Eine Frage der Liebe

So, da hätte ich eben beinahe meinen Kaffee über den Laptop gespuckt. Warum? Wegen der aktuellen Ausgabe der „Liebeskolumne“ aus dem Zeit Magazin. Dort wird jede Woche vom Paartherapeuten Wolfgang Schmidbauer „eine Frage der Liebe“ beantwortet. Diese Woche: „Darf sie ohne sein Wissen die Pille absetzen?“

Die – wie ich finde – unglaubliche Antwort:

[….] Die Moralistin wendet sich mit Grausen ab. Der Pragmatiker aber erkennt eine gewisse Gerechtigkeit darin, dass durch die heimliche Aktion nicht mehr die Frau, sondern der Mann dem Druck unterworfen ist, entweder eine Schwangerschaft zu akzeptieren oder sich zu trennen.
Die meisten Väter können eine handfeste Wirklichkeit besser verarbeiten als die von Perfektionsansprüchen umwaberte Eventualität.

Lieber Herr Schmidbauer, das kann nicht wirklich ihr Ernst sein, oder?

19 Kommentare zu „Eine Frage der Liebe

  1. Krasse Einsicht. Plädiert er jetzt dafür, dass in Beziehungen eine Person einseitig Macht demonstrieren sollte, um die andere Person in Zugzwang zu setzen?
    Soll ich im Umkehrschluss daraus ziehen, dass es völlig ok wäre, Kondome zu zerlöchern oder die Pille zu verstecken (oder ähnliche Methoden), damit die Partnerin schwanger wird?
    Das erscheint mir doch ein wenig verantwortungslos, wenn Beziehungen nach dem Muster funktionieren „ich stelle meineN PartnerIn vor vollendete Tatsachen“. Ich glaube kaum, dass bei einer grundlegenden Analyse der möglichen Folgen ein vernünftiger Mensch solche Pseudo-Ratschläge beherzigen wird.

  2. Ich würde unterscheiden zwischen „ohne sein Wissen“ und „gegen eine – auch stillschweigende – Vereinbarung“.
    Ersteres ist nicht nett. Letzteres ist ein Vertrauensbruch, der für mich ein Grund für eine sofortige Trennung wäre.

  3. Neeva, kannst du mir diesen Unterschied (und vor allem, wie du darauf kommst, dass ersteres nur „nicht nett“ und kein Vertrauensbruch sei) bitte genauer erläutern?

  4. Ja fein, damit wären wir also wieder bei dem Bild, dass Frau dem armen Mann ein Kind anhängt – und schieben ihr so die alleinige Verantwortung in die Schuhe… *kopfschüttel*

  5. Eine Möglichkeit wäre ja auch zu sagen: Ich möchte ein Kind, du nicht, also sorgst du jetzt auch für die Verhütung. Mit der Pille nimmt sie dann ja tatsächlich selbst die Hormone mit allen Folgen für ihren Körper in Kauf, um seinem Wunsch nachzukommen, kinderlos zu bleiben.
    Aber wenn er kein Kind will, sie aber schon, ist das grundsätzlich eine große Belastung für eine Beziehung.

  6. zuerst habe ich den GANZEN text gelesen, drüben. der ist ein bisschen ausführlicher…, z.b hat der mann schon kinder aus der ersten ehe, die frau war 5 jahre mit der kinderlosigkeit einverstanden usw. …
    trotzdem: wenn der betreffende mann keine kinder mehr will, warum dann nicht, wie dort auch kommentiert, eine vasektomie? kostet 400 euro. einmalig.
    warum muss die frau für folgenlosen sex sorgen?? kostet einiges mehr, ist ein herber eingriff, mit folgen die wieder nur die frau tragen mus.
    geht nicht in meinem kopf.

    womit der paartherapeut nach meiner erfahrung aber definitiv recht hat: tatsachen sind leichter zu handeln für männer als (weibliche) pläne.

  7. stricktier, es geht doch nicht darum, dass Frauen gezwungen werden sollen, hormonell zu verhüten (wenn sie das nicht wollen). Es geht darum, dass man eine wie auch immer geartete Verhütung nicht einfach ohne Wissen des Partners (und gegen seinen Willen) manipulieren darf. Ob das nun das heimliche Absetzen der Pille ist oder ob jemand Löcher in die Kondome pickst spielt da keine Rolle.

