Engagement gegen den Schlankheitswahn

Dieser Text ist Teil 2 von 45 der Serie (Mein) Fett ist politisch

Ob Titelbilder von Fernsehzeitschriften oder Werbeplakate für Elektronikfachhandel, alles wird verkauft mit Frauenkörpern. Schlanken Frauenkörpern wohlgemerkt. Wie frau einen solchen bekommt, steht dann im Frauenmagazin daneben. In Wien leistet seit über einem Jahr eine Frauengruppe Widerstand – die ARbeitsGEmeinschaft dicker Weiber.

Vier Frauen der ARGE Dicke Weiber posieren beim Workshop für die Kamera, lachend und die Arme zur Kamera gestreckt, auf einem Bein stehend
© ARGE Dicke Weiber

Wie kam es zur Gründung der ARGE Dicke Weiber?

Als engagierte dicke Frauen und Lesben schlossen wir uns zusammen, um gemeinsam auf die zunehmende Diskriminierung aufgrund des Gewichts hinzuweisen. Wir sind tief betroffen und wütend über den immensen Druck, der auf dicke Menschen ausgeübt wird, und wir wollen uns gegen diesen Schlankheitsterror wehren. Wir wollen mit unserer selbstorganisierten Initiative dicken Frauen und Mädchen Mut machen, uns politisch mit dem Thema auseinandersetzen und Aktionen durchführen.

Wie sieht Euer Engagement konkret aus?

In Anlehnung an “Fat Liberation Movement” in den USA, wo schon in den 1970er Jahren “Fat Activist”-Gruppen entstanden, wollen wir mehr sein als reine Selbsthilfe. Wir verstehen uns als Teil einer weltweiten Dickenbewegung, die angetreten ist, die Dickenfeindlichkeit in dieser Gesellschaft zu beenden. Unsere Strategien dazu sind: Stärkung des Selbstbewusstseins, Selbstermächtigung, politische und persönliche Reflexion und Auseinandersetzung sowie Öffentlichkeitsarbeit, Aktivismus und jede Menge Spaß. Konkret treffen wir uns zweimal im Monat zum persönlichen Erfahrungsaustausch in der Gruppe, wir organisieren Veranstaltungen wie Diskussionen und Filmabende, schreiben Texte, produzieren und sammeln dickenfreundliches Bildmaterial, sind bei Frauendemos mit Redebeiträgen und Transparenten präsent (8. März und 25. November) und vieles mehr.

Plakat mit einer Nana und der schwarzen Aufschrift: Auf DIÄTEN pfeifen, den Schlankheitswahn angreifen! ARGE Dicke Weiber - Hinter und neben dem Plakat stehen Frauen der ARGE
© ARGE Dicke Weiber

Was habt ihr schon erreicht?

Die Stärkung des Selbstbewusstseins ist bei jeder einzelnen Frau, die mitmacht, wirklich augenfällig und spürbar. Viele von uns gehen nach langer langer Zeit wieder schwimmen, tragen keine alles verhüllenden Kleidungsstücke mehr, wehren sich gegen Beschimpfungen und dickenfeindliche Äußerungen und schenken sich selbst endlich (wieder) den Respekt und die Liebe, die wir uns solange vorenthalten haben. Dies ist ein sehr wichtiger erster Meilenstein, denn ohne Selbstbewusstsein ist es als dicke Frau so gut wie unmöglich „Dickenpolitik“ zu machen.

Wer kann bei der ARGE Dicke Weiber mitmachen?

Diese Frage ist eine der häufigsten Fragen, die uns gestellt werden. Unsere Antwort darauf lautet, jede Frau, die sich selbst als dick begreift und deren Leben vom Thema »Dick-Sein« geprägt wurde, ist herzlich willkommen. Wesentlich ist, wir sind keine Abnehmgruppe und auch keine Therapiegruppe für sogenannte Essstörungen. Wir sind eine feministische Initiative dicker Frauen.

Was kann ich tun, wenn ich nicht dick bin, aber Euch unterstützen möchte?

Auch diese Frage hören wir öfter. Auf unserem Weblog machen wir dazu folgende Vorschläge:
– sage nein zu dickenfeindlichen Äußerungen und Strukturen,
– organisiere eine feministische Veranstaltung und lade uns ein,
– mache Werbung für die ARGE Dicke Weiber,
– spende Geld oder deine künstlerische Arbeit,
– übersetze unsere Texte in deine Muttersprache,
– sei mit mindestens einer dicken Frau befreundet,
– usw.

