„Hey Baby“ ist nicht mein Name!

Berlin Hollaback! ist eine recht junge Initiative zweier feministischer Aktivistinnen aus Berlin, die dummen Anmachen und Belästigungen den Kampf ansagen. Mit ihrer Platt­form möchten sie sexistische, sexuali­sierte, rassistische, homo­phobe, trans­phobe und/oder beHindernde Be­lästigungen öffent­lich machen, um sie aus der un­sichtbaren Ecke zu holen: Be­lästigung ist weder Einzel­fall noch das alleinige Problem des_r Belästigten. Mehr Infor­mationen gibt es auf der Homepage, auf Tumblr, auf Twitter oder Facebook.

Mit eurer Initiave Hollaback Berlin setzt ihr euch gegen street harassment (Belästigungen auf der Straße) ein. Wie seid ihr auf das Thema gekommen?

Letztes Jahr im September haben wir die Londoner Hollaback! Seite entdeckt. Weil wir die Idee so gut fanden, haben wir die Admins der Seite gleich kontaktiert und gefragt, ob es mö­glich wäre, das auch für Berlin zu machen. Wenig spä­ter hat sich dann die Direk­torin von HollaBack!, Emily May, bei uns gemeldet. Weil die Seite in den USA so erfolg­reich ist, haben sie und die anderen Gründer_innen entschieden, HollaBack! als NGO zu betreiben und weltweit neue Seiten auf­zubauen.

So eine Website hat uns gefehlt: eine, die erstens über street harassment (also jede Form sexualisierter Be­lästigung in öffent­lichen Räu­men) informiert und zweitens genau uns, die Leid­tragenden dieser Praxis ermutigt, das nicht länger einfach nur hin­zu­nehmen. Wir fanden, es war höchste Zeit, das auch für Deutsch­land in Angriff zu nehmen. Die Tat­sache zum Beispiel, dass keine wirklich an­gemessene Über­setzung für street harassment existiert, gibt schon Auskunft darüber, welchen Stellen­wert diese Form der Dis­kriminierung (immer noch) ein­nimmt. Das wollen wir ändern: dieses ewige Nach­gepfeife, angemacht werden, Grabschen, Glotzen und dann be­schimpft werden, weil der Kerl nicht zum Zug kommt, muss einfach pro­blematisiert und ins öffent­liche Be­wusstsein gerückt werden.

Was heißt „hollaback“ und in welchem Kontext steht es zu Belästigung auf der Straße?

Der Ausdruck „to holler“ bedeutet rufen, brüllen oder schreien. Holla Back bedeutet also nichts anderes als „zurück brüllen“. Die Grund­idee bei HollaBack! ist es, sich zu trauen und zu lernen, zurück zu brüllen,  wenn wieder einmal ein Jemand meint, uns anmachen oder uns etwas An­zügliches nachrufen zu müssen. Nicht länger ruhig bleiben und die Be­lästigung einfach so hin­zunehmen oder uns einreden zu lassen, dass sei ja eigentlich ein Kompliment.

Ihr fordert eure Leser_innen auf, eigene Erlebnisse zu erzählen und diese auf eurer Seite zu teilen. Wer kann bei euch mit­machen und wie? Richtet sich eure Seite aus­schließlich an Berliner_innen?

Mitmachen können prinzipiell alle, egal ob in, um oder fern von Berlin. Die Seite lebt vom Mit­machen und dem Auf­schreiben der eigenen Er­lebnisse. Es geht nicht darum, eine Analyse zu schreiben. Menschen, die auf der Seite etwas schreiben, müssen sich weder feministisch noch sonst wie politisch positionieren, es geht darum, sexuelle Be­lästigung nicht hin­zunehmen. Wer etwas zu sagen hat, kann ganz einfach über die Website berlin.ihollaback.org das Formular ausfüllen und abschicken. Wir ver­öffentlichen es dann und sofern der Ort, an dem der Über­griff passiert ist, mit auf­ge­schrieben wurde, wird das auf unserem Stadt­plan angezeigt.

Gibt es hollaback Initiativen auch in anderen (deutschen) Städten?

