Früh übt sich, wer Geschlechterrollen lernen soll

Unser Leser Sebastian hat sich kürzlich sehr über einen Newsletter der Selbermachsachen-Verkaufsplattform DaWanda (eine Seite, die er eigentlich mag) geärgert und deshalb eine – Achtung: sarkastische – Antwort darauf verfasst.

Liebes DaWanda Deutschland,

vielen Dank für Ihren Newletter „Früh übt sich…“ zum Thema Kinderberufe.

Kinder sind oft noch nicht in der Lage, die für sie von der Gesellschaft vorgesehen Geschlechterrollen anzunehmen. Mädchen spielen ungeniert mit Feuerwehrautos oder Werkbänken aus Holz, kleine Jungs kochen im Kinderzimmer Nudeln oder hängen mit Begeisterung Wäsche auf. Für Eltern ist es hier nicht immer leicht, korrigierend einzugreifen.

Ihr Newsletter kommt da gerade recht! Endlich eine große Auswahl liebevoller Spielzeug-Ideen für unsere Kleinen, die deren Geschlecht angemessen sind. Da gibt es Werkzeugkissen für den jungen Handwerker und viel mehr für kleine Jungs, die Feuerwehrmann, Fußballer, Pilot, Lokomotivführer, Kapitän oder Rennfahrer werden wollen. Und auch an die Mädchen haben sie gedacht mit allerhand Küchenspielzeug für die kleine Köchin. Es kann schließlich nicht schaden, wenn unsere Mädchen so früh wie möglich lernen, wo sie hingehören. Und sollte es in der Küche mal zu langweilig werden, ist da ja immer noch die Nähmaschine. Sie haben wirklich an alles gedacht! So ist es Eltern ein leichtes, Ihre Kinder in die für sie vorgesehenen Bahnen zu lenken.

Und kommen sie bitte nicht auf die Idee, in einem kommenden Newsletter Bilder von Jungs, die mit Töpfen spielen, oder von Mädchen mit Autos zu zeigen. Vielleicht denken die Kinder dann noch, sie dürften spielen, womit sie möchten. Oder Eltern werden unsicher, wie sie ihren Kleinen denn jetzt geschlechtergerechtes Verhalten beibringen sollen. Am Ende stellen sie die vorherrschenden Geschlechterrollen noch in Frage und gefährden durch entsprechende Erziehung die privilegierte Stellung von Männern in unserer Gesellschaft.

Nein: Handwerkerinnen, Feuerwehrfrauen, Fußballerinnen, Pilotinnen, Lokomotivführerinnen, Kapitäninnen und Rennfahrerinnen gibt es längst viel zu viele.

Weiter so!

Sebastian Fischer

20 Kommentare zu „Früh übt sich, wer Geschlechterrollen lernen soll

  1. Wunderbarer Brief. Ich möchte den bitte klauen und an Jacko-O schicken (obwohl bei denen wahrscheinlich komplett Hopfen und Malz verloren ist…)

  2. Jack-o ist eh Dreck, das zeug ist in den ökotests so verseucht dass ich’s nich mal mit ner zange anfassen wollen würd

  3. Herrlicher Brief und so beruhigend, beruhigend für mich, ich dachte schon, nur ich sehe überall rosa und blaue Mäuse. Selbst das lustige Ei aus Schokolade, mit einer tollen Überraschung in der Mitte, teilt jetzt schon in Geschlechts-Gerechtes-Spielen auf.
    Danke für das Gefühl, nicht ganz irre zu sein.

  4. Leider ist es traurig, dass bei den meisten die Gechlechterrollen noch wirklich so drin sind. In einer Gruppe auf Facebook gabe es vor kurzem auch einen Aufruf für „Weihnachten im Schuhkarton“ man könnte so einen Karton für ein Kind in einer ärmeren Gegend spenden. Als dann nachgefragt wurde, was da drin sei, kam eine beispielhafte Antwort (Stifte, Malbücher, Spielzeug etc.) mit dem Zusatz, dass die auch nach Altersgruppen und Geschlecht nochmals unterschieden werden.
    Ich konnte nicht verstehen, warum man bei kleinen Kindern nach Geschlecht unterscheiden muss, habe nachgefragt und wurde fast ausgelacht – es sei doch selbstverständlich, dass in den Kisten für Mädchen z.B. Haarspangen oder Barbiepuppen seien und für Jungs nicht. Ich war einfach nur fassungslos von so viel Borniertheit und konnte nicht mehr antworten. (Hatte das Gefühl, da ist jedes Wort verschenkte Zeit)
    Das macht mich echt traurig, dass das für manche so selbstverständlich ist…

  5. Mich hat der Newsletter auch gestört und ich hatte überlegt, wo ich meinen Unmut kund tun soll. Ich habe dann auf der Facebook-dawanda-Seite einen Eintrag hinterlassen. Der wurde ohne Kommentar gelöscht.
    Es stört mich natürlich auch, wenn andere Firmen diese Stereotype darstellen, aber dawanda gehörte für mich irgendwie zu den „Guten“, die es doch besser machen sollten :)

  6. Hallo Angela,

    nee, du bist glücklicherweise nicht allein, es regen sich eine Menge Leute auf :)

    Nur ein Hinweis: Das Benutzen von Wörtern wie „irre“ ist eher problematisch (ein Lesetipp)

  7. Schön, dass meine Antwort euch gefällt!

    @ht: Paula hat Recht, bisher hat DaWanda nicht auf meine Antwort reagiert. Ich sag bescheid, wenn ich Post hab.

    @Susi: Mal sehen! Traue ihnen das durchaus zu und bin gespannt, wie sie drauf reagieren. Wenn nicht, fragen Sie sich hoffentlich zumindest, ob sie solche „Fans“ haben wollen ;) Eigentlich kauf ich da ja ganz gerne mal was (@Faserpiratin: Du nicht?), sonst hätt ich mir wohl auch mit meiner Kritik nicht solche Mühe gegeben!

    @RooWoo & @RiotLy: nur zu.. allerdings nimmt meine Antwort ja an vielen Stellen Bezug auf den Inhalt dieses bestimmten Newsletters.

  8. Interessant ist ja auch wie der Verkäufer heißt, der zum „Handwerker“-Bild von Sebastians Newsletter gehört.

    Klickt mal drauf, ihr werdet begeistert sein:

    „Jungs und Söhne“

    !!!

  9. Hallo Magda,
    ich benutze das Wort absichtlich und nur auf mich bezogen, da ich genauso eingestuft werde, wenn ich mit bestimmten Personen über solche Dinge rede. Wie Miria es schon beschrieben hat, stößt man entweder auf Auslachen, Ignoranz oder man wird in die Kategorie Hysterie eingeteilt (und damit meine ich das von Freud und Co. beschriebene „Krankheitsbild“). Natürlich verstehe ich deinen Hinweis und die Notwendigkeit auf seine Worte zu achten, trotzdem denke ich, manchmal muss man die Dinge überspitzen oder beim Namen nennen.

  10. Ergänzend zu @Miria: „Weihnachten im Schuhkarton“ ist davon mal abgesehen eine vollkommen sinnlose evangelikale Missons-Aktion.

Kommentare sind geschlossen.

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