Die ARGE Dicke Weiber trifft sich jeden zweiten und vierten Freitag eines Monats um 17 Uhr im Autonomen FrauenLesbenMädchenZentrum in Wien. Im Internet zu finden unter argedickeweiber.wordpress.com und auf Facebook.

29 Kommentare zu „Engagement gegen den Schlankheitswahn

  1. engagierte dicke Frauen und Lesben

    So ganz verstehe ich den Sinn dieser Aufzählung nicht. Lesben sind doch per definitionem Frauen, warum werden diese nochmal gesondert genannt? Oder ist damit „dicke lesbische Frauen“ gemeint? Aber warum hetero-,bi- und asexuelle Frauen ausschließen? Was hat dicksein mit meinen sexuellen Präferenzen zu tun?
    Ansonsten: coole initiative!

  2. @ Miriam

    Es geht glaube ich nicht darum, wer sich an der Arbeitsgemeinschaft beteiligen darf, sondern die damaligen Gründerinnen identifizieren sich sowohl als dicke Frauen als auch als Lesben. Insofern finde ich die Aufzählung wichtig, da man sowohl als dicke Frau als auch als Lesbe Diskriminierung erfährt, jedoch teilweise auf unterschiedliche Art und Weise. Hätten sich die Gründerinnen als „dicke lesbische Frauen“ bezeichnet könnte man es wieder als ausschließend für bi-, hetero- und asexuelle Frauen interpretieren.

  3. Grundsätzlich finde ich den Artikel klasse. Allerdings finde ich es Schade, dass sich diese Gruppe auf Körperprobleme bezüglich des Gewichts und somit auf „dicke“ spezialisiert. Dieser Ansatz hat etwas ausschließendes. Warum keine allgemeine Gruppe gegen die Förderung eines bestimmten Körperideals? Es sollte doch gerade darum gehen das alle Menschen unterschiedlich aussehen (dürfen sollten).

  4. @ Maria,

    Du hast recht, dass alle Menschen individuell aussehen sollten, aber
    Dickenbashing ist was anderes als Dünnenbashing.

    @ARGE,

    super, tolle Sache. Schade, dass Ihr in Wien seid, würde sonst sofort mitmachen.
    Bin eine sehr dicke Lesbe ;-)))

  5. Klar werden dicke Menschen deutlich mehr angefeindet als dünne Menschen. Dennoch gibt es ja auch diese Sprüche wie BMW (Brett mit Warzen), und schaut euch mal in Blogs für Eltern (leider primär Mütter um). Wie viele gehen wegen Schwangerschaftsstreifen, Hängebrüsten, etc. nicht mehr ins Schwimmbad? Nein alle Frauen und Männer sollten für eine Vilefalt an Körperidealen kämpfen und sich nicht durch Gruppenbildung in ihrer Argumentation und Reichweite einschränken!

  6. @Maria: Nur weil es vielfältige Diskriminierung gibt, heißt das nicht, dass sich jede_r um alle kümmern muss, dass sicher jede_r um alles kümmern kann. Der Feminismus hat inzwischen viele Probleme im Blick, aber das bedeutet leider nicht, dass er alle allein lösen kann. Dadurch dass die ARGE Dicke Weiber gegen Diskriminierung von Dicken kämpft, kämpft sie bereits für eine Vielfalt von Körperidealen und: andere Gruppen kann es auch noch geben, Vernetzung und Zusammenarbeit steht nichts im Weg.

    Und manchmal ist es einfach wichtig, sich nur mit den Leuten auszutauschen, die die gleichen Probleme haben wie man selbst.

  7. Prinzipiell ist es natürlich anstrebenswert, dass dicke, dünne, kleine, große (…) Menschen gemeinsam an einem Strang ziehen, aber ich würde trotzdem behaupten, dass die Probleme dicker Menschen oftmals über bloße Anfeindungen hinausgehen. Mangelhafte medizinische Versorgung durch vorurteilsbefangene Ärzte und/oder Pflegepersonal, zum Beispiel, oder die Benachteiligung bei der Arbeitssuche.

    Dazu kommt der noch immer weit verbreitete Irrglauben, dass man ja selbst an seiner Lage schuld sei und sich daher auch kaum zu beschweren brauche – immerhin könne man ja auch einfach weniger essen oder mal vom Sofa aufstehen. In diesem Zusammenhang werden auch immer wieder Stimmen laut, dass Menschen mit einem höheren BMI gefälligst höhere Krankenkassenbeitrage zahlen sollten, da sie mit ihrer angeblichen Maßlosigkeit die Allgemeinheit belasten.

    Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass auch eigentlich für die Problematik Schönheitswahn sensibilierte Menschen nicht vor Vorurteilen gegenüber Schwergewichtern gefeit sind, daher kann ich den Wunsch nach einem „Safe Space“ sehr verstehen. Dass heißt ja nicht, dass man sich nicht trotzdem austauschen, vernetzen und solidarisieren kann.

  8. Du hast recht, dass alle Menschen individuell aussehen sollten, aber
    Dickenbashing ist was anderes als Dünnenbashing.

    Warum? Darf man dünnen Menschen mehr Gehässigkeiten zumuten, weil sie zufällig näher am derzeitigen Schönheitsideal dran sind?

    Manche sich als zu dick empfindende Frau hält die dünnen Frauen für das personifizierte schlechte Gewissen oder das Schönheitsideal in Person und feindet sie dafür an, um sich selbst vom empfundenen Druck zu entlasten. Anders kann ich mir das jedenfalls nicht erklären.

  9. Mia:

    Mangelhafte medizinische Versorgung durch vorurteilsbefangene Ärzte und/oder Pflegepersonal, zum Beispiel, oder die Benachteiligung bei der Arbeitssuche.

    Hast Du schon mal dünne Menschen, die irrtümlich für magersüchtig gehalten werden, nach ihren Problemen gefragt?

    Und Ärzte, die zu sehr aufs Gewicht schauen und dabei womöglich Krankheiten übesehen, sind für niemand gut.

  10. Ich stelle mir gerade eine Szene vor, in der sich ein Schwuler und ein Behinderter steiten, ob Schwuchtel oder Spasti das schlimmere Schimpfwort ist.

    So einen Wettbewerb kann man doch nicht ernst nehmen.

  11. @ Irene:

    Es geht mir überhaupt nicht darum, verschiedene marginalisierte Gruppen gegeneinander auszuspielen und so eine Art Ranking aufzustellen, wer es denn nun schwerer hat. Jeder einzelne (weibliche) Körper ist in dieser Welt ständiger Beurteilung und Kritik ausgesetzt. Die Hemmschwelle, einen vermeintlich zu dünnen Körper öffentlich zu kritisieren, ist vielleicht sogar niedriger, weil es als vermeintlich (!) weniger verletztend eingeschätzt wird. Darunter fällt zum Beispiel auch das unsägliche „Echte Frauen haben Kurven!“- Gequatsche, als ob es irgendeine Frau auf der Welt gäbe, die -nicht- echt ist.

    Trotzdem ist Dünnsein in dieser Gesellschaft ein Privileg, dass gemeinhin mit Erfolg, Schönheit, Gesundheit und bestimmten positiven charakterlichen Eigenschaften ( Willensstärke, Intelligenz) assoziiert wird. Unsere Gesellschaft ist in großen Teilen für dünne Körper gemacht, von der Mode bis zu Gynäkologenstühlen. Das kann man, finde ich, nicht wegdiskutieren.

    Zwei meiner Meinung nach gute Blogartikel, die das Thema behandeln, finden sich z.B. hier:

    http://volcanista.wordpress.com/2009/01/29/on-thin-privilege
    http://www.raisingmyboychick.com/2010/08/on-fatphobia-thin-privilege-and-eat-a-sandwich/

  12. Trotzdem ist Dünnsein in dieser Gesellschaft ein Privileg, dass gemeinhin mit Erfolg, Schönheit, Gesundheit und bestimmten positiven charakterlichen Eigenschaften ( Willensstärke, Intelligenz) assoziiert wird.

    Auf einem Zeitschriftencover und in der Werbung vielleicht. Aber im Alltag? Da kann es genauso passieren, dass eine Dünne für neurotisch und essgestört gehalten wird.

    Wenn die Dicken die Dünnen ständig mit dem Schönheitsideal verwechseln, anstatt sie als Personen wahrzunehmen, dann kann die Verständigung ja gar nicht klappen.

    Aber vielleicht seid ihr einfach noch sehr jung und geht deshalb nur eurer vorgefassten Meinung aus.

    (Das war möglicherweise umgekehrte Altersdiskriminierung ;-))

  13. Und Zeitschriftencover, Werbung und Medien spiegeln und beeinflussen nicht auf gewisse Weise die Welt, in der wir leben? Das wage ich doch sehr anzuzweifeln. Dass die oben genannten Vorurteile in den Köpfen einer großen Mehrheit verankert sind, belegen auch diverse Studien, zuletzt z. B. von der Uni Marburg.

    Last but not least deckt es sich eben auch mit meiner eigenen Lebenserfahrung als dicke Frau und Tochter einer morbid adipösen Mutter, auch wenn ich „erst“ 28 bin. Gibt es eine Altersgrenze, ab der Erfahrungen zählen und nicht mehr bloß eine „vorgefasste Meinung“ sind?

