Eine Schwangerschaft, von Außen miterlebt

Dieser Text ist Teil 13 von 140 der Serie Die Feministische Bibliothek

Der Brite Andrew Cullen hat neun Monate lang Tagebuch geführt, nämlich von dem Moment an, als der Schwangerschaftstest in der Hand seiner Freundin verkündet: Da kommt jetzt bald ein Kind! – bis zur Geburt genau dieses Kindes. Andrew Cullen, normalerweise Drehbuchautor, ist in diesen neun Monaten „Der schwangere Mann“.

Ihn in dieser Zeit zu begleiten, macht wahnsinnig viel Spaß, aber manchmal auch nachdenklich, ist lustig und absurd, und immer auch erhellend. Denn – soweit ich den Markt der Schwangerschaftsbücher, die von Männern geschrieben wurden, überblicke – so gut hat noch niemand davon erzählt, wie es sich anfühlt, Vater zu werden. Er schreibt zum Beispiel über seine Zweifel:

Ein zufriedenes Leben bedeutet nicht, ein Leben ohne Zweifel zu führen, sondern zu lernen, damit zu leben. Auch wenn man sich an jemanden gebunden hat, ist man nicht völlig frei von Neugier über seine nicht gelebten Leben. (…) Jetzt, da ich älter werde und Entscheidungen treffe, wird es immer unwahrscheinlicher, dass ich jemals für England spielen werde oder in die Verlegenheit komme, mit Kylie Minogue oder einer schwarzen Frau ins Bett zu steigen (…)

Und er erzählt von seinen Ängsten, denn die Untersuchungen des Fötus‘ weisen auf eine Behinderung des Babys hin:

Trotz aller technologischen oder medizinischen Fortschritte kann niemand genaue Auskünfte über die Zukunft unseres Babys machen. Das Internet hat mehr Fragen als Antworten geliefert. Meine ganze Suche hat zu nichts weiter geführt, als dass ich mich an eine einzige Hoffnung klammere – dass unser Baby Glück haben wird. (…)

Beim Herumzappen landete ich zufällig bei der BBC-Kirchensendung Songs of Praise, in der ein Ehepaar mittleren Alters interviewt wurde, das ein behindertes Kind adoptiert hatte. Die beiden sprachen davon, was für eine wundervolle Erfahrung das für sie sei, doch so sehr ich sie auch bewunderte, glaube ich nicht, dass ich so bin wie sie. Ich möchte kein schwer behindertes Kind. Aber das ist das Risiko, das wir eingehen müssen.

Ich schäme mich für diese Gefühle, aber es lässt sich nun mal nicht leugnen, dass ich sie habe.

Andrew Cullen erzählt sehr ehrlich, von eben jenen Zweifeln und Ängsten, auch von der permanenten Angst, als Mann und Vater zu versagen, weil er sein neues Drehbuch einfach nicht verkauft bekommt. Diese Ehrlichkeit und seine Sicht auf das heranwachsende Kind im Bauch seiner Freundin machen das Buch absolut lesenswert. Wer ein Kind bekommt, sollte sich lieber ein paar Schwangerschaftsratgeber weniger und stattdessen dieses Buch besorgen. Und alle anderen, die einfach gern gute Bücher lesen, eigentlich auch.

Erschienen bei Rogner & Bernhard, 440 Seiten, gebunden, 19 Euro 90. Bezug über Zweitausendeins.

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