Hurra! Internationaler Anti-Diät Tag

Dieser Text ist Teil 14 von 45 der Serie (Mein) Fett ist politisch

Jeder Tag ist Anti-Diät-Tag! So zumindest meine Devise. Trotz­dem ist ein Tag wie der heutige, der erstmals 1992 von Mary Evans Young aus­gerufen wurde, symbolisch wichtig, um uns daran zu erinnern, dass ein­engende Schönheits­normen und die Diskriminierung von dicken und fetten Menschen ätzende Realität sind und jeden Tag von einer milliarden­schweren Diät- und „Schönheits“-Industrie auf­recht erhalten werden.

Zu den Zielen des Anti-Diät-Tags gehören unter anderem die Würdigung der Vielfalt von Körpern, das kritische Hinter­fragen von Schönheits­idealen, Diät­produkten und kommerziellen Diäten und das Ein­treten gegen die Diskriminierung und Stigmatisierung von dicken und fetten Menschen.

„Es ist verdammt peinlich wie gut ich manchmal aussehe“ (aus: My Mad Fat Diary)

14 Kommentare zu „Hurra! Internationaler Anti-Diät Tag

  1. Sehr gut, da beginnt die Woche doch perfekt! Ich geh gleich mal Schokolade en masse kaufen. :D

  2. Wieso sprichst Du „von dicken und fetten Menschen“? Was soll/bringt die Unterscheidung?

  3. @ Michi

    Ich beziehe mich da auf Selbstbezeichnungen und nicht auf vermeintlich klar voneinander abzugrenzende Größen. „Dick“ und „fett“ sind keine „objektiven“ Bezeichnungen, sondern soziale Konstruktionen (denn: ob mensch als ‚dick‘, ‚fett‘ oder sonstwie markiert wird, hat ja mit gesellschaftlichen Verhältnissen zu tun und entspringt nicht einer wertneutralen Einteilung). Es gibt dazu allerdings noch zu wenige Diskussionen im deutschsprachigen Raum, also kann ich auch auf keinen Link verweisen. Da ich aber respektiere, dass manche Menschen sich als dick oder fett bezeichnen (gerade um ihre soziale Position in Bezug auf fat shaming zu verdeutlichen), habe ich beide Bezeichnungen genommen – auch in Abgrenzung zu „übergewichtig“, was ich nicht gut finde, weil es impliziert, dass es so etwas wie ein „richtiges Gewicht“ gäbe.

  4. Ich finde die Übersetzung interessant: Unter dem Clip steht mindestens „Es ist >verdammt> peinlich“ und nicht „fast schon“. Nur nicht untertreiben bitte!

  5. Was ist mit dem berühmten „Diät machen, um sich selbst wohl zu fühlen“? Glaubt da jemand dran?

  6. @ Runaway

    Jein. Ich glaube schon, dass manche Menschen sich subjektiv besser fühlen, wenn sie eine Diät machen und dann vielleicht sogar ein paar Kilo abnehmen. Dieses Gefühl ist aber gesellschaftliche geformt, weil Gewicht abnehmen (oder der Wille zum Abnehmen) und schlank sein so positiv konnotiert sind – jedenfalls positiver als dick sein oder die Zunahme von Gewicht. Gesellschaft und persönliches Befinden lassen sich nun einmal nicht trennen.

    Ich handhabe das für mich in meinem Freund_innenkreis so: Bis zu einem gewissen Punkt kritisiere ich meine Freundinnen nicht, wenn diese den Wunsch äußern abzunehmen (ich kann es teilweise auch verstehen, denn wir leben in einer fat shaming Gesellschaft, für manche ist das Anpassen (wollen) an eine schlanke Norm einfacher als Diskriminierung zu ertragen), aber Applaus bekommt dafür niemand von mir, weil ich weiß, woher der Wunsch Diäten zu machen herkommt: Eine Gesellschaft, die Dünnsein höher wertet als Dicksein.

  7. Ich finde den Tag sehr passend von der jahreszeit her. Am Tag davor habe ich zum ersten Mal im Jahr gedacht, dass ich nicht mehr im alte leggings und die pullies meines mannes rumlaufen kann und soll mir ein paar sommer klamotten kaufen. 20 Minuten auf shopping webseiten und schon wieder das komische gefühle.

    Der Satz – glaubt jemand da dran – stört mich etwas. Egal ob ich daran glaube oder nicht – tagtäglich spure ich den Druck, mit meinem Körper unzufrieden zu sein. Ich kann mich dagegen wehren aber es ist keine individualisierte Entscheidung, an Diaeten zu glauben oder nicht.

