Kopftuch ab, Kopftuch auf, Kopftuch egal?

Beim Surfen bin ich über den Artikel The dos and don’ts of defending Muslim women von Fatemeh Fakhraie gestolpert, welcher schon vor ein paar Wochen veröffentlicht wurde. Darin spricht sie vom Ethnozentrismus westlicher FeministInnen, die muslimische Frauen als Opfer eines rigiden Patriarchats konstruieren und so aus der Perspektive der vermeintlich Befreiten für die Belange der Musliminnen sprechen, ihnen aber gleichzeitig ihre Idee der Befreiung aufdrücken. Die Kopftuchfdebatte ist dazu sicherlich einer der bekanntesten Mediendebatten. Ist das Kopftuch ein Symbol der Unterdrückung oder lediglich ein Kleidungsstück, welches Religionszugehörigkeit aufzeigt? Sollte dieses verboten oder als bloße Religionsausübung betrachtet werden? Und wer entscheidet das eigentlich? Viel zu oft bekommen nur jene Gehör, die das Kopftuch entweder vehement ablehnen oder jene Musliminnen, die das Kopftuch aus freien Stücken tragen und dessen Verbannung opponieren.

In einem Politik-Essay für die Uni habe ich mal geschrieben, dass man insbesondere diejenigen zur Kopftuchdebatte sprechen lassen sollte, die es betrifft, sprich Muslim/innen. Meine Professorin kommentierte mit den Worten: Wie sieht es denn mit jenen Frauen aus, die gar nicht sprechen dürfen? Das ist ein interessanter Punkt; fällt es doch auf, dass insbesondere westliche und islamische AkademikerInnen – die folglich relativ priviligiert sind – zum Kopftuch Stellung nehmen.

Vor einiger Zeit gab es auf feministing eine Diskussion, die u.a. eine Antwort auf Sarkozys geplante Burka-Verbannung (der Spiegel berichtete) darstellte. Darin reagiert die muslimische Autorin SaraMalkani auf die Behauptung, dass für Frauen, die die Burka freiwillig tragen, jenes ein Kleidungsstück der Wahl sei, mit folgendem Satz:

This argument obscures the fact that there is a pervasive, sexist propaganda in many Muslim communities in favor of the burqa. Many women are vulnerable to this propaganda and so their so-called choice to wear a burqa may not be the result of independent, informed decision-making.

Die Frage ist nur: In welchem sozialen Kontext können wir von einem „informierten und unabhängigen Entscheidungsprozess“ reden? Das Problem liegt auch hier wieder in der Annahme, dass die liberalen westlichen Gesellschaften diesen Rahmen uneingeschränkt bieten. Nun möchte ich  bestimmt nicht die Strukturen westlicher Patriarchate wie die USA oder Deutschland mit all ihren Spezifika mit jenen von islamischen Ländern wie Saudi Arabien, Iran oder Afghanistan in einer Skala von „ein ganz klein bisschen patriarchisch“ bis „ganz schön krass patriarchisch“ einordnen. Ich glaube zwar in der Tat, dass es da Qualitätsunterschiede gibt, aber wird hier doch schnell klar, dass die Kopftuchdebatte stellvertretend für diese Debatte steht. Das Problem ist ja dann letztendlich: Kopftuch hin oder her, wie definieren wir eigentlich Geschlechtergerechtigkeit? An einem Stück Stoff kann es kaum liegen (oder doch?). Das ist doch wohl die Debatte, die dahinter steckt.

18 Kommentare zu „Kopftuch ab, Kopftuch auf, Kopftuch egal?

  1. In Frankreich geht die Debatte ja nicht um ein „Burka-Verbot“, sondern um ein Gebot der Gesichts-Ausdrucksfreiheit. Genausowenig gab es in Frankreich ein „Kopftuch-Verbot“ – sondern ein Gebot zur Freiheit von ostentativen religiösen Symbolen im öffentlichen Raum Schule. Das macht einen großen Unterschied zur deutschen Debatte: wir arbeiten uns am Islam ab und merken nicht, dass man dadurch genau in die von dir skizzierte Debatte kommt, nämlich eine Interpretation religiöser Symbole. Diese steht dem Staat aber nicht zu. Stattdessen ist es die Aufgabe des Staates religionsunabhängig Menschenrechte durchzusetzen- gegenüber allen Religionen. Das fällt uns in Deutshcland so schwer, weil unser Staat leider so eng mit den christlichen Kirchen verknüpft ist.

