der Plenardebatte vom 25. Oktober verfolgen.

Grüße aus Brüssel,

Eure Franziska

7 Kommentare zu „Mutterschutz in der EU-Diskussion

  1. „Außerdem wurde in der Studie des Parlaments klar, dass schon ein minimaler Anstieg der Beschäftigungsquote der Frauen alle Mehrkosten ausgleichen würde.“

    Das verstehe ich nicht: Die Kosten für eine Maßnahme, die vermutlich zu einer Senkung der Beschäftigungsquote von Frauen führen würde, kämen durch einen Anstieg der Beschäftigungsquote von Frauen wieder rein? Wie kann das beides gleichzeitig stattfinden?

  2. Mich stört ja wirklich dieser Begriff „Mutterschutzurlaub„. Schwangerschaft und Geburt sind körperlich belastende Ereignisse, von denen man sich erholen muss. Allerdings klingt Urlaub so danach, als könne man sich voll auf die Erholung konzentrieren und lässt vollkommen außer Acht, dass man da ja auch ein extrem pflegeintensiven Säugling zu versorgen hat. Wenn es wirklich um Urlaub im Sinne von Erholung für die Frau ginge, dann wären 6 Wochen obligater Vaterschutz unumgänglich, denn nur so kann sich die Frau vollumfänglich auf die eigene körperliche Erholung konzentrieren.

  3. Die Kosten beziehen sich auf den Lohnersatz, den die Krankenkassen leisten. Und wenn mehr Frauen arbeiten würden (da besteht glaube ich kein innerer Zusammenhang), kämen auch mehr Steuern rein. So die Rechnung.

  4. Der Kündigungsschutz der Mutterschutzrichtlinie ist nur sehr eingeschränkt und mässig – s.u. der entsprechende Artikel. Mütter sind im Mutterschutz mit schriftlicher Begründung kündbar, solange die Kündigung „nicht mit ihrem Zustand im Zusammenhang steht“.

    Das ist windelweicher Kündigungsschutz, den jeder halbwegs gewiefte Arbeitgeber ausgehobelt kriegt.

    Re Kosten: Die sogenannten „signifikanten Mehrkosten“ sind vom deutschen Ministerium maßlos hochgerechnet worden. Mutterschutz wird in Deutschland im Umlageverfahren finanziert und die Erhöhung der Umlage wäre marginal. Die deutsche Bundesregierung tut im Rat ALLES um das Gesetz zu blockieren.

    @al: Ich vermute die Parlamentsstudie ist öffentlich, schau da doch mal rein.

    Zitat aus dem Gesetz
    Um den Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 die Ausübung der in diesem Artikel anerkannten Rechte in bezug auf ihre Sicherheit und ihren Gesundheitsschutz zu gewährleisten, wird folgendes vorgesehen:

    1. Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um die Kündigung der Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 während der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs nach Artikel 8 Absatz 1 zu verbieten; davon ausgenommen sind die nicht mit ihrem Zustand in Zusammenhang stehenden Ausnahmefälle, die entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten zulässig sind, wobei gegebenenfalls die zuständige Behörde ihre Zustimmung erteilen muß.

    2. Wird einer Arbeitnehmerin im Sinne des Artikels 2 während der in Nummer 1 genannten Zeit gekündigt, so muß der Arbeitgeber schriftlich berechtigte Kündigungsgründe anführen.

  5. Eurolomanog, abgesehen von womöglich zweifelhaften Ministeriumsberechnungen und unzureichendem Kündigungsschutz – ich fand die Argumentation grundsätzlich merkwürdig: Selbst wenn die Mehrkosten für einen verlängerten Mutterschutz gar nicht so dramatisch wären, ist es dennoch eine Maßnahme, die sich vermutlich eher beschäftigungsdämpfend als -fördernd auf Frauen auswirken dürfte.

    Das heißt nicht, dass es gute Argumente für einen langen Mutterschutz geben kann. Dann soll man das aber auch sagen, und nicht auf der anderen Seite (bzw. von anderen EU-PolitikerInnen) Rügen an Mitgliedstaaten mit angeblich zu niedriger Frauenbeschäftigungsquote verteilen lassen.

    Die Mehrausgaben (unabhängig von ihrer Höhe) damit zu rechtfertigen, dass man auf eine irgendwie, irgendwo, irgendwann sich wie von Zauberhand selbst erhöhende Frauenbeschäftigungsquote hofft, ist aber mMn nicht nur deswegen bizarr, weil angestrebte Maßnahme und erhoffte Entwicklung gegenläufige Dinge sind, sondern auch, weil das so klingt, als müssten Frauen/Mütter als Kollektiv selber zusehen, wie sie die lästigen Ausgaben verursacht durch den Mutterschutz wieder reinbekommen.

  6. „Das heißt nicht, dass es gute Argumente für einen langen Mutterschutz geben kann.“

    Das fehlt was, ich glaube ein „nicht“ oder „keine“. Vertrackte doppelte Verneinung.

Kommentare sind geschlossen.

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