Must Have

Mein Freund und ich verbringen als unsere Wochenenden seit neustem gerne in leeren Wohnungen. Dort fachsimpeln wir über hässliche PVC-Platten, Klicklaminat und Balkongrößen, stellen kluge Fragen zu Nebenkosten und versuchen, so nett zu lächeln, dass die Hausverwalterin uns in guter Erinnerung behält. Wenn wir dann nach Hause kommen machen wir uns erstmal ein Bier auf und legen enttäuscht die Beine hoch, weil wieder nichts dabei war.

Neulich war wieder einer der Termine, zu denen ich alleine musste. Bei der Arbeit war ich nicht pünktlich los gekommen, die Besichtigung lief also schon. Ich folgte den Stimmen im Treppenhaus und stieß eine Tür im zweiten Stock auf. Es waren auch noch einige andere Interessierte versammelt, ich drängelte mich vorbei und betrat die Wohnung.

Und da sah ich es, das must-have der Saison: Der Babybauch.
Ich war die einzige anwesende Frau ohne. Und ich war out!

Entweder man beachtete mich gar nicht oder man musterte mich geringschätzig wenn ich z.B. darum bat, ein Zimmer betreten zu dürfen um es mir genauer anzusehen, dessen Eingang leider von einer Schwangeren samt Begleitung belagert wurde. Auch das Bad konnte ich nicht in Ruhe betrachten, da hier ein Pärchen gerade die beste Anbringung des Wickeltisches erörterte. In dem Raum, der wohl mein Arbeitszimmer geworden wäre, übte ein kleines Mädchen namens „Frieda“ Klimmzüge am Fensterbrett und rannte als ich rein kam aus dem Zimmer. Für den kurzen Moment, den ich alleine war streckte ich meinen Bauch raus, überlegend, ob dieser nicht vielleicht doch als Babybauch durchgehen würde. Doch während ich noch den versonnenen Blick der Schwangeren übte, kam schon wieder Frieda angerannt und vertrieb mich mit einem strafenden Blick aus ihrem künftigen Kinderzimmer. Hatte man sie aufgehetzt?

In der Küche unterhielten sich derweil die Schwangeren mit dem Vermieter. Erst standen sie demonstrativ in der Tür, gaben dann aber doch nach und ließen auch mich dazu. Schwanger1 redete lang und breit darüber, dass sie ja einen Kinderwagen im Haus gesehen habe und sie sich auf eine so kinderfreundliche Umgebung freue, denn sie sei ja schließlich auch … Schwanger2, die mit den Freundinnen, konnte das natürlich nicht so stehen lassen. Es gäbe doch bestimmt einen Schwangerenbonus bei so vielen Interessenten? Und ob der Vermieter denn auch Kinder habe? Ja, er hatte, zwei Stück. „Das hier“, sprach die Freundin „werden auch zwei“, und packte Schwanger2 auf den Bauch. Ach nein, was echt, Zwillinge? Und klar, deswegen darf es natürlich höchstens der zweite Stock sein und so ein Mutterkreuz Schwangerenbonus wäre da ja mehr als angemessen. Ich biss mir auf die Zunge und zählte innerlich bis zehn.

Dann ließ ich mir unter dem abfälligen Blick von Schwanger1, Schwanger2, Schwanger3, deren Partner und Freundinnen dennoch aus lauter Trotz einen Bewerbungsbogen für die Wohnung geben und verließ sie hoch erhobenen Hauptes.

PS.: Unsere Traumwohnung wurde übrigens am Ende dann doch eine andere. In einem Haus ohne Kinderwagen im Flur.

(Dieser Text ist für all die wunderbaren Mütter unter meinen Freundinnen!)

15 Kommentare zu „Must Have

  1. Schwangeren-Bashing? Ist das – angesichts der Tatsache, dass 90% der Mieter ja doch das kinderlose Pärchen bevorzugen würden – nicht ein bisschen lächerlich?

  2. Ich finde, egal wie der Vermieter entscheidet, ueber Leute, die einen „Schwangeren-Bonus“ einfordern kann man sich ruhig eine Runde aufregen.

  3. Kam sich die Schwangere, die den „Schwangeren-Bonus“ vorschlug, nicht komisch vor, so zwischen lauter anderen Schwangeren? Das waren doch ihre Konkurrentinnen um die Wohnung, oder wollten die alle zusammen eine Geburtsvorbereitungs-WG gründen?

  4. hmm, ich finde das ok, mit dem Schwangeren-Bonus. bin ja aber eben auch mal schwanger gewesen… da sieht man das dann vielleicht aus einer anderen Perspektive. Und „In“ bzw. „Out“ sind Wörter, die ich in Bezug auf Kinderkriegen nicht gerne höre. Sorry.

  5. @schnatterinchen:
    Das war insgesamt eine sehr bizzare Situation… Es scheint ihr wohl egal gewesen zu sein. Mit dem Schwangerenbonus hatte sie sozusagen mir was voraus, mit den Zwillingen dann den anderen Schwangeren.