    Diese Relativierung in Richtung „Ja, aber Dünne haben es auch schwer, also habt euch nicht so!“ ist übrigens genau der Grund, warum ich einen geschützten Raum, in dem Erfahrungen ernst genommen werde, für wichtig halte.

  14. Und Zeitschriftencover, Werbung und Medien spiegeln und beeinflussen nicht auf gewisse Weise die Welt, in der wir leben?

    Natürlich tun sie das. Aber es gibt noch paar mehr Normen auf der Welt als das Gewicht, und drum ist es Nonsens, Dünne pauschal als privilegiert zu bezeichnen.

    Beispiel: Schlank sein allein bringt überhaupt nichts, wenn die Blazer in kleiner Größe nicht passen, weil sie üblicherweise für Dünne mit schmalem Rücken, aber großen Brüsten geschnitten sind. Naja, wenigstens dürfte es die seltene Spezies der Schlanken mit großen Brüsten leicht haben, gut sitzende Blazer zu finden, ich gönne es ihnen ;-)

    Diese Relativierung in Richtung “Ja, aber Dünne haben es auch schwer, also habt euch nicht so!”

    … muss von irgendjemand anders stammen.

    Ich habe nur in Frage gestellt, dass Dickenbashing schlimmer ist als Dünnenbashing, und dass man als dünne Frau ständig was geschenkt bekommt.

  15. @Irene: Wie Mia bereits anmerkte, nützt es niemandem, hier ein Ranking von Diskriminierung zu erstellen. Natürlich kann eine Frau mit Kleidergröße 38 aufgrund anderer Normen diskriminiert werden, natürlich kann gibt es auch da dumme Sprüche – aber einige Probleme wird sie nie haben. Dass die Sitze im Flugzeug zu schmal sind. Dass fast kein Geschäft diese Kleidergröße führt.

    Dass Beharren darauf, dass es auch andere Menschen Probleme haben, sehe ich auch in Deinen Kommentaren – das genau ist schon Relativierung. Es ist darüberhinaus unangebrachtes Derailing, auf das ich Dich bitte zu verzichten.

  16. Helga, es geht mir nicht drum, die Diskriminierung dicker Frauen kleinzureden. Ich denke selbst, dass Dicke tendenziell mehr diskriminiert werden als Dünne.

    Es geht mir darum, dass dicke Frauen nicht beurteilen können, was dünne Frauen erleben, wenn sie sich nicht damit befasst haben, es aber trotzdem häufig tun, auch hier im Thread. Man kann doch nicht ernsthaft von den gängigen positiven Stereotypen über eine Gruppe auf deren Lebenswirklichkeit schließen.

    Es gibt z.B. untergewichtige Frauen, bei denen eine Überfunktion der Schilddrüse nicht erkannt wurde, weil der Arzt voreilig annahm, dass die Frau magersüchtig war oder drogensüchtig oder sonstwas. Sowas kann lebensgefährlich werden. (Zu den Gewichtsklischees gehört ja, dass wir uns unser Gewicht durch unsere Lebensweise komplett selbst erarbeitet haben, und so kommt es auch oft vor, dass andere Ursachen unterschätzt werden.)

    Das muss selbstverständlich niemand so genau interessieren, aber dann soll man sich bitte auch die Beurteilungen verkneifen, was Dünne so erleben oder auch nicht.

  17. An deinem Beispiel lässt sich ganz gut verdeutlichen, was ich mit Privileg meine:

    Auch manche dünne Frauen haben sicherlich Probleme, von der Stange gut sitzende Kleidung zu bekommen. Aber jemand, der sich irgendwo zwischen Größe 32 und 42 bewegt, hat eine unendliche Vielzahl an Läden, die diese Größen führen und in denen man sich umsehen kann. Ab Größe 44 wird es schon schwieriger, ab Größe 48 bedarf es dann schon eines gewissen Insiderwissens – in Deutschland gibt es vielleicht drei namhafte Kleiderketten für „Übergrößen“, deren Ware oft genug merkwürdig proportioniert, von schlechter Qualität und vergleichsweise teuer ist.

    Dünne wie dicke Frauen leiden darunter, dass sich Stangenkleidung oft an einem „Modellkörper“ orientiert, der nicht allen Körperformen gerecht wird. Aber für dicke Frauen kommt eben noch die Erschwernis hinzu, dass es kaum Läden gibt, die ÜBERHAUPT ihre Größe führen. Dieses zusätzliche Problem nicht als solches zu benennen ist eben schon eine Relativierung.

