Groß sein ist einfach geil

Der eine Werber so: “Voll lustig mein Spot! Alle Frauen haben nur Schuhe im Kopf”, und alle anderen Werber so: “Hey, das ist mein Witz!” Das twitterte neulich @katjaberlin sehr treffend. Frauen und Schuhe, das ist genetisch, haha, genau. Auch ich habe mir gerade ein paar neue Schuhe gekauft. Meine ersten Absatzschuhe. Es sind nur fünf Zentimeter, aber die haben es in sich, wenn man wie ich bisher nur in flachen Schuhen herumlief.

Damit war für mich keinerlei politisches Statement verknüpft, sondern vor allem der Wunsch, es bequem haben zu wollen. Meine sechs Paar Schuhe – ja, nur sechs! Ich bin genetisch degeneriert, irgendwas an meinem XX-Chromosomenpaar ist kaputt – sind aus Leder, geben allen zehn Zehen reichlich Platz und haben sogar ein Fußbett.

Und dann kaufte ich mir vor ein paar Tagen diese Absatzschuhe. Ich sah sie – schwarz, knöchelhoch und mit einem fünf Zentimeter hohen Absatz – und sagte mir: Ach, ich probiere sie einfach mal an, aus Witz.

Seitdem trage ich die Schuhe täglich. Und habe mittlerweile auch nicht mehr das Gefühl, ich sähe aus wie ein junges Fohlen bei den ersten Gehversuchen. Tatsächlich musste ich nämlich erst einmal ganz neu laufen lernen. Mit den Schuhen gehe ich aufrechter. Seit ein paar Jahren hole ich vor Präsentationen und Chefgesprächen tief Luft und stelle mir vor, ich sei ein paar Zentimeter größer – und fühle mich dann wirklich stärker, selbstbewusster, unnachgiebiger. Ich drücke meinen Rücken durch und mit ihm auch mehr oder weniger meine Vorstellungen beim Gegenüber. Jetzt, in diesen Schuhen habe ich dieses Gefühl den ganzen Tag lang – als ob mir nichts und niemand was kann. Und tatsächlich stehe ich ja den meisten Menschen, auch sonst etwas größeren Männern, auf Augenhöhe gegenüber.

Der Schuhdesigner Christian Louboutin, der mit den roten Schuhsohlen, vertrat in einem Interview die gewagte These, seine Schuhe dienten der Emanzipation. Nun ist natürlich zuallererst fraglich, ob Louboutin nicht einfach nur Werbung für sein Produkt machte, immerhin kann er angesichts einer Kollektion, in der kein Paar Schuhe weniger als zehn Zentimeter hohe Absätze hat, kaum behaupten, die seien gut für die Fußgesundheit von Frauen. Also braucht er andere Argumente.

Prompt regten sich einige Feministinnen ziemlich beeindruckend über Louboutin auf: High Heels degradierten Frauen zu Sex-Objekten, würden ihre Freiheit einschränken, weil sich in ihnen zum Beispiel nicht zum Bus rennen lasse und überhaupt sei doch speziell bei Louboutins Schuhen die rote Sohle fast schon pornografisch. Und ich wunderte mich: Sind hohe Absätze wirklich noch ein Streitthema? Das Ende der Emanzipation? Mehr als eine Möglichkeit von vielen, seine Füße mit Schuhwerk zu versehen? Groß sein ist einfach geil. Die Natur hat mich mit fast 180 Zentimetern eh schon reich beschenkt, und trotzdem denke ich ernsthaft darüber nach, mir nach meinen neuen Absatzschuhen auch noch eine Marge-Simpson-Turmfrisur zuzulegen – und bei der nächsten Gehaltsverhandlung einfach mal das Doppelte zu fordern.

(Dieser Text erschien ursprünglich als Kolumne in der Taz.)

9 Kommentare zu „Groß sein ist einfach geil

  1. Will dir den Spaß an hohen Schuhen nicht nehmen, hatte das aber kürzlich gelesen: Height Privilege und musste da jetzt dran denken.

    Aber der Artikel ist auf jeden Fall mal eine eher – für meine Lesegewohnheiten – untypische Sicht auf hohe Schuhe, das finde ich schon mal gut. :)

  2. Danke für den Link, Patrick! ;-)

    Hohe Schuhe haben ihre Vor- und Nachteile. Allerdings werde ich auch nicht verstehen, weshalb es doch hier und da die Tendenz gibt, diese als anti-emanzipatorisch zu verurteilen.

    Im Übrigen kam es bei mir beim Lesen so rüber, als würde: „groß sein ist einfach geil. Die Natur hat mich mit fast 180 Zentimetern eh schon reich beschenkt“ im Gegensatz zu kleineren Menschen stehen. Wurde ich dann mit 158 cm glatt um 22 cm weniger „beschenkt“ als Du? Was hat die Natur denn gegen mich, dass sie sowas tut?!

  3. Da ich als Mensch, den die Natur scheinbar hasst (1,50m) öfter Schuhe mit Absätzen trage als meinen Füßen lieb ist, hier eine schlechte Nachricht:
    Das schöne Gefühl von Größe auf Absatzschuhen geht vorbei, je öfter mensch darin herumläuft.

    Gegenmittel:
    Immer mal wieder abwechseln. „Normal“ in flach(er)en Schuhen und bei Gelegenheiten, in denen Größe gebraucht wird (Gehaltsverhandlungen, depressive Phasen) auf die Absätze zurück greifen. ;)

  4. Na, auch bei Zahl-Andro gekauft und dann wie blöd geschrien? Nö, oder?

    Wer auf den hohen Schuhen laufen kann, bitte. Ich kann’s nicht, ich fühl‘ mich dann wie auf Stelzen und so ein seltsames Gehgefühl behindert mich dann eher. Zudem bin ich groß genug mit 1.85. ;) Davon mal abgesehen, dass es eine schwer hat bei größeren Füßen als die Standard-Gr. 40.
    Und nicht alles was toll aussieht ist auch bequem oder in der richtigen Größe zu bekommen.

    PS: Große Füße dienen der Emanzipation, da kannste missliebigen Leuten gut auf die Zehen steigen.

  5. Gefährlich, kann nach hinten losgehen.

    Wer positive resonanz erfährt wähend er sich in einer transformation befindet, wird die positive resonanz nie zu 100% auf sich selbst beziehen können.

  6. Positive Resonanz in einer Transformation?
    Transformation? Was ist das? Der Übergang von Sneakersträgerin zu hochhackig?

  7. Schöner Artikel! :)

    Ich muss mich ja als Fan von hohen Schuhen outen.
    Da ich auch so schon 1,72m groß bin überrage ich mit hohen Schuhen die meisten Leute.

    Lustigerweise empfinden es manche Menschen es aber als ganz schlimm, dass ich mit hohen Schuhen meinen Freund überrage.
    Bei manchen ist immer noch der Gedanke dahinter: HIgh heels nur solange frau dann immer noch kleiner ist als der Mann…

  8. Aus wahrnehmungspsychologischer Sicht werden große Menschen als energisch,selbstbewusst und willensstark wahrgenommen. Und weil einige Frauen trotz ihrer kleineren Körpergröße als obig genannte wahrgenommen werden wollen tragen manche Absätze. Kleine Menschen werden eher als häuslich eingeordnet. Wegen dieser Wahrnehumgsfehler haben es auch Frauen schwerer aus ihrem Rollenbild herauszukommen. Da aber viele Frauen die Zuschreibung der „groß-Eigenschaften“ brauchen um sich in unser beruflich männerdominierten Welt durchzusetzen tragen viele Absätze.

Kommentare sind geschlossen.

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