  8. Formulieren wir es einmal vorsichtig, mir würde der Arsch platzen sofern ich das raus bekäme. Ganz ehrlich, dass ist nicht nur unverantwortlich dem Mann, sondern auch dem Kind gegenüber.

    Zu Stricktiers Erwähnung:
    Zum einen war die Verhütungsfrage nicht gegen Gegenstand der Diskussion, zum 2. würde ich annehmen, dass in einer Beziehung darüber geredet wird. Somit gehe ich erst einmal davon aus, dass die Frau durchaus mit dieser Art der Verhütung einverstanden war.

  9. „Klaus glaubt ihren Ausreden nicht ganz, entwickelt sich aber zu einem begeisterten Vater.“
    Da hat sie aber nochmal Glück gehabt … Man stelle sich vor er hätte aus dem ganzen die Schlussfolgerung gezogen, er könne ihr nicht mehr vertrauen, Ende der Beziehung. Dann säße sie jetzt da und würde vllt noch monatlich einen Scheck von ihm sehen. Allein diese durchaus wahrscheinliche Möglichkeit hätte sie doch davon abschrecken sollen ihre Pille absichtlich wegzulassen, wenn sie da schon moralisch keine Bedenken hat. In dem Fall wäre der Jammer danach nämlich groß gewesen …
    So ein Verhalten geht einfach wirklich gar nicht, ich kann dem anderen doch nicht einfach meinen Willen aufdrängen *Kopf schüttel*

  10. Das ist leider kein Dan Savage bei der Zeit. Denn natürlich kann man sagen: Der Mann kann fürs Kondom sorgen, wenn er wirklich keine Kinder will, eine Vasektomie machen lassen – und es gibt ja auch noch mehr Verhütungsmethoden.

    Und Männer können sich besser mit Tatsachen abfinden als Frauen? Wo steht das?

  11. @Anna
    Bei „ohne sein Wissen“ hatte ich die Männer im Hinterkopf, die sich um das Thema Verhütung einfach nicht kümmern, also den Typ der hinterher fragt „Du nimmst doch die Pille?“, oder Gespräche über das Thema gleich ganz abblockt. Da würde ich dann bei der Frau keine moralische Verpflichtung sehen, stillschweigend für eine sichere Verhütung zu sorgen.
    Sobald das Paar mindestens einmal darüber geredet hat oder er informiert wurde, dass sie verhütet, darf sie nicht aufhören ohne ihn zu informieren. Wird das klarer?

  12. Also ich meine, wenn er sich weigert, sich mit Verhütung zu befassen, ist es „nicht nett“ dafür zu sorgen, dass dieses Handeln Folgen hat. Aber es ist kein Vertrauensbruch. Ob eine Beziehung mit einem solchen Mann erstrebenswert ist, steht auf einem anderen Blatt.

  13. Neeva, danke, ja, es wird klarer.

    Ich finde allerdings, der von dir beschriebene Fall trifft wahrscheinlich eher nur für die ersten paar Tage (Wochen?) einer Beziehung oder für einen ONS oder so zu (und in beiden Fällen wäre es so oder so eh nicht klug, ohne Kondom Sex zu haben).

    Im konkreten Fall geht es ja um ein Paar/Paare, die über die Verhütungs- und Kinderfrage gesprochen und diese geklärt haben.

    (Ich habe den Text auf zeit.de übrigens wirklich mehrmals gelesen, bevor ich ihn hier rein gestellt habe, weil ich immer wieder dachte „nein, das kann nicht sein, du musst dich verlesen haben“.)

  14. @Anna:

    Das schlimme ist, dass ich auch ein paar Damen kenne die genauso agierten (bzw agieren würden). Da fällt mir nichts ein… zumindest nichts jugendfreies und nettes.
    Dabei wäre es so einfach, kurze Diskussionsrunde am Abend:
    Sie: „Schatz, ich setz die Pille ab.“
    Da kann er angemessen oder unangemessen reagieren wie er will.
    Von. „Dann hast ab jetzt Sex mit dir alleine“ ueber „Dann nehm ich die Verhütung in die Hand.“ bis zu „Tschuess, darauf hab ich keine Lust. Den Rest bereden die Anwälte.“

    Fänd ich in jedem Fall legitime Reaktionen. ;)

    Was mir noch einfaellt, da immer von der Risikolosigkeit der Vasektomie gesprochen wird. So ganz ohne ist sie auch nicht, ein Bekannter von mir schlägt sich monatlich mit einer Nebenhodenentzuendung rum… Das WILL ICH nicht haben. Muss voll Aua sein.