Soweit wir wissen, ist noch eine Seite in Dortmund geplant. Weltweit gibt es insgesamt 26 Seiten. Alle Seiten sind auf ihollaback.org zu finden. Die meisten befinden sich in den USA, aber es gibt auch Hollabacks in Indien, Südamerika, Israel und auch in einigen europäischen Städten. Obwohl die Seiten regional auf­gezogen sind, ist es kein Problem, uns Stories aus anderen Städten ein­zusenden. Und es besteht immer auch die Möglichkeit, eine eigene Hollaback! – Seite auf­zumachen.

Was erhofft ihr euch durch die Veröffentlichungen der persönlichen Geschichten?

Erhoffen ist vielleicht das falsche Wort, aber es geht darum, eine breite Öffent­lich­keit für das Pro­blem zu erreichen. Es ist wichtig, sich damit nicht allein zu fühlen. Auch darum finden wir es notwendig, eine Platt­form zu haben, die diese scheinbare Normalität der alltäglichen Belästigung, welche weibliche und nicht-hetero­normative Kör­per permanent aus­gesetzt sind, zu thematisieren und zu bekämpfen. „Hey Baby“ is not my Name!

17 Kommentare zu „„Hey Baby“ ist nicht mein Name!

  1. Ich habe den Eindruck, vielen Männern ist auch gar nicht bewußt bzw. im Rahmen ihrer „leistungsorientierten“ Sozialisation und Männlichkeitdefinition per Anerkennung bei Frauen auch manch Anmachverhalten als Normalität empfunden und daher mit vielen Fehlinterpretationen und manifestierten Fehlansichten durchsetzt.

    Empfehlenswert und einen interessanten Einblick bekam ich unerwarteterweise in „Sexuelle Gewalt“ (Heiliger, Engelfried, 1995) und konnte so meine Jungenzeit und Jugendzeit mit den darin vermittelten „Normalitäten“ refklektieren.

    M.E. wäre eine Aufklärung bei jungen Männern und manchen „erwachsenen“ Männern allgemein als Zielgruppe hilfreich, zu vermitteln was viele „Frauen wirklich wollen“ statt nur häufig zu vermuten „Was Frauen wollen“. Denn die Klischees, die ich von manchen Geschlechtsgenossen mitbekomme und mitbekam, da rollen sich teilweise die Zehnägel auf.

    Ich beobachtete dummes Anmachverhalten sogar in geschäftlichem Umfeld und auch auf einer Dienstreise 1987, wo von Manchen das gleiche unpassende und geschmacklose Verhalten gezeigt wurde.

    Interessante Befragungsergebnisse finden sich hier unter dem Button Downloads :

    http://www.anita-heiliger.de/

    z.B. das Ergebnis der „Auswertung einer Schülerinnenbefragung zur Gewalt von Jungen gegen Mädchen“, S. 2 :

    V. Wie wünschst du dir, dass ein Junge sich dir gegenüber verhält?
    1. er soll mich ernst nehmen: 86,9% (133), 2. ehrlich: 84,3% (129), 3. ein guter Freund sein: (84,3% (129), 4. mich respektieren: 79,1% (121), 5. mich verstehen: 74,5% (114), 6. mich schützen: 64,1% (79), 7. nett: 64,1% (79), 8. Gefühle zeigen: 63,4% (97), 9. mir helfen: 54,9% (84), 10. zurückhaltend: 11,1% (17), 11. bestimmend: 3,3% (5)

    86,9 % sagten also, „er soll mich ernst nehmen“ – steht also manch Vermutung und Klischee entgegen.

  2. „Die Tat­sache zum Beispiel, dass keine wirklich an­gemessene Über­setzung für street harassment existiert, gibt schon Auskunft darüber, welchen Stellen­wert diese Form der Dis­kriminierung (immer noch) ein­nimmt.“

    genau. das ist mir u.a. auch aufgefallen, da ich diese englischsprachige/aktion ja schon länger kenne.

    ich gratuliere dieser 1. deutsche seite hierzu und wünsche toitotitoi.