  2. Fährt man hier im Bayerischen Wald über Land, überholt man zuweilen eine Frau mit Kopftuch, die zum Beispiel einen Einachsschlepper fährt oder man trifft eine beim Holzschupferl, Schwammerlnsuchen oder beim „Ramadama“. Dann denke ich auch immer an Kopftuchdebatten und ob ich wohl ein Mordstrumm Schölln verpasst bekäme, würde ich der Frau nahelegen, das Kopftuch abzulegen. Und was wohl die Eltern von Grundschülern dächten, wenn die Lehrerin ihrer Kinder in Kittel und Kopftuch zum Unterricht erschiene, weil sie vorher noch im Garten oder im Stall war. Es hat schon etwas bedrückend faschistoides, wie nicht nur Gesinnungen an Kleiderordnungen festgemacht werden, sondern auch die Eignung des Menschen für bestimmte Aufgaben oder sein Recht auf Würde überhaupt. Die(se) „Sichtbarmachung des Denkens“ und dessen normative Kraft wirft sich auf, Gedanken in böse und gut zu scheiden, was gedacht (= gezeigt) werden darf und was nicht.

    Und das gilt für „Kopftuch auf!“ genauso wie für „Kopftuch ab!“

  3. Franziska hat Recht :)

    Trotzdem ist die Sache mit der Verschleierung für mich ein schwieriges Thema. An der Uni gibt es bespw. (mindestens) eine Studentin, die Burka trägt (abgesehen von mehreren stark „vermummten“ Frauen). Wie geht man damit um? Einerseits ist das für mich wirklich ein Zeichen von Unterdrückung, weil *ich mir nicht vorstellen kann*, dass jemand sich freiwillig derart vermummt. Das behindert Kommunikation und persönlichen Kontakt, und hier bei uns ist das sicher auch mit doofen Blicken (und mehr) verbunden. Gleichzeitig ist es möglich, dass sie durch ihre Sozialisation eben diese Kleidung nicht als unterdrückend einstuft. Sollte ich ihr das dann trotzdem verbieten (wenn ich könnte)?

    Letzten Endes ist es wohl so, dass ich mein Unwohlsein äußern kann, auch meine Meinung dazu sagen, und eben darauf hinweisen, dass Frauen diese Kleidung ebensowenig tragen müssen wie Stringtangas, aber die endgültige Entscheidung ist dann nicht meine… sondern ihre (und nicht etwa die der Familie – sollte Zwang offenbar werden, sieht die Sache wieder anders aus).

  4. @ Franziska: Danke für den Hinweis! Ich glaube, dass es in meinem Post aber um eine ehr generelle Debatte ging, die ich am Beispiel Kopftuch aufzeigen wollte – ob man ein Verbot von religiösen Symbolen auf Grund von „Gesichts-Ausdrucksfreiheit“, Menschenrechte oder aus sonstigen Gründen favorisiert, ist m.E. untergeordnet. Meine These ist ja, dass westlich liberale Gesellschaften Geschlechtergerechtigkeit, Menschenrechte und Gerechtigkeit im generellen eventuell ganz anders definieren und diese dann mit diversesten Gründen durchsetzen möchten. Aber Danke noch mal für deinen Einwand!

    @ :Ludwig: Ich störe mich bei deinem Post nur an dem Wort „faschistoid“, obwohl ich dir inhaltlich absolut zustimme. Etwas als „faschistisch“ zu beschreiben unterminiert meines Erachtens die Greueltaten der Faschisten des 3.Reichs, die noch mit anderer Qualität diskriminiert und gemordet haben.

    @ Patrick: Ich teile dein Unwohlsein und finde, du hast es ziemlich gut beschrieben, letztendlich ist das Kopftuch / Burka / Kreuz etc. im Zuständigungbereich der Trägerin / des Trägers und die Moralkeule sollten wir vielleicht stecken lassen.