  8. @ MidiGrrrl

    Ich teile deine Bedenken, dass solche symbolischen Tage häufig recht individualisierend daherkommen. Die britische Fat-Aktivistin Charlotte Cooper hat auch einen informativen Artikel geschrieben, warum sie den Tag nicht ohne weiteres unterstützen kann (sie war damals bei der Ausrufung des Anti-Diät-Tages dabei).

    Ich finde es daher wichtig, dass mensch begründet, warum Diäten abzulehnen sind, um nicht nur die individuelle Ebene in den Blick zu nehmen (und womöglich meine Freund_innen einzeln abzustrafen, wenn sie einem gesellschaftlichen Druck nachgehen – das wäre unproduktiv), sondern die strukturelle Ebene dahinter aufzudecken, nämlich welche kommerziellen money-making Industrien und Schönheitsnormen dafür verantwortlich sind, dass so viele Menschen Diäten machen. Ich denke schon, dass mensch dann anfangen kann zu lernen, Diäten abzulehnen, wenn die Struktur dahinter besser verstanden wird.

    Solche symbolischen Tage erfüllen aber zumindest einen Zweck: Sie erregen Aufmerksamkeit und zeigen, dass es überhaupt eine Gegenbewegung zu kommerziellen und an Schönheitsnormen orientierenden Diäten gibt.

  9. [Anmerkung: Inhaltswarnung für (internalisiertes) fat shaming]

    Hallo Magda,

    ich schaue hier ab und zu mal vorbei, um zu gucken, ob mein Kommentar veröffentlicht wurde. Wurde er nicht. Klar, in euerer Netiquette steht, dass ihr das entscheidet, vielleicht bist du ja auch auf Urlaub oder sonst was.
    Aber vielleicht ist es ja nach knapp zwei Wochen erlaubt mal nachzufragen, ob du das nach veröffentlichst? Ich gehöre nicht zu den Leuten, die zu allem und jeden überall ihren Senf dazu geben, das mache ich am ehesten, wenn mich etwas extrem ärgert oder auch wenn ich etwas extrem toll finde. Nun ja, dieser Artikel und noch mehr die folgenden kommentare ärgern mich einfach extrem. Falls dir die erste Variante meines Kommentars aus irgendwelchen Gründen nicht gefallen hat, hier noch mal eine neue:

    Ich bin 1,80 groß und wiege 107 kg. Ich bezeichne mich selber als dick, von anderen (z. B. Menschen, die mich auf der Straße sehen) werde ich sicher auch so „markiert“ (wer hat bloß diesen widerlichen polit-sprech erfunden?).

    Ich schäme mich nicht dafür, dass ich so viel wiege, wie ich gerade wiege, aber ich bin auch weit entfernt davon meinem Spiegelbild aufgrund meines Gewichtes zu sagen, dass ich „fucking good looking“ sei. Und ich bin ziemlich entnervt davon, dass mir andere – meistens schlanke – Menschen, wie hier mit diesem Artikel, einreden wollen, dass ich es cool finden soll dick zu sein.

    Nein! Ich finde es NICHT toll dick zu sein, ich möchte lieber dünn sein und das nicht, weil die Schönheitsindustrie mir das einredet, sondern weil es einfach schöner ist leichter zu sein. Ich weiß, wovon ich rede: Vor ca. vier, fünf Jahren habe ich mich von damals 95 auf 80 kg runter „ge-sportet“ vor allem, weniger gehungert. Und es war einfach super, super cool 80 zu wiegen und von mir aus können mich alle hier dafür hassen. Ich habe mich einfach mindestens 100mal wohler mit meinem Körper gefühlt.

    Aber die Freude hielt nicht lange, irgendwie habe ich den Sport in der exzessiven Weise aufgegeben, wie ich ihn damals betrieben habe und in den folgenden drei Jahren nicht mehr den Antrieb gefunden, wieder einzusteigen, mit dem Ergebnis, dass ich jetzt 107 wiege.

    Jetzt mache ich wieder Sport, aber das Gewicht geht nicht so „leicht“ wieder weg wie vor 4 Jahren, es ist total mühsam. Wenn ich dann solche Sätze wie von Magda, dort oben im Kommentar lese, dann macht mich das wirklich wütend. Ich zitiere Magda ganz händisch, ich weiß nicht was blockquote ist:

    „Bis zu einem gewissen Punkt kritisiere ich meine Freundinnen nicht, wenn diese den Wunsch äußern abzunehmen (ich kann es teilweise auch verstehen, denn wir leben in einer fat shaming Gesellschaft, für manche ist das Anpassen (wollen) an eine schlanke Norm einfacher als Diskriminierung zu ertragen), aber Applaus bekommt dafür niemand von mir, weil ich weiß, woher der Wunsch Diäten zu machen herkommt: Eine Gesellschaft, die Dünnsein höher wertet als Dicksein.“

    Nun habe ich natürlich keine Ahnung, wie die Freundinnen von Magda so drauf sind, vielleicht gibt es ja etwas an denen zu kritisieren, wer weiß?

