Interview: „Queere Kämpfe und Belange in der Praxis verorten“

Erst im vergangenen Jahr wurde das queer(end)e Magazin Queerulant_in gegründet, jetzt steht bereits die vierte Ausgabe an und die Auflagenzahlen steigen. Queerulant_in ist ein kostenfreies Magazin, das in verschiedenen Städten erhältlich ist oder als PDF heruntergeladen werden kann. Für die kommende Ausgabe werden noch Beiträge gesucht. Im nachfolgenden Interview erzählen die Macher_innen, welche Themen Queerulant_in beackert, wie das Heft entstanden ist und welche Pläne es für die Zukunft gibt.

Wie ist Queerulant_in entstanden?

Die_der Queerulant_in erwuchs dem Mangel an (kostenlosen) Zeitschriften, die sich nicht nur queer nennen, sondern auch queer handeln. Die beispielsweise geschlechtergerechte Sprache benutzen und konsequent mehr als nur zwei Geschlechtsidentitäten berücksichtigen. Insbesondere lokal (d.h. in Hessen, fernab verqueerer Großstädte) fiel uns das Fehlen eines solchen Mediums auf.

Dies wollten wir angehen, und so beantragten wir Mittelzuschüsse beispielsweise bei der Homosexuellen Selbsthilfe e.V., welche uns gemeinsam mit Allgemeinen Studierendenausschüssen an Hochschulen (ASten) den Druck ermöglichten.

Im April 2012 kam dann die erste Ausgabe, und im August und Dezember 2012 die Ausgaben 2 und 3. Mittlerweile bereiten wir die 4. Ausgabe zum einjährigen Jubiläum vor, welche voraussichtlich Ende April veröffentlicht wird. Die_der Queerulant_in erscheint nun also recht regelmäßig und wird von Ausgabe zu Ausgabe umfangreicher.

Wir stellen die Ausgaben kostenlos als PDF zur Verfügung und verschicken bei Interesse auch kostenlos Exemplare. Das uns dies momentan finanziell möglich ist, freut uns sehr, da somit wieder ein paar Hürden weniger zwischen dem Heft und seinen (potentiellen) Leser_innen stehen.

Womit beschäftigt sich Queerulant_in inhaltlich?

Queerulant_in beschäftigt sich nicht nur mit den üblichen Verdächtigen in Sachen „queer“, sexuelle Identitäten, Geschlechtsidentitäten und allerlei andere Identitäten, sondern sieht „queer“ auch als politischen Begriff, eingebettet in Machtstrukturen und Kämpfe auf verschiedenen Ebenen. Entsprechend beschäftigen sich auch die Texte mit einer Fülle an Themen aus diesen Bereichen. Wichtig ist uns auch praxisnahe Beiträge zu bringen, etwa über Demonstrationen oder den persönlichen Umgang mit der/den eigenen Identität/en. Queerulant_in soll zwar auch theoretisch sein, aber auch stark queere Kämpfe und Belange in der Praxis verorten.

Seit Beginn bringen wir immer wieder Artikel aus Hessen, da Queerulant_in dort ihren_seinen Anfang genommen hat. Das heißt, dass wir uns sowohl mit den lokalen Intersex*-Protesten für ein Ende der Genitalverstümmelungen an Universitätskliniken (u.a. Marburg, Gießen und Frankfurt) beschäftigen, als auch mit Mainstream-Veranstaltungen wie dem CSD-Mittelhessen, welcher nach 18 Jahren wieder 2012 stattfinden konnte. Darüber hinaus gibt es jedoch auch ganz viele globale Themen oder welche aus anderen deutschen Städten. Beispielsweise hatten wir in der Ausgabe 2 einen Schwerpunkt zu Osteuropa, bei dem wir über queere Belange und CSDs in Moldau, der Ukraine und anderen osteuropäischen Ländern berichtet haben. Außerdem gab es Artikel zu LGBT*-Kämpfen in Honduras oder ganz allgemein Artikel, Beiträge und Comics zu Trans*-Belangen, zu schwuler und lesbischer Selbstermächtigung, zu queerer Pornographie, Sexismus an der Universität, Polizeigewalt gegen Trans*-Personen, queerer ehrenamtlicher Arbeit und zur Tradition der Homosexuellenverfolgung in Deutschland.