  5. „Ist das Kopftuch ein Symbol der Unterdrückung oder lediglich ein Kleidungsstück, welches Religionszugehörigkeit aufzeigt?“

    Das Kopftuch drückt keineswegs die Zugehörigkeit zum Islam aus. In etlichen Ländern, etwa Iran und Saudi-Arabien ist es für ALLE Frauen vorgeschrieben – nicht nur für Musliminnen. Daneben gibt es viele Musliminnen, die es nicht tragen. Das mit der „Identität“ ist nur ein Trick um das Kopftuch durchzudrücken.

    Wenn Frauen, die sich für das Kopftuch stark machen, sich vehement für das Recht KEIN Kopftuch zu tragen, einsetzen würden, wären sie glaubwürdiger.

    Nach traditionell islamischer Auffassung ist das Kopftuch keineswegs Ausdruck von irgendeiner religösen Gesinnung, sondern eine islamrechtliche Vorschrift, die nach dem Prinzip „Das Rechte gebieten und das Verwerfliche verbieten“ mit Gewalt durchgesetzt werden soll und alle Frauen trifft.

    In etlichen islamischen Regionen, werden die Frauen sogar zur Burqa gezwungen.

    Genau dashalb ist das Kopftuch, und noch vielmehr die Burqa, ein Unterdrückunginstrument.

  6. Ein grauenhafter Artikel. Fatemeh Fakhraie Interesse ist es lediglich, ihre heissgeliebte islamische Gemeinschaft vor zersetzedem Einfluss zu schützen. Bei solchen Leuten wird Kritk, die sich an Fakten festmacht, umgelogen zu bösartiger Bevormundung. Sie zürnt den Soldaten, die eine afghanische Frau vor Steinigung retten, weil sie es dieser nicht selbst überlassen haben und fragt nichtmal danach, wie diese dazu steht. Und vermutlich trägt sie es den Briten bis heute nach, dass sie die Witwenverbrennung in Indien verboten haben. Den meisten Deutschen dürfte der Artikel ja gefallen, schliesslich sind die Meister der Geschichtsaufarbeitung auch immer sehr erzürnt, wenn andere den Holocaust zur Sprache bringen.

  7. @Martin:
    Du bist leider völlig fehlinformiert. Zeig mir bitte die Suren, denen das Kopftuch vorgeschrieben wird. Zeig mir bitte die entsprechende Hadithe inklusive Überlieferungsgeschichte, welche den Zwang zum Kopftuch mit religiöser Autorität ausstattet.

    Aller Wahrscheinlichkeit wirst du wenig vorzubringen haben, wie die meisten, die Kopftücher als islamistische Unterdrückungssysmbole interpretieren. Liegt die politische Deutung (wie in den entsprechenden Gesetzen) noch ferner, so bereits die scheinbar naheliegende Interpretation des Kleidungsstückes falsch: Das Kopftuch mag religiöse Tradition haben – religiöser Zwang ist es nicht. Nach meinem Kenntnisstand gibt es im Koran nur eine Sure, in welcher eine Kleidung für beide Geschlechter gefordert wird, die nicht dazu geeignet ist, sexuelle Reize auszusenden.

    „Nach traditionell islamischer Auffassung ist das Kopftuch keineswegs Ausdruck von irgendeiner religösen Gesinnung, sondern eine islamrechtliche Vorschrift, die nach dem Prinzip “Das Rechte gebieten und das Verwerfliche verbieten” mit Gewalt durchgesetzt werden soll und alle Frauen trifft.“
    Belege bitte. Außerdem folgt aus der möglichen Tatsache, dass das Kopftuch für Frauen in irgendeinem Gesetzeskorpus festgehalten ist, nicht, dass es sich hierbei um ein Unterdrückungssymbol handelt.