  18. „Helga, es geht mir nicht drum, die Diskriminierung dicker Frauen kleinzureden. Ich denke selbst, dass Dicke tendenziell mehr diskriminiert werden als Dünne.“

    Wasn dann das Problem?

    Einfach mal tief Luft holen und wieder raussteigern, ich les hier nix davon dass jemand dickes darauf besteht beurteilen zu können was dünne Frauen erleiden.

  19. Mit etwas Abstand muss ich sagen, dass ich den Begriff Privileg (und was an Argumenten daran anknüpft) ziemlich schräg finde.

    Sowas habe ich von Rollstuhlfahrer_innen, die ja sehr überzeugend für Barrierefreieheit kämpfen, noch nie gehört, dass Leute ohne Rollstuhl privilegiert sind und das bitteschön einsehen sollten.

    Ein enger Sitz im Flugzeug ist eine Barriere für Dicke, kein Privileg der Dünnen.

  20. Vielleicht besetzt du den Begriff einfach anders und wir reden deshalb aneinander vorbei. Für mich ist Privilgierung schlicht: „der Zugang zu mehr Chancen, Wahlmöglichkeiten und mehr Macht im Vergleich zu anderen auf Grund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe“. Also quasi das Gegenteil von Diskriminierung. Wer nicht diskriminiert wird, erlebt seine Privilegien in der Regel aber als „das Normale“.

    Man kann das jetzt affig finden. Oder man springt einfach mal über seinen Schatten und setzt sich mit seinen eigenen Privilegien konstruktiv auseinander – nämlich mit der Tatsache, dass Dinge, die für einen selbst ganz selbstverständlich sind, für andere unerreichbar bleiben und einen täglichen Kampf bedeuten.

    Ein Privileg zu haben bedeutet nicht, alles geschenkt zu bekommen, ein schlechter Mensch zu sein oder gar seine Privilegien aus Solidarität aufgeben zu müssen. Es bedeutet schlicht, dass man im Gegenzug zu einer diskriminierten Gruppe Erleichterungen und Vorzüge genießt. Und dafür den Blick zu schärfen, kommt letztlich allen zu Gute.

    Der Begriff wird übrigens auch von Behindertenrechtlern gerne genutzt, siehe
    http://disabledfeminists.com/2009/11/20/disability-101-what-is-able-bodied-or-abled-privilege/
    und
    http://www.imew.de/index.php?id=319
    (unter „Wie wirkt Diskriminierung auf die Diskriminierenden?“)

  21. Ja, das wäre eine wörtliche Bedeutung. Aber ich finde den Begriff nicht passend für das was Du damit bewirken willst. Schon weil er den Blick auf die Privilegierten richtet und nicht auf die, in die man sich eigentlich reindenken sollte. Da ist es dann kein Wunder, wenn die Reaktionen teils defensiv ausfallen, oder?

    Oft wird etwas als Privileg bezeichnet, das beschnitten werden sollte, und nicht etwas, das allen zugänglich gemacht werden sollte. Dadurch hat das Wort einen abgehobenen Beiklang, der nicht recht zu einem Sitz in der Bahn passen will. Barrierefreiheit weist etwas mehr in Richtung Selbstverständlichkeit.

  22. Mir persönlich wäre es jedenfalls viel zu umständlich, denjenigen Leuten, deren Bronchien verqualmte Räume besser vertragen als meine, und die in dieser Hinsicht nie von irgendwelchen Veranstaltungen ausgeschlossen waren, bewusst zu machen, dass es ein „Privileg“ ist, dass sie mehr Gift inhalieren können als ich. Da nenne ich doch lieber den gesetzlichen Nichtraucherschutz ein Instrument der Barrierefreiheit und ärger mich ein wenig, dass ich nicht schon früher auf diese knackige Idee gekommen bin.

  23. … ich les hier nix davon dass jemand dickes darauf besteht beurteilen zu können was dünne Frauen erleiden.

    @E
    Am Besten einigen wir uns, dass alle Frauen irgendwas erleiden. Dann fühlt sich niemand ausgeschlossen.

    Ein enger Sitz im Flugzeug ist eine Barriere für Dicke, kein Privileg der Dünnen.

    „Was dem einen sein Uhl, ist dem anderen sein Nachtigall.“ sagt ein Sprichwort. Und das bedeutet heute, in einer Neidgesellschaft kann man jedem was missgönnen. Und sei es ein Opfer- oder Minderheitenstatus.

  24. Quote: Ich habe nur in Frage gestellt, dass Dickenbashing schlimmer ist als Dünnenbashing…

    Hab ich nie behauptet!
    Hab nur gesagt, dass es etwas ANDERES ist.
    Erst Lesen, dann schreiben!

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