  15. Feministe.us verweist auf eine verwirrende Studie, nämlich dass ein ziemlich großer Teil der befragten Männer auf die Frage, wie sie auf eine unbeabsichtigte Schwangerschaft ihrer Freundin reagieren würden, dass sie ein bisschen oder ziemlich erfreut wären.

    http://www.feministe.us/blog/archives/2010/03/02/boyfriends-pleased-by-unintended-pregnancies/

    Wenn man dieses Ergebnis im Zusammenhang dieses Threads sieht, könnten sich Frauen, die die Frage des Nachwuchses gern eigenmächtig klären wollen, ermutigt fühlen. Der Mann dürfte es nur nie rauskriegen.

  16. herr schmidbauer hat sich weiter erklärt. http://www.zeit.de/lebensart/partnerschaft/2010-03/schmidbauer-antwort?page=all

    ich denke, was von den meisten falsch verstanden wurde (die kommentare der herren auf zeit.de sind übrigens krass — das geht den meisten arg an die männlichkeit), ist, dass schmidbauer das vorhaben nicht generell gutheißt und keine moralische richtlinie vorgibt. er sagt ja auch, dass er das unmoralisch fand. aber soll ein therapeut, wie es die kirche machen würde, zu der frau sagen: das ist die fahrt zur hölle?!

    was ich denke, was hier nicht zur sprache gekommen ist und wir nicht wissen können: wenn sich die beiden so gut kennen, dann wusste die frau vielleicht auch irgendwie, dass ihr partner damit klarkommen würde. ich hatte das nicht so verstanden, dass sie absichtlich hinterhältig und egoistisch handelt. da findest du einmal einen mann, mit dem du richtig gut klar kommst — trennst du dich, um einen anderen mann zu suchen, obwohl die biologische uhr tickt (so jung wird sie nicht mehr gewesen sein), der ein kind will. oder gehst du auf volles risiko und hoffst, dass der mann dann doch gut reagiert?

    also jedenfalls bewertet schmidbauer den fall ja erst im nachhinein. ich bin mir ziemlich sicher, dass, wenn die frau VORHER zu ihm gekommen wäre, um nach einer lösung zu suchen, er ihr vorgeschlagen hätte, die auseinandersetzung zu suchen anstatt auf eigene faust schwanger zu werden.

    und wer weiß, hätte der mann das kind abgelehnt, wäre sie vielleicht sogar bereit gewesen, sich in einvernehmen zu trennen, ohne alimente. ist alles möglich.

    man kennt die ganze geschichte nicht, deswegen kann man aus dem fall kein allgemeingültiges moralisches statement ableiten. so war das meines wissens nicht gemeint. außerdem war es ja eh eine dritte, und warum sollte die sich in das problem einer partnerschaft einmischen?

  17. @bitte

    interessanter Kommentar und danke für den Link.
    Vielleicht sollte man von einem Psychoanalytiker auch wirklich kein moralisches Urteil erwarten. Das ist ja irgendwie echt nicht sein Job, seine Kompetenz und hoffentlich auch nicht sein Anspruch. Wenn man sich eine moralische Eischätzung wünscht kann man ja Rat bei dem „Gewissensfrage“ Kolumnisten vom SZ-Magazin ersuchen. Oder sich selber ein paar Gedanken machen.
    Das macht seine Ansichten für sich genommen nicht weniger problematisch. Hat mir aber ein Bisschen den Hintergrund seiner Aussagen erklärt.

  18. Die Antwort des Paartherapeuten, in der er mit schwülstigen Worten vom eigentlichen Kernthema abzulenken versucht, lässt sich in einem Satz zusammenfassen:

    Der Zweck heiligt die Mittel.

    Aber klar, er ist schließlich Pragmatiker und kein Moralist.

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