  3. Woher soll auch die angemessene Übersetzung für „street harassment“ kommen, wenn nicht darüber auf Deutsch geredet wird? berlin.ihollaback macht es richtig und erklärt das Problem mit „stören“, „sexualisierte und sexistische Belästigung“, „blöd anmachen“, „verletzende und gewalttätige Übergriffe“, „Belästigung jeder Art Gewalt“, „dummen Anmachen“, „Genderbezogene alltägliche Gewalt“ und „sexualisierte, sexistische und anders verletzende Gewalt“. Trifft nicht auch der Begriff „(an)baggern“ das Phänomen? Mit dem Begriff „Gewalt“ sehe ich eher schwarz was die Möglichkeit betrifft, Männer damit zu überzeugen, ihr Handeln zu ändern: Die meisten verstehen unter Gewalt nur körperliche Gewalt. Jeder Versuch, Belästigung und Anbaggern auch als Gewalt zu erklären (unabhängig davon, dass es auch eine Form von Gewalt ist) führt nur dazu, dass diese Probleme als „auch Gewalt aber nicht so schlimm wie körperlich Gewalt“ verstanden werden. Was dann am Ende beim Mann hängenbleibt (wenn überhaupt etwas hängenbleibt) ist „nicht so schlimm“. Sofern es auch darum geht, Männer zu überzeugen ihr Handeln zu reflektieren und zu ändern (was natürlich nicht der Hauptzweck ist, schließlich geht es nicht um die Täter, sondern darum sich zu wehren), sollte also die Wortwahl überlegt werden. In jedem Fall eine notwendige und hilfreiche Initiative!

  4. Zum Wort „Holla“: Eigentlich handelt es sich dabei um afroamerikanische Mundart und heißt soviel wie „ansprechen“ – z.B. ‚I’ll holla at ya later‘ heißt: ‚Wir sprechen nachher wieder‘ (aber eben auch „anquatschen“ im Sinne einer Straßenbelästigung).

  5. @Elise Hendrick : „holla“ kenne ich als slang/dialekt aus den usofa in verschiedenen bundesstaaten.
    und sog. afroamerikaner (a-a) betitle ich wenn dann mit „american-of-colour“ oder „black-american“, da ich wenn dann sog. a-a gefragt habe, was ihr lieber ist und nicht jede a-a vorfahra aus afrika hat/stammt.
    (dies lediglich als hinweis für ein „erweitertes bewusstsein“)

    und was will frau dann auf deutsch „kurz-und-prägnant“ statt z.b. diese anglizisma sagen ?

    „hollaback“ ist ja, für mich, im webz entsprechend bekannt – aber was weiss ich über „mainstream/webz“ in dld. frage ich mich dann.

  6. Ich wollte lediglich darauf hinweisen, daß die Übersetzung dem relevanten umgangssprachlichen Gebrauch nicht ganz entspricht. Am Begriff selbst habe ich überhaupt nichts auszusetzen.

    Und ‚African-American‘ oder ‚Black‘ ist die hier übliche Selbstbezeichnung. ‚Black American‘ und ‚American of Colour‘ sagt kein Mensch (jedenfalls habe ich als Person, die unter lauter Afroamerikanern (Schulen mit fast 100%ig afroamerikanischer Schülerschaft) erst in einem deutschsprachigen Blog erfahren, daß es diese Ausdrücke überhaupt gibt).

  7. no prob ;) – vielleicht habe ich seit mehr als 30J/zuviele queer-freunda a-a/westküste, die sich mit mir darüber unterhalten/austauschen.

  8. Da ich bei der Hollaback-Crew nichts finde und schon laenger feministische Blogs danach absuche, hier mal die Frage:
    – Weiss jemand einen guten Link zu Gegenstrategien zur verbalen Belaestigung am Arbeitsplatz, auf der Strasse, etc? Ich kann irgendwie nichts finden. In einem Gepraech mit Freundinnen sind wir zum Schluss gekommen, dass die meisten Reaktionen einen doch unbefriedigt zuruecklassen – weiss jemand was?
    Dank
    J.

  9. Hallo J.

    ich habe noch nie danach gesucht, ich habe ja noch nichtmal zu Belästigung auf der Strasse überhaupt jemals was in den Medien gelesen. Beides wäre dringend an der Tagesordnung.

    Falls Du selbst Gegenstrategien suchst, mag ich Dir einfach als ehemals Leidgeprüfte ein paar nennen, die mich selbst zufriedenstellen!

    Ich arbeite seit vielen Jahren ausschließlich mit Männern und habe anfangs mit deren Annäherungsversuchen nicht umgehen können. Ich bin früher in der Öffentlichkeit ständig blöd angemacht worden. Inzwischen habe ich meine Strategien selbst gefunden.