    Meine Meinung ist allerdings, dass jeder mit seinem Körper umgehen sollte, wie sie_er das für richtig hält. Wenn mann_frau Panikattacken bekommt, weil sie 1 kg zugenommen hat, dann ist das – meiner Meinung nach – genauso wenig zu kritisieren, wie mann_frau, die sich, nachdem sie 5 kg zugenommen hat, die nächste Sahnetorte reinschiebt. Jeder erlebt seinen Körper ganz individuell. Und für jeden ist auch Schönheit eine ganz individuelle Frage. Ich finde die Schönheitsideale der Industrie auch problematisch, ich finde aber den hier angedeuteten Umkehrschluss, dass man sich doch besser an dem genauen Gegenteil orientieren sollte, für mindestens ebenso problematisch. Warum soll man sich keine Ziele setzen dürfen, die das eigene Aussehen betreffen? Und sollte eine Freund_in, wenn sie von den Zielen ihrer Freund_innen hört, nicht eher sagen: „Ist ja toll! Wie bist du auf die Idee gekommen? Was ist der Auslöser? Hast du ein Vorbild? Wie willst du das machen?“ Ganz groß z. B. fände ich persönlich auch die Frage: „Kann ich dich dabei unterstützen?“ Aber wir sind ja noch bei der Frage, ob sich die Freund_in nicht doch von der Modeindustrie das Gehirn hat waschen lassen. Aber ich frage mal so ganz provokant: „Wenn dem so wäre, wäre sie dann unsere Freund_in?“ Wohl kaum.

    Ich wünsche mir von meinen Freund_innen vor allem Empathie für mein Dicksein, das bedeutet für mich natürlich, dass sie mich mit 80 kg genauso gern haben, wie mit 107. Aber es bedeutet eben auch, dass sie mir zuhören. Es gibt 100 weitere Gründe, warum ein Mensch abnehmen möchte, viele haben schlicht mit Gesundheit zu tun. Und es ist einfach ein ständiger Kampf mit dem Gewicht, wenn man einmal dick war, der Körper möchte da nämlich wieder hin. Dieser Kampf ist ermüdent und dafür möchte ich Unterstützung haben und nicht kritisiert werden.

    Und im übrigen halte ich es auch für völlig legitim, dass man abnehmen möchte, weil man aussehen möchte wie in dieser schicken Modezeitschrift. Wenn dabei jemand zu kritisieren wäre, dann doch sicher eher die Zeitschrift oder die gehässige Mitschülerin, Nachbarin etc., die es zum Problem machen, dass wir alle nicht so aussehen.

    beste Grüße

    Antje

  10. Hallo Antje,

    ich habe eine Weile überlegt, ob ich deinen Kommentar freischalte und darauf antworte (es gibt nämlich einige Gründe dagegen, wie ich versuchen werde zu erklären). Ich habe mich dafür entschieden, weil du deine eigene Perspektive deutlich machst und rahmst und ich versuche mal, eine Gegenperspektive vorzuschlagen. Nur zur Information: Ich war noch nicht einen Tag in meinem Leben schlank, habe viele Sommer in so genannten Abnehmcamps verbracht, werde regelmäßig als adipös eingestuft von Ärzt_innen und habe vor vielen Jahren genauso argumentiert/gedacht wie du.

    Zur deiner Sprachkritik:

    Ich nutze Bezeichnung wie ‚als dick markiert‚, um darauf aufmerksam zu machen, dass „Dick-“ und „Dünnsein“ keine objektiven Größen sind, sondern es diese gibt, weil wir in einer Gesellschaft leben, die denkt, Körper in „dünn“ und „dick“ einteilen zu können_müssen. (Zwei Lesetipps: körper sind verkörperungen von machtverhältnissen (etwas kompliziert) & ver-dünn-isier dich!)

    Du schreibst weiter

    Ich schäme mich nicht dafür, dass ich so viel wiege, wie ich gerade wiege, aber ich bin auch weit entfernt davon meinem Spiegelbild aufgrund meines Gewichtes zu sagen, dass ich “fucking good looking” sei. Und ich bin ziemlich entnervt davon, dass mir andere – meistens schlanke – Menschen, wie hier mit diesem Artikel, einreden wollen, dass ich es cool finden soll dick zu sein.

