Gender konstruieren in 42 Posen

Einen schönen Einblick in die Konstruktion von Geschlecht liefern die Vorschläge für Fotografien der „Digital Photography School“. Die 42 Beispielposen könnten auch als Illustration für „Frauen sind Sexobjekte und Männer sind Personen“ dienen – auch wenn die Überschriften etwas irreführend von Männern und „weiblichen Subjekten“ reden.

Eine gezeichnete Frau im Bikini, ein Bein etwas angewinkelt, die Hüfte schräg. Daneben ein gezeichneter Mann, die Beine etwas auseinander, die Hände in den Taschen.
Genderkonstruktion: Frauen balancieren auf einem Bein, Männer stehen breitbeinig.

Männer sollten ganz klassisch in Szene gesetzt werden: Verschränkte Arme, Blick in die Kamera, das Ganze fotografiert von vorne mit dem ganzen Körper im Bild. Gegenstände, die als Accessoires dienen könnten, sind vor allem Schreibtische und Bürostühle, aber auch Laptops, Bücher oder sogar Werkzeug! Die Vorschläge gelten dabei für offizielle und lockere Aufnahmen. Entsprechend sind die abgebildeten Männer immer in Freizeitkleidung oder sogar Anzügen gezeigt.

Dagegen gibt es wenig Ideen, wie Frauen in formaler Kleidung oder gar an ihrem Arbeitsplatz fotografiert werden könnten, aber jede Menge Bikiniposen. Ganz­körper­bilder von stehenden Frauen gibt es – wenn – nur mit geknickter Hüfte und angewinkelten Beinen, der feste Stand bleibt den Herren vorbehalten. Außer­dem funktionieren sie laut Angabe nur mit schlanken, athletischen Frauen, wie auch einige andere Posen. Unendlich scheinen dagegen die Möglichkeiten, sich auf dem Boden zu wälzen, an den Brüsten, den Haaren oder im Gesicht zu spielen; einmal wird sogar ausdrücklich darauf verwiesen, frau sollte ihren Körper ständig verdrehen.

Natürlich kommen diese Vorschläge nicht aus dem luftleeren Raum, sondern sind einfach Beispiele für den Sexismus, der uns jeden Tag überall begegnet. Auch in Schulbüchern und Fernsehserien werden Frauen seltener bei der Arbeit gezeigt als Männer. In Frauenzeitschriften und Makeover-Shows lernen wir, unsere Kurven zu betonen – aber nur wenn wir schlank genug sind, alle anderen haben ihre ver­meintlichen Fehler zu kaschieren. Schließlich könnten Frauen auch in den Männer­posen foto­grafiert werden, während die umgekehrte Version ungewohnt ist, wie zuletzt die Men Ups von Rion Sabean dokumentierten.

15 Kommentare zu „Gender konstruieren in 42 Posen

  1. Krass. Jetzt weiß ich auch, warum eine Portrait-Fotografin wollte, dass ich mich ständig verdrehe und kess über die Schulter lächele. Bei der Auswahl hat sie das gar nicht verstanden, als ich erklärt habe, dass das doof kommt, wenn das Autorenfoto unter einer politischen Analyse so aussieht, als wolle die Journalistin den Leser anflirten.

  2. Zu „Personen“ macht das die Männertypen allerdings noch nicht. Die sind so auch nur Klischees, grinsende, total lässige und souveräne Erfolgstypenabziehbilder, vermutlich allen Schönheitsvorstellungen entsprechend.
    (Aber keine Frage: Die Männerposen sind viel lebensnaher.)

  3. Bezeichnend, wie intuitiv und unbewusst die Posen ausgewählt wurden. Bei den Männer-Posen denkt man, das Thema seien Bewerbungsfotos, während die Frauen-Posen aussehen wie Vorschläge für mittelmäßige Frauenzeitschriften oder ähnlichen.

  4. Kann aus den Man-Ups bitte ein Kalender produziert werden? Den würd ich mir sofort an den Arbeitsplatz hängen ;)

  5. Kurz nachdem ich die verlinkten Artikel gesehen habe, hab ich ein Werbvideo von Ikea gesehen, bei dem die „Moderatorin“ ganz ausgeglichen mit beiden Beinen gleich gestreckt, etwas erzählt. Und mein Gehirn ist inzwischen so komplett auf „typische weibliche“ Posen gepolt, dass das auf mich entweder schwanger oder etwas trampelig wirkt. Wie krank ist das denn bitte? Die Frau steht da einfach ganz entspannt und gelassen, bei einem Mann würd das auch so rüberkommen, aber von den Medien wird man derart umtrainiert, dass das jetzt fremd wird. Krank.

    (Will den Thread jetzt nicht ablenken darauf, es war nur so interessant, das als Gegensatz zu den Posen zu sehen: http://www.youtube.com/watch?v=0Nm7-EuctOs)

  6. @Skreee
    Ich glaube, ein weiterer Grund, warum das so ungewohnt aussieht (zumindest wirkt es auf mich auch so) ist, dass die Fraue flasche Schuhe trägt. Das sieht man tatsächlich gar nicht so oft, zumindest nicht bei Frauen, die „nur“ stehen, anstatt zu sitzen oder sich zu bewegen.