    Das Gegenteil ist (zumindest in Europa) oftmals der Fall: Für viele Musliminnen bedeutet das Kopftuch bedeutet das Kopftuch zwar eine Identifkation mit der eigenen Tradition – allerdings in dem Bewusstsein, diese Tradition verändern zu müssen…

  8. Ich finde, es ist immer noch ein Unterschied, als Privatperson oder als – ich sag jetzt mal – „öffentlich Person“ (Lehrerin, Beamte etc.) ein Kopftuch zu tragen.
    Im ersten Fall sollte es eine persönliche Entscheidung der Frau sein. Sie sollte weder dazu gezwungen werden es zu tragen noch es nicht zu tragen. Im zweiten Fall ist das meiner Meinung nach etwas anderes. Hier repräsentiert die Person nämlich staatliche Gewalt und die sollte halt im Thema Religion neutral sein. Deshalb finde ich da: keine Kopftücher, keine Kreuze, keine sonstigen religiösen Symbole. Wer dazu nicht bereit ist, muss sich halt einen anderen Job suchen.
    Ich muss ja auch meinen Kleidungsstil meinem Arbeitgeber anpassen, obwohl er eine mir wichtige Lebenseinstellung repräsentiert.

  9. Ich hatte durch meinen neuen Job die großartige Gelegenheit, eine dieser „anderen“ Kopftuchträgerinnen kennen zu lernen, eine junge Muslimin aus Malaysia, die in Deutschland studiert – ein technisches Fach – und arbeitet nun auch in der gleichen Firma.

    Zum Glück war ich in der Lage, meine Westliche geprägten Vorurteile über Kopftuchtragende Frauen – die wie ich zugeben muss – zweifellos da waren, zu überwinden und diesen wirklich wunderbaren, selbstbewussten Menschen, kennen zulernen.

    Sie trägt Kopftuch und moderne Kleidung, aber immer lange ärmel und lange Hosen, hat strenge Vorschriften was sie isst.. soviel dazu (man kann sie aber zu all diesen Dingen befragen und sie gibt gerne Antwort)..

    aber in anderen Punkten ist sie weitaus emanzipierter als viele unserer Westlichen Damen. Sie hat einen Freund – (im übrigen selber ausgesucht und es ist auch nicht ihr erster…)- der akzeptieren muss, wie sie lebt.
    Er würde sie gerne Heiraten, sie fühlt sich noch zu jung und will noch einige Zeit alleine Leben… (eine Heirat würde zusammen ziehen bedeuten) und arbeiten.
    Auf die Frage, ob sie nicht mehr arbeiten wollen würde, wenn sie verheiratet ist, hat sie mich nur ungläubig angesehen und gesagt: „natürlich will ich weiter arbeiten, warum studiere ich denn sonst?“ „und wenn Kinder da sind?“ „Natürlich will ich dann auch weiter arbeiten“.

    Sie verurteilt unsere „westliche“ lebensweise nicht, kommt mit, wenn wir feiern -trinkt dann eben selber keinen Alkohol – und hat uns schon auf den ein oder anderen Ausflug begleitet. Etwas seltsam war es, als wir mit gemischten Geschlechtern in einem Hostel geschlaffen haben.. da blieb das Kopftuch über Nacht eben auf…
    Aber, und das fand ich sehr erstaunlich, war sie eine sehr gute Zuhörerin, wenn es um „Liebeskummer“ ging… und dafür, dass wir westlichen Sex vor der ehe haben, mit offenen Haaren und kurzen Röcken rum laufen, verurteilt sie uns nicht – es ist eben nicht IHR Lebenstil.

    Ich will das Kopftuch nicht gut reden, aber es ist eben ein Symbol, dass vielleicht wirklich in vielen Fällen für Unterdrückung steht… aber man sollte vorsichtig sein…
    Ich habe leider auch schon türkisch Mädchen kennen gelernt, die plötzlich weg und verheiratet waren…. das sind übrigens oft die in Deutschland aufgewachsenen Mädchen, die ein Kopftuch tragen müssen.
    In anderen Ländern kann das auch anders aussehen – und mit einem Kopftuchverbot würde man es den Frauen echt schwer machen, hier in Deutschland sich zu bilden – und Bildung ist vielleicht der beste Weg, dass diesen Frauen überhaupt die Möglichkeit gibt, über das Kopftuch nachzudenken … wenn man damit aufgewachsen ist, es nicht anders kennt, macht man sich nicht immer sofort Gedanken…
    besonders einprägsam war eine Unterhaltung mit eben dieser Malaysierin, einem Inder und zwei Deutschen.
    Der Inder erzählte, dass er sich eine von drei Frauen aussuchen durfte, die sich mehr oder minder fügen muss und bei den Frauen aus ihrem Stamm es kaum denkbar wäre, dass sie nach Deutschland gehen dürften … und es gin hier um Hindus, indische Frauen, die teilweise alles andere als verschleiert herum laufen.
    meine Kopftuchtragende Freundin hatte dafür absolut kein Verständnis und fand die Vorstellung, sich nicht selber aussuchen zu dürfen, was sie studiert, wo sie hin geht und wen sie heiratet, total absurd… was das Kopftuch angeht, so hat sie in Deutschland zum ersten mal darüber nachgedacht, ob sie es wirklich tragen wollen würde… vorher war es einfach normal … und sie wolle es weiter tragen wollen…