    @Katrin:
    Wenn die Dame an ihren Bewerbungszettel für die Wohnung noch einen Kommentar gehängt hätte, dass sie Kinder erwartet und die Wohnung wirklich passen würde für sie und sie sich deswegen wirklich freuen würde, usw:
    Kein Thema, für mich völlig nachvollziehbar.
    In dieser Situation aber war es mehr als unangebracht, vor allem in Verbindung damit, wie die vorher mir gegenüber aufgetreten sind. Denn ja, ich wurde angesehen, als wäre ich im angesagtesten Club mit den falschen Schuhen aufgetreten. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte mal dermaßen herablassend behandelt wurde. Und schwanger hin oder her: So ein Verhalten ist einfach unhöflich!
    Und ich bin mir sehr sicher, dass Du, wie auch alle anderen Mütter, die ich kenne, Dich nicht so verhalten hättest.

  6. @ Katrin: Ich hör sowas auch nicht gerne. Aber es ist nunmal leider gesellschaftliche Realität, dass die einen aus lauter Perspektivlosigkteit/sonst nicht wissen wohin mit sich/schlampiger Verhütung Nachwuchs in die Welt setzen, während die anderen ihre Kinder zunehmend mit ihren Haustieren zu verwechseln scheinen und sie als Statussymbol und Trendaccessoires missbrauchen. Und da geht es halt sehr wohl nach „in“ und „out“

    Das es irgendwo dazwischen auch noch zurechnungsfähige Menschen gibt, die sich vorher ein paar Gedanken gemacht haben und ihre Kinder hinterher wie menschliche Wesen behandeln, will ich gar nicht abstreiten. Aber wenn ich mich draussen so umsehe, sind diese letzteren leider in der absoluten Minderheit.

  7. Tach…. ich kann Anna soooo verstehen!! Ich erwarte gleich 5 dieses Jahr in meinem Freundeskreis, und es dreht sich nur noch darum!!! ALLE sind schwanger und das nicht nur im Bauch sondern auch im Kopf. Also is ja alles ganz gut und schön und ich bin sicherlich nur neidisch, aber dennoch …. ALLE sind schwanger und viele tun auch wirklich SEHR schwanger!! ;-)

  8. http://www.neon.de/kat/fuehlen/erwachsenwerden/185611.html (in Richtung Jantz: was heißt denn „schwanger TUN“???)

    ich sehe auch, dass viele Menschen ihre Kinder nicht gut behandeln. Von pauschalen Unterstellungen würde ich dennoch Abstand nehmen wollen. (Das geht in Richtung Michiko, „die einen, die anderen“); was das aber mit „in“ und „out“ zu tun haben soll, bleibt mir weiterhin rätselhaft. Das sind doch Probleme, die es ewig schon gibt. Schon seit hunderten von Jahren. Menschen verstehen Erziehung und Kinderhaben schon immer falsch. Das ist kein Trend. im Gegenteil.

    Anna: ich möchte auch sagen, dass ich die Situation wahrscheinlich schon gut nachvollziehen kann, dass ich auch gar nicht prinzipiell dagegen bin, sowas satirisch zu verarbeiten, aber mir ist der Text eben genau zu wenig offensichtlich satirisch und deswegen empfand ICH ihn als ein bisschen herablassend und verletzend ggü. schwangeren.

  9. Katrin: „(…) empfand ich ihn als ein bisschen herablassend und verletzend ggü. schwangeren.“

    So sind die Lesarten zum Glück verschieden. Obwohl ich schon mehrmals schwanger war, fand ich den Text nicht verletzend gegenüber Schwangeren. Im Gegenteil: Ich hab mich ja sogar als Schwangere unter Schwangeren teilweise so gefühlt wie die unschwangere Anna unter Schwangeren. ;-) Als Alien halt. Wobei ich mir inzwischen sage: Einmal Alien, immer Alien. Egal ob schwanger oder nicht.

  10. Was ist denn verwerflich daran, schwanger zu sein? Natürlich wird darüber gesprochen, weils eben Thema ist. Menschen freuen sich eben in der Regel über Nachwuchs.

    Find ich gut.

  11. Ich fand den Text eine gelungene Berlin-Glosse.

    Sehr typisch eher für die Stadt als für das Setting „Schwangere auf Wohnungssuche“. Denn es gibt diesen „schwanger-Lifestyle“-hype vor allem in Berlin.

    Feministisch gesehen finde ich nur problematisch an dem „schwanger-lifestyle-hype“, dass er die Konkurrenz zwischen Frauen verschärft und dass (z.T. auch medial) Spannungen kreiert werden zwischen „Frauen mit“ und „Frauen ohne“.

    Und das ist m.E. ein deutsches Problem, das mit dem „andere einfach ihr Leben lassen“.

    Denn es sollte doch die Hauptbotschaft sein: Jede/r entscheidet für sich, welches Leben er/sie leben möchte. Bewertungen haben da nix verloren.

  12. naja, diesen schwangeren-hype kenne ich in dieser ausprägung nicht, aber das kind im bauch scheint schon vielen frauen eine waffe in die hand zu geben. das sind doch meistens schlichte ausgrenzungstendenzen und wenn die solche erlebnisse zur folge haben wie das geschilderte: immer her damit! bizarrer ist nur die vorstellungsrunde im geburtsvorbereitungskurs.

Kommentare sind geschlossen.

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