  7. Mhhh….jetzt hab ich irgendwie Lust 21 Frauen in den Männerposen zu zeichnen – und 21 Männer in den Frauenposen. :P

  8. @Citrone:
    Du kennst den Effekt, daß man auf Bildern die auf dem Kopf steht Menschen nur ganz schlecht erkennen kann?
    Es ist z.B. möglich ein bekanntes Gesicht per Bildbearbeitung zur unmenschlichen Fratze zu entstellen und du als Betrachter bemerkst davon gar nichts, wenn das Bild auf dem Kopf steht.
    Liegt wahrscheinlich daran, daß uns im Alltag selten Menschen begegnen, die auf dem Kopf stehen. ;-)
    Bei Objekten gibt es dieses Problem dagegen nicht. Den Eifelturm erkennt jeder auf einem Foto, auch wenn es auf dem Kopf steht.

    Wissenschaftler haben diesen Effekt jetzt für ein Experiment genutzt.

    Ergebnis: Männer werden auf kopfstehenden Bildern NICHT problemlos wiedererkannt, also als Menschen wahrgenommen.

    (Halb)nackte Frauen dagegen… man ahnt es schon, werden auch auf kopfstehenden Bildern wiederkannt, d.h. sie wurden vom Betrachter beim ersten ansehen als die Bilder zuerst richtig herum gezeigt wurden, offensichtlich NICHT als Menschen sondern als (sex)objekte wahrgenommen.

    Wenn oben „Frauen sind Sexobjekte und Männer sind Personen“ steht, ist das völlig richtig, bzw. Frauen werden als Sexobjekte WAHRGENOMMEN und Männer als Personen um genau zu sein.

  9. dass die person im ikea video über technik spricht, was eine „männlich“ konnotierte tätigkeit ist, mag auch irritierend wirken, weil wir eben anders trainiert sind

  10. Interessantes Beispiel. Bei den Frauen waren ganze 4 Posen dabei die ich als „OK“ empfinden würde.
    Ich denke dies liegt vor allem daran, dass sich weiblicher sex appeal wesentlich breitflächiger und damit gewinn bringender vermarkten lässt als männlicher.
    Denn eines ist ja klar: die Fotographen die dort ausgebildet wollen vor allem G eld verdienen.

    Wahr ist aber denke ich auch: Viele Frauen wollen, aus den verschiedensten Gründen, auf diese Art fotographiert werden. Ich glaube bei Männern ist, ebenfalls aus verschiedenen Gründen, die Nachfrage Photos in „solchen“ Posen von sich machen zu lassen deutlich geringer.

  11. Danke Helga,
    dass ist genau die Diskussion die mich gerade beschäftigt. Ich betreibe seit ein paar Jahren Fotografie und z. Z. beschäftige ich mich mit der People-Fotografie. Also damit wie man Menschen so in Szene setzt um ein ansprechendes Foto zu machen.
    Und deine Observation deckt sich mit der meinen nahezu komplett. Ich würde allerdings dass ganze auch in bestimmten Bereichen auf den Mann als Stereotyp ausweiten ( der starke, erfolgreiche Mann). Dass es bei Frauen noch extremer ist, stimme ich völlig zu.
    Womit ich mich nun im momment auseinander setzte ist was man den nun tun kann um Estetische Bilder zu erschaffen, ohne die alt bekannten stereotypen zu bedienen und nicht gleich in eine Parodie abzugleiten.
    Mit Frauen finde ich das noch einfacher da ich finde dass ein Foto einer starken Frau sehr gut funktioniert und alle die meisten Werkzeuge man in der Portrait Fotografie von Männern benutzt auch sehr gut für Frauen benutzten kann. Das diese natürlich einen anderen Effekt erzeugen ist klar, ist ja aber auch gewollt.
    Ich habe nun aber ein totales Problem damit damit Männer Qualitäten zu zuordnen die stereotypisch Frauen zugeordnet wurden. Und der link zu rion

  12. … Sorry, ich war etwas zu schnell.

    …Macht dass auch sehr anschaulich klar. Was mir extrem stört da ich mich in meiner Entfaltung behindert. Ich möchte Menschen so darstellen können wie sie sind nicht wie meinen Sozialisation sagt sie sein sollten.
    Ich habe das Thema mal in meiner lokalen (mit echten Menschen) Foto Community angesprochen, hab aber treffe auf kein Problembewusstsein. Daher freue ich mich tierisch darüber das du es hier aufgegriffen hasst.
    Und wenn es erlaubt ist würde ich gerne wissen was ihr alle denkt was denn getan werden kann um sich davon zu lösen. Und ist es ein Problem der Beschrängtheit des Schaffenden oder eine Frage der Erwartungshaltung des Publikums(worin ich den Schaffenden wiederum einschließe).
    Und noch einmal vielen Dank ich dachte schon dass es niemanden interessiert.
    Liebe Grüße
    Jens

Kommentare sind geschlossen.

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