  10. @ Sven

    Islam, das heißt die Unterwerfung unter dem Willen Gottes, ist nach traditioneller Auffassung der sunnitischen Muslime, aber auch der Mehrheit der Schiiten nicht nur das, was in Koran steht, sondern das, was die Scharia, beruhend auf den Grundlagen des islamischen Rechts (usul al-fiqh), verlangt.

    Dannach muss die „awra“ der Frau bedeckt werden, das heißt alles bis auf Gesicht und Hände (eventuell auch Füße) .

    Nicht der oder die Einzelne entscheidet darüber was gilt, sondern die von Islamgelehrten verfassten Bücher.

    Und die sagen für den orthodoxen Islam recht klar: das Haar der Frau muss bedeckt sein.

    Bei Aleviten und anderen Islamformen, bei denen die traditionelle Scharia nicht oder nur eingeschränkt gilt, ist das natürlich anders.

    Lies beispielsweise hier, wie orthodoxe Muslime solche Dinge sehen und diskutieren. Man kann sich schnell viele weitere Beispiele ergoogeln.

    Für den allegmeinen Zwang zum Kopftuch enpfehle ich die Schriften al-Schafiis, Ahmad ibn Hanbals oder wenns modernen sein soll Khomeinis, Muhammad ibn Abd al-Wahhabs oder der Deobandis.

  11. Nach der Bibel soll die Frau ja auch im Gottesdienst ihren Kopf bedecken. Wie viele Frauen tun das? Also einfach zu sagen: Das ist eben Islam ist etwas zu einfach, genauso wie eine rein relativistische Sicht auf „andere Länder, andere Sitten“.

  12. access denied, kannst Du zu der Behauptung mit Fatemeh Fakraie und der Steinigung bitte noch einen Beleg nachreichen?

  13. Lena,
    Ich finde Deinen Ansatz super. Eigenltich finde ich das die einzig richtige Herangehensweise: Wenn man wissen möchte, ob sich Frauen, die ein Kopftuch tragen, unterdrückt fühlen, sollte man genau die individuellen Frauen fragen, die ein Kopftuch tragen. Ob sie finden, dass das *für sie* eine religiöse Sache ist, ob sie finden, dass das *für sie* eine kulturelle Sache ist, was es *für sie* bedeutet, wenn sie eins tragen müssen, was es für sie bedeutet, wenn sie keins tragen dürfen. Was es *für sie* in Beziehung zu anderen Männern bedeutet und was es in Beziehung zu ihrem Partner bedeutet.
    Wahrscheinlich bekommt man dabei sehr unterschiedene Antworten. Das kann vielleicht viele auch überfordern, weil es natürlich unkomplizierter wäre, wenn die Gesamtheit der Kopftuchträgerinnen irgendwie eine homogene Masse wäre. Oder man aus dem Wortlaut irgendeiner Koransure ablesen könnte, wie’s den Frauen geht, die in Frankreich ein Kopftuch tragen (oder möchten und nicht dürfen) oder denjenigen, die im Iran lieber keins tragen würden aber müssen. Is aber nicht.

  14. @ Emily: dem kann ich nur zustimmen
    @ Magda und weitere KommentatorInnen:
    Es gibt nicht „die westliche Gesellschaft“, genausowenig wie „andere“ (muslimische oder wie auch immer) Gesellschaften. Aber es gibt die unteilbaren und universellen Menschenrechte. Und ich habe mit genügend Frauen aus zig Orten gearbeitet und gekämpft und von ihnen genau das gelernt: Das Recht über seinen Körper frei zu entscheiden ist nichts „Westliches“. Und genau deswegen sind diese Diskussionen über „was ist Islam?“ nicht wirklich zielführend – es ist auch echt nicht unsere Aufgabe zu bestimmen, was „islamisch“ etc. ist. Genaus deswegen finde ich den französischen Ansatz besser. Hier geht es um Menschenrechte und, zum Beispiel bei LehrerInnen um einen religionsfreien staatlichen Dienst.

