Homophobie & Fußball, Folge 312

Eigentlich läuft’s gerade ganz gut bei dem Thema: In Schweden hat sich mit Anton Hysén ein Fußballer geoutet. Die Reaktionen darauf waren ganz überwiegend positiv, auch wenn das große Medieninteresse für den jungen Mann selbst sicherlich nicht nur leicht war (schwedische Zeitungen berichteten, dass er nach einer Woche sein Handy ausgeschaltet hat).

Sport1 strahlte am vergangenen Sonntag die dritte Folge der Dokumentation von Aljoscha Pause zum Thema Homophobie im Fußball aus. Nach „Das große Tabu“ (2008) und den mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Nachfolger„Tabubruch“ (2009) thematisiert „Fußball ist alles … auch schwul“ zahlreiche Ereignisse der vergangenen zwei Jahre: vom positiven Engagement des DFB gegen Homophobie und dem kritikwürdigen Verhalten von DFB-Präsident Theo Zwanziger in der Kempter/Amarell-Affäre über den Fall des Franzosen Yoann Lemaire bis zum Outing von Nadine Angerer und Uschi Holl. Differenziert und um Sachlichkeit bemüht, dabei aber in der Sache engagiert und deutlich.

Auch dank Aljoscha Pause und Aktivist_innen wie Tanja Walther-Ahrens ist Homosexualität im Fußball eigentlich kein Tabuthema mehr. Nicht zuletzt schließlich fällt alles, was im Tatort verhandelt wird, automatisch aus dieser Kategorie heraus: Eine Woche vor der Ausstrahlung von „Fußball ist alles … auch schwul“ ermittelte Maria Furtwängler als Charlotte Lindholm in der Folge „Mord in der ersten Liga“ (aktuell noch in der ARD-Mediathek zu sehen) im Fußballumfeld und traf dabei auf einen schwulen Fußballer, der sein Coming-out wagte.

Die Idee, das Thema im Tatort zu verarbeiten (übrigens nicht zum ersten Mal), so hieß es, sei von Theo Zwanziger persönlich gekommen. Nach der Ausstrahlung waren es jedoch ausgerechnet der DFB und die Nationalmannschaft, die via Bild-Interview Kritik übten. Und zwar, weil der Figur des schwulen Spielers folgender Satz in den Mund gelegt wurde: „Wissen Sie, die halbe Nationalmannschaft ist angeblich schwul, einschließlich Trainerstab. Das ist doch schon so eine Art Volkssport, das zu verbreiten.“ Oliver Bierhoff, Manager der Nationalelf, sah darin einen Missbrauch der Prominenz der Nationalmannschaft, und auch Theo Zwanziger ist mit der Umsetzung seiner Idee nicht glücklich, weil er fürchtet, so werde „durch unwahre oder unnötige Randbemerkungen von der eigentlichen Aufgabe“ abgelenkt. Möglicher Hintergrund der Aufregung in Frankfurt: Die im vergangenen Sommer kolportierten Anspielungen des Beraters von Nationalspieler Michael Ballack, bei der Nationalelf habe eine „Schwulen-Combo“ das Sagen.

Die Interviewäußerungen von Bierhoff und Zwanziger im „Tatort-Fall“ muss man im besten Fall als unsouverän bezeichnen – so klingt es in der Reaktion des NDR durch. Schlimmstenfalls führen sie so die (hier mal unterstellten) aufklärerischen Intentionen der Tatort-Macher ad absurdum und drehen das Rad des Fortschritts in Sachen Homophobie im Fußball in die falsche Richtung. Auch wenn Theo Zwanziger nachschiebt, dass es ihm völlig egal sei, „welche sexuelle Orientierung einer unserer Nationalspieler oder Nationalspielerinnen hat“, ist der bleibende Eindruck ein anderer: Der Einsatz gegen Diskriminierung inklusive Homophobie ist in Ordnung, solange das Thema schön auf Distanz bleibt und es bei Kampagnen und Symbolpolitik bleibt. Wirklich lesbisch und schwul sein (oder auch nur so bezeichnet werden), sollen dann besser doch nur die anderen. Glaubwürdige Antidiskriminierungspolitik ist das nicht. Oder, wie es Stefan Niggemeier in der FAS formulierte: „Oliver Bierhoff hat der Homophobie im Fußball ein Gesicht gegeben.“

Ein Kommentar zu „Homophobie & Fußball, Folge 312

  1. Ich fand den Artikel von Stefan Niggemeier in seinem beißenden Ton exakt angemessen. Was Bierhoff und Zwanziger sich da leisten, ist einfach mehr als nur mittelschwer verantwortungslos – man braucht sich ja nicht über Homophobie in der Breite wundern, wenn die Verantwortlichen so eine Haltung zeigen. Kein homophober Fußballfan wird sich überlegen, ob er nicht einen Knall hat, wenn selbst die oberste Ebene des Verbands die wahrgenommene unterschwellige Behauptung, schwul zu sein, als schwere Diffamierung hinstellt. Zum Kotzen.

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