Hin und wieder haben wir also auch vereinzelt Artikel im Heft, die eher schwul oder lesbisch als queer sind, da ein Paar Autor_innen sich eher in den entsprechenden Szenen bewegen. Da aber auch deren Perspektive bei kontroverseren Themen im Mainstream gerne übersehen wird, drucken wir auch diese, so lange der Text nicht queere Identitäten unsichtbar macht oder angreift.

Ein ganz neues Kapitel eröffnen wir in der nächsten Ausgabe, in der es erstmals auch eine Ratgeber-Kolumne geben wird. Mit diesem Lifestyle-Aspekt gehen wir die Themen Selfcare und Selbstfürsorge an. So zumindest die Theorie. Noch wurde keine Frage ausgewählt, wer eine stellen möchte findet den Aufruf dazu hier.
Thematisch ist Queerulant_in sehr offen und lebt von den Mitwirkenden, ihren Themen und Ideen.

Wer kann bei Queerulant_in mitmachen?

Queerulant_in ist ein offenes Projekt mit einer losen Struktur. Manchmal fragen wir Einzelpersonen oder Gruppen, ob Interesse besteht Beiträge zu schreiben und zu veröffentlichen. Manchmal kommen Personen auch auf uns zu, wenn beispielsweise ein Schwerpunkt-Thema feststeht.
Für die 4. Ausgabe suchen wir auch noch Menschen, die Lust haben Beiträge beizusteuern. Bislang steht fest, dass es Beiträge zur europäischen Flüchtlingspolitik geben wird, mit Fokus auf LGBT*-Flüchtlingen. Noch haben wir kein Schwerpunkt-Thema festgelegt. Angedacht waren verschiedene Beziehungsformen, doch dafür fanden wir bisher noch nicht genug Autor_innen. Wer mitschreiben möchte (egal zu welchem Thema) und/oder Teil des Redaktionsteams werden mag, ist herzlich eingeladen uns eine Mail schreiben.

Wo kann mensch Queerulant_in erhalten?

Queerulant_in kommt kostenlos zu dir nach Hause oder in ein autonomes Zentrum/Infoladen/Arbeitskreis deiner Wahl. Schreib uns dafür einfach eine Mail an die Kontaktadresse kontakt@queerulantin.de.
Alternativ erhältst du Queerulant_in auch an einem der meist öffentlichen Auslageorte. Zu beachten ist jedoch, dass manche Räume geschlechtlich beschränkt sind. Die 4. Ausgabe wird in der Schweiz, Österreich und in Deutschland ausliegen, unter anderem an folgenden Orten.

Irgendwelche Pläne/Ideen/Visionen für die Zukunft?

Momentan sieht es so aus, dass wir die Auflage immer mehr erhöhen müssen, um den Bedarf zu decken. Bei einer kostenlosen Zeitschrift sagen die Leute gerne mal: „Her damit!“, was uns sehr freut. Eine Vision wäre die Möglichkeit zu haben eine Finanzquelle für Queerulant_in sicher zu stellen. Das hieße für uns, dass wir nicht vor jeder Veröffentlichung bei Gruppen, Stiftungen und ASten anfragen müssten. Leider ist dieser Plan wieder etwas in die Ferne gerückt, da uns eine große deutsche, linke Stiftung vor kurzem eine komplette Absage geschickt hat, was wir sehr schade fanden. Ansonsten versuchen wir diverser, barrierefreier zu werden. Da Queerulant_in von den Leuten lebt, die mitmachen, gibt es von Ausgabe zu Ausgabe immer wieder Dinge die auffallen: Mal fehlen Beiträge von Personengruppe X, mal Beiträge zu Thema Y. Auch hatten wir schon die Idee teilweise Seiten und Ausgaben in Braille zu drucken, was jedoch die Druckkosten enorm steigern würde. Barrierefreiheit ist ja leider oft eine Kostenfrage. Toll wäre es vielleicht auch monatlich zu veröffentlichen, aber da ja die ganze Arbeit für Queerulant_in ehrenamtlich getätigt wird, ist das wohl nicht ganz so realistisch, außer wenn mensch irgendwie Struktur und Geld für die Entlohnung der Arbeit hätte. Alles ein schwieriges Thema, aber Queerulant_in entwickelt sich. Der nächste Schritt ist die Erhöhung der Seitenzahl und die Einführung von neuen Rubriken. Außerdem wird es ein neues Faltposter geben. Woohoo!

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