  15. Ehrlich gesagt, die Kopftuchdebatte regt mich maßlos auf. Es ist so ein eurozentristischer Mist, dieses an und für sich als islamisches Unterdrückungswerkzeug zu sehen. Und es generell zu verbieten, wie an der Schule, im öffentlichen Dienst, sehe ich als Vergewaltigung einiger Rechte, die man nunmal haben sollte.

    Klar, zum Tragen des Kopftuchs kommt kein Mädchen von alleine, es sei denn sie findet es schön und will schon von klein auf es aus ästhetischen Gründen tragen. Es ist stark symbolisch besetzt und deswegen für viele Frauen – freiwillig oder unfreiwillig – unverzichtbar. Dieses nicht mehr tragen zu „dürfen“ halte ich für sehr kontraproduktiv, denn es wird damit niemandem geholfen. Frauen, die es tragen „müssen“, identifizieren sich ja oft auch mit dem, was das Kopftuch darstellt. Es ablegen zu müssen geht von ihrem Standpunkt aus mit einer Entehrung einher. Ich stelle mir das sehr schrecklich vor. Denn die Strukturen sind im Kopf, sie werden durch das erzwungene Ablegen des Kopftuches nicht verschwinden. Im Gegenteil.

    Wollen wir vom Kopftuch als Unterdrückungsmechanismus ausgehen, da möchte ich mir doch die westliche Frau zeigen, die „wirklich freiwillig“ hochhackige Schuhe trägt, sich „wirklich freiwillig“ die Schambehaarung entfernt und „wirklich freiwillig“ von einer Diät zur nächsten hechtet. Na?
    Klar, Du machst das super freiwillig. Aber bist Du Dir da ganz sicher? Ist es nicht eher so, dass Du verdrängst, dass Dir diese vermeindliche Freiwilligkeit gesellschaftlich indoktriniert wird? Wohin Du nur schaust, schlanke, glatte Frauen mit gestreckten Beinen. Da sind die Blasen an den Füßen, die Fehlstellungen, die mit hohen Schuhen auf lange Sicht einher gehen können, die Pusteln und Abszesse nach dem rasieren doch verschmerzbar. Aber ein Kopftuch ist der Zenit an Unterdrückung?

  16. die kopftuchdebatte steht, denke ich, hierzulande (und in Nikys fronkreisch auch) für die frage, wie das verhältnis von öffentlich und privat ist, sein soll, nicht sein soll, besser wäre. und sie konzentriert sich auf den als weiblich angesehenen körper – dessen sichtbarkeit oder unsichtbarkeit, dessen enthüllung oder verhüllung. im falle von türban bis tschador regt uns hierzulande die vermischung auf: die besteht darin, dass die ‚westliche‘ form der verhüllung durch kostüm, hosenanzug (aber auch bikini) durchbrochen wird durch eine form, die über religion in den bereich des privaten verwiesen wurde – und da bleiben soll.

    ein ansatzpunkt wäre zu fragen, womit die vorstellung des ‚westlichen‘ staates und der ‚westlichen‘ öffentlichkeit alles aufgeladen ist. und sie muß mit etwas aufgeladen sein. sonst käme keine/r auf die idee zu verkünden, dass eine lehrerin/staatsanwältin mit kopftuch nicht ‚den staat‘ repräsentieren dürfe, solle.

    ein anderer ansatzpunkt wäre zu fragen, weshalb es ausgerechnet der als weiblich angesehene körper ist, an dem sich die debatte über unterdrückung ja oder nein entzündet.

    im übrigen: bei der vorstellung, Amina Wadood könnte ihr tuch auf dem kopf als zeichen der unterordnung unter männliche/s tragen, und dessen ‚überordnung‘ damit – und sei es auch nur ganz abstrakt – akzteptieren, überkommt mich heftiges gelächter!

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