    Ich schreibe weder aus schlanker Perspektive, noch zwinge ich irgendjemanden das eigene Spiegelbild gut zu finden. Was ich aber mit meinem kurzen Beitrag erreichen wollte, ist das diejenigen, die diese Prise Empowerment brauchen, diese auch bekommen. Da steht kein Imperativ. Das finde ich selbst kritikwürdig. Dass du selbst Schlanksein besser findest: geschenkt. In einer Gesellschaft, in der Schlanksein positiver belegt ist, wundert mich das nicht. Und wenn du diesen Kontext mitdenken würdest, würdest du hier auch nicht so tun, als wäre es deine ‚ganz individuelle‘ Entscheidung, dünn sein zu wollen. Wenn du mitbedenken würdest, welche fat shaming Botschaften uns jeden Tag, jede Minute um die Ohren fliegen; oder dass bereits Kinder auf Abnehmcamps geschickt werden und ihnen somit beigebracht wird, dass sie weniger wertvoll sind als schlanke Kinder; oder wie Ärzt_innen falsche Angst vor Krankheiten schüren; oder wie manche Körper permanent als ‚gut‘ und andere als ’schlecht‘ eingeordnet werden – wenn du diesen gesellschaftlichen Kontext mitbedenken würdest, würdest du nicht so tun, als hätten deine Aussagen nichts mit gesellschaftlichen Verhältnissen zu tun.

    Um mal eins klarzustellen (das habe ich auch eigentlich bereits deutlich gemacht): Es geht mir nicht darum, Freund_innen ein schlechtes Gefühl zu geben, wenn sie abnehmen (wollen). Aber Applaus werden sie von mir dafür nicht bekommen. Wieso? Weil sie den schon von überall woanders her bekommen! Weil es normalisiert ist, dass viele (insbesondere) Frauen abnehmen wollen. Weil genau dieses Abnehm-Wollen ja bereits gesellschaftlich unterstützt wird. Wieso sollte in einem fat positiven Raum genau diese gesellschaftlichen Strukturen reproduziert werden? In den wenigen fat positiven Botschaften und Räumen, die es gibt, sollten meiner Meinung nach widerständige und gesellschaftskritische Perspektiven verankert sein. Glaube mir: Deine Meinung wirst du überall sagen können und fast niemand widerspricht dir. Auf einem feministischen Blog mit herrschaftskritischen Anspruch sollte die Perspektive, die du vertrittst, allerdings nicht so viel Raum bekommen. Meine Freund_innen unterstützen heisst für sie da zu sein, aber nicht, jede internalisierte fat shaming-Aktion mitzutragen und zu unterstützen (dich interessiert ja scheinbar auch nicht, wie *ich* oder andere fat positive Menschen sich damit fühlen, wenn unsere Freund_innen – teilweise 10 bis 15kg leichter als ich – den ganzen Tag vom Abnehmen reden).

    Auf alle deine Punkte kann ich gerade nicht eingehen, aber ich hoffe, das ich meine Perspektive deutlicher gemacht habe.

  11. Und sollte eine Freund_in, wenn sie von den Zielen ihrer Freund_innen hört, nicht eher sagen: “Ist ja toll! Wie bist du auf die Idee gekommen? Was ist der Auslöser? Hast du ein Vorbild? Wie willst du das machen?” Ganz groß z. B. fände ich persönlich auch die Frage: “Kann ich dich dabei unterstützen?”

    Dazu würde ich auch gern noch etwas schreiben, auch wenn Magda das schon sehr schön aufgedröselt hat.
    Ich war sehr lange ziemlich dick und habe dann angefangen, mit einer Ernährungsumstellung, aber auch „dank“ einer sich daraus entwickelnden Essstörung, abzunehmen. Und ich habe für meine Gewichtsreduzierung permanent Lob bekommen und Unterstützung erfahren, indem man mich „angefeuert“ hat. Retrospektiv finde ich das einfach nur ganz, ganz furchtbar, weil es mich immer tiefer in die ES getrieben hat. Erst als ich schon wirklich scheiße aussah, haben meine FreundInnen gerafft, dass da was nicht in Ordnung ist. Beschissen ging es mir aber vorher schon und ich hätte Leute gebraucht, die mich explizit NICHT beim abnehmen unterstützen, sondern die mir vermitteln, dass ich genau SO gut bin, wie ich bin, dass ich das nicht nötig habe (egal, wie dick oder fett ich jemals war). Deswegen sehe ich das ganze wie Magda: Ich kritisiere meine Freundinnen nicht, wenn sie sich mal wieder vornehmen, abzunehmen, aber ich werde mich hüten, auch nur EIN positives Wort darüber zu verlieren. Wie gefährlich das ist, habe ich am eigenen Leib erfahren.

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