    1. Körperliche Annäherung:
    wenn jemand meinen Körper egal wo berührt, schubse ich ihn sofort mit Ellenbogen, Armen, Knien, Tasche egal auf einen kleinen Abstand. Das hilft!

    2. Typ kommt zu mir und quatscht mich blöd an:
    ich sage sofort laut und erkennbar genervt „Quatsch mich nicht an!“ und gehe ein Stück weg. Dass danach noch was passiert, ist selten, aber in dem Fall: sofort weit weggehen zu anderen Leuten hin und noch lauter werden.

    3. Ich werde in der Bahn oder sonstwo, wo Menschen zusammen warten müssen, lästig angestarrt:
    ich schaue ihn einmal kurz und von oben herab an und schaue wieder weg. Wenn er weiter schaut, starre ich ihm so lange erbost und möglichst herablassend (denke einfach: „was bist du bloss für ein armseliger kleiner wicht“) in die Augen, bis er wegschaut. Dann wende ich mich entspannt einer Tätigkeit zu oder schaue am besten entspannt in der Gegend herum (aktiv sein ist sehr wichtig), und in der Regel macht starrt er dann nicht weiter.

  10. Danke Laura!
    Weiss jmd, ob es (mittlerweile) eine Seite gibt mit ähnlichen Tipps, wie die von Laura? Vielleicht weiß die Mädchenmannschaft-Redaktion mehr?

  11. Ja, das was Laura schreibt, hilft wirklich. Es scheint wichtig zu sein, sich nicht klein zu machen.
    Nicht schweigen, nicht ignorieren. Stattdessen etwas machen. Sich „groß“ machen, sich genauso „mächtig“ zeigen wie er. Wir sind auf meiner Straße, in meiner U-Bahn, in meinem Supermarkt.
    Er kann blöd quatschen? Ich auch! Und da macht er dann große Augen und ist meistens verwirrt und wird dann kleinlaut.
    Und: Nicht schweigen. Laut sein.
    Warum soll ich ihm denn helfen, seine Belästigung zu verheimlichen?

  12. @Kathrin: Ja, das hilft manchmal. Aber nicht immer. Ich habe mal ein blaues Auge kassiert, als ich mich verbal gewehrt habe. Ich werde es wieder riskieren, aber ich kann jede verstehen, die das nicht möchte.

  13. Aus eigener Belästigungserfahrung (gibt’s auch mit ‚untypischer‘ Rollenverteilung), Generalisierbarkeit unbekannt, meine aber, später auch in einem Ratgeber Ähnliches gelesen zu haben:

    Wenn andere Personen anwesend sind, zur bedrängenden Person auf Distanz gehen und laut und entschlossen mit „Sie“ ansprechen. Z.B. „Lassen Sie mich jetzt in Ruhe“. Das signalisiert Umstehenden erstens, dass mir die Situation ernst ist und zweitens, dass es sich um eine_n Fremde_n handelt. Duzen signalisiert Nähe / Bekanntschaft, und die Bereitschaft zum Eingreifen ist geringer, es könnte sich ja um einen Streit oder sogar ein lautes, aber lustiges Herumgeplänkel zwischen Freunden handeln. (Auch wenns unwahrscheinlich ist. Allein die Plausibilität dieser Hypothese verringert die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, etwas zu riskieren, und sei es nur das Risiko, sich wegen der Einschätzung als Übergriff zu blamieren.) Das Siezen erleichtert die Zuordnung als Übergriffssituation und damit schwinden Gründe bzw innere Ausreden, nicht zu helfen.

    Letztlich alles, was den Zuschauereffekt bzw seine Ursachen reduziert.

    Ist natürlich (a) spezifisch für Situationen mit Umstehenden und (b) was ganz anderes als die „typische“ street harassment – Situation, insofern als ich der belästigenden Person im Eskalationsfall vielleicht körperlich überlegen gewesen wäre. Daher kann ich die Generalisierbarkeit, bzw. was ich mich im umgekehrten Fall getraut hätte und was nicht, nicht beurteilen. Aber vielleicht ist ’ne hilfreiche Anregung dabei. Wenn nicht, nicht.

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