Frauen in Laboren: Entweder verlieben sie sich oder heulen

Die Annahmen und Begründungen (also sexistische, essentialistische Zuschreibungen), warum Mädchen und Frauen ungeeignet seien für technische und naturwissenschaftliche Berufe, sind hinlänglich bekannt. So werden Kindern bereits ab den frühsten Alterstufen nahegelegt, welche Interessen und Fähigkeiten welches Geschlecht ausmachen (und dass es folgerichtig auch nur zwei Geschlechter gibt), und so ziehen sich diese stereotypen Bilder später in den (Lohn)Arbeitsalltag weiter.

Es hat also auch keinen besonderen Neuigkeitswert, wenn die Überschrift lauten könnte „Typ hat sexistisches gesagt“. Und häufig bin ich da doch eher am Rande des Feminist Bore Outs und möchte nicht den 10.000 Fall auseinandernehmen, denn letzten Endes: Alles schon dagwesen. Aber für all jene, die noch ein Paradebeispiel dessen suchen, was das Arbeitsklima von Naturwissenschaftler_innen tagtäglich vergiftet, hat Nobelpreisträger Tim Hunt in den letzten Tagen geliefert.

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Bei einer Veranstaltung auf der World Conference of Science Journalists in Korea ‚bekannte‘ er am Montag zugleich, dass er ja als Chauvinist bekannt sei und legte dann alles daran, dies auch zu beweisen. Laut ihm seien Frauen in Laboren äußerst störend, sie würden Männer dazu veranlassen sich in sie zu verlieben, verliebten sich selbst und wenn man(n) sie kritisiere, fangen sie an zu weinen. Nach Geschlechtern getrennte Labore könnte er sich vielleicht noch vorstellen. Ich lese aus seinen Aussagen vieles (und nichts über die Inkompetenz von Frauen). Vor allem lese ich, wie für Hunt offensichtlich Frauen keine vollwertigen Menschen sind, die immer im (zu mindestens romantischen/ sexuellen) Bezug zu Männern stehen. Sicher eine großartige Grundlage für eine Zusammenarbeit.

Die Royal Society, zu der Hunt auch gehört, distanzierte sich. Aber die Stellungnahme war so kurz, unverbindlich und seltsam, dass sie die Royal Society weiterhin nicht im besten Licht erstrahlen lässt. Unter der Überschrift „Science needs women“ (Wissenschaft braucht Frauen) wird kurz über das verschenkte Potential schwadroniert, welches nicht ausgenutzt werden könne „wegen Themen wie Gender“. Nicht wegen Diskriminierung hinsichtlich Gender (und anderen Kategorien) oder Sexismus (Rassismus, Ableismus, etc.), sondern „wegen Gender“. Da hilft dann auch nur der Link zur „diversity webpage“ bedingt.

Tim Hunt hat sich natürlich auch noch einmal zu Wort gemeldet. Die Aussagen seien humorvoll gemeint gewesen. Auch mit dieser Form von Sexismus ist er natürlich nicht allein. Nein, er ist einer von so vielen, dass es eine ganze Reihe von Begriffen für diese und ähnlich funktionierende Formen gibt: ironischer Sexismus, Retrosexismus, Hipstersexismus, liberaler Sexismus. Das Prinzip aber bleibt das Gleiche: Selbst wenn solche Aussagen als Witz gemeint wären – Sexismus ist Sexismus. Und Hunt selbst beteuert auch im gleichen Interview, dass er doch nur versucht hätte „ehrlich zu sein“.

Und zum Weiterlesen: „Study Finds Sexism in STEM Hits Women of Color the Hardest„.

Nachtrag: Mittlerweile ist Hunt von seiner Position als „honorary professor“ zurückgetreten, berichtet BBC.

5 Kommentare zu „Frauen in Laboren: Entweder verlieben sie sich oder heulen

  1. Das ist so armselig. Wenn ich mir vorstelle, ich würde mit diesem Menschen zusammenarbeiten und jeden Tag seine „Scherze“ ertragen müssen… Was mich interessiert, ist, ob er das auch z.B. Marie Curie, Irène Joliot-Curie, Gerty Cori, Maria Goeppert-Mayer, Dorothy Crowfoot Hodgkin, Rosalyn Yalow, Barbara McClintock, Rita Levi-Montalcini, Gertrude B. Elion, Christiane Nüsslein-Volhard, Linda B. Buck, Francoise Barré-Sinoussi, Elizabeth Blackburn, Carol W. Greider, Ada Yonath oder May-Brit Moser ins Gesicht gesagt hätte?

  2. Männer sind auch äußerst störend, zuerst überschütten die dich ungefragt mit ihren Eheproblemen, dann beginnt die sexuelle belästigung und wenn du sie kritisierst zerstören sie deine Karriere…
    #distractinglyassholes

Kommentare sind geschlossen.

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