Ein paar Meinungen aus modern-feministischer Sicht

In unserem Jahresrückblicks-Podcast hatten wir versucht mal wieder in den Fokus zu rücken, dass es sich bei der Mädchenmannschaft um ein Freizeitprojekt handelt. Alle Beteiligten stecken hier viel Herzblut, Energie und Zeit hinein  – aber eben nicht so viel, dass wir ständig am Telefon sitzen und/oder innerhalb weniger Stunden auf Mails und Fragen antworten können. Das verstehen aber nicht alle. Und am wenigsten bezahlte oder gar hauptberufliche Journalist_innen. Und da bekommen wir – neben vielen tollen, interessanten, wertschätzenden Anfragen für spannende, gewinnbringende Kooperationen oder für Beiträge unsererseits, über die wir uns sehr freuen – dann auch immer wieder Anfragen, von denen einige an unfreiwilliger Komik kaum zu überbieten sind. Auf eine wollen wir hier exemplarisch antworten. Lehnt euch zurück. Have fun. Und danke an Andreas Hüning und Herrmann F. Herman, die diese Antwort mit ihren Kommentaren inspiriert haben!

Hallo liebe Mädchenmannschaft,

unter der Telefonnummer auf dem Blog geht leider nur der AB ran, deswegen versuche ich es mal per Mail.
Ich schreibe gerade einen kleinen Text über Barbie. Konkret soll er sich am geplanten „Barbie Dreamhouse Experience“ in Berlin – eine lebensgroße Barbie-Villa aufhängen, und dafür bräuchte ich ein paar Meinungen aus modern-feministischer Sicht.
Ich schreibe die Fragen einfach mal hier auf, die mir so einfallen:

Grundsätzlich: Was gibt es zu Barbie aus feministischer Perspektive zu sagen? Ist es immer noch nur der Alptraum der verzerrten Schönheitsideale und der Magersucht?

Ist die „Karriere-Barbie“ (eine Barbie-Serie, die vor ein paar Jahren Barbie mit Laptop und Aktentasche zeigte) etwas Progressives?

Was ist eigentlich mit Ken? Der Typ ist ja offenbar total unterdrückt und steht im Schatten von Barbie. Patriarchat sieht doch anders aus.

Ich würde mich über ein paar nette Antworten sehr freuen. Das alles brauche ich leider sehr schnell, bis spätestens heute um 15 bis 16 Uhr. Morgen soll es reingehen.  (…)

Erreichbar bin ich per Telefon: (…)

Viele Grüße
(…)

Hallo lieber Herr (…),

erst einmal möchten wir uns entschuldigen, dass Sie uns heute um 11:40 telefonisch nicht erreichen konnten. Für einen, wie Sie ganz richtig sagen, modern-feministischen Dienstleistungsbetrieb wie die Mädchenmannschaft ist das nicht akzeptabel. Wir haben bereits organisatorische Konsequenzen daraus gezogen und den Zugang zur betriebseigenen Coffee Lounge für den Backoffice-Assistenten beschränkt, damit unseren Kund_innen derartige Zumutungen künftig erspart bleiben.

Wie Sie wissen, ist unser Unternehmen permanent gut ausgelastet, doch für hochprofessionelle Anfragen wie die Ihre („Ich schreibe die Fragen einfach mal hier auf, die mir so einfallen“), aus denen sowohl Ihre gründliche thematische Vorbereitung als auch die Wertschätzung unserer Expertise („dafür bräuchte ich ein paar Meinungen“) hervorgeht, nehmen wir uns selbstverständlich gerne Zeit. Da Sie nach eigenen Angaben nicht viel davon mitgebracht haben („Das alles brauche ich leider sehr schnell, bis spätestens heute um 15 bis 16 Uhr“) kommen wir am besten gleich zur Sache – zu Ihren Fragen:

Grundsätzlich: Was gibt es zu Barbie aus feministischer Perspektive zu sagen?  Allerhand. Wurde übrigens auch schon, weil der kritische Diskurs um Barbie bereits seit den 1960er Jahren geführt wird. An dieser Stelle vielleicht so viel: Wir lehnen es ab, uns als Erfüllungsgehilfinnen für männliche Kritik an Weiblichkeitskonzepten (auch jenen, die Barbie verkörpert) zu betätigen.

Ist es immer noch nur der Alptraum der verzerrten Schönheitsideale und der Magersucht?  Das haben sie sehr hübsch gesagt. Aber: nein. Und war es in dieser Vereinfachung auch nie.

Ist die „Karriere-Barbie“ (eine Barbie-Serie, die vor ein paar Jahren Barbie mit Laptop und Aktentasche zeigte) etwas Progressives? Och ja, würden wir eigentlich schon sagen. Gerade wir als Internetaktivistinnen hängen sehr an unseren Laptops. Manche von uns mochten aber auch Barbie als Astronautin (1965), Gebärdensprachlehrerin (1999), Rock Star (2009) oder Präsidentin (2000) ganz gerne.

Was ist eigentlich mit Ken? Der Typ ist ja offenbar total unterdrückt und steht im Schatten von Barbie. Patriarchat sieht doch anders aus.

Lieber Herr (…), wir sind Deutschlands führende Dienstleisterin zu  modern-feministischen Fragen und Sie profitieren schon seit Jahren von unserem Service. Leider machen sich aber auch bei uns gestiegene Verwaltungs-  und Personalkosten bemerkbar. Damit  Sie auch in Zukunft von unserem Service in gewohnt hoher Qualität  profitieren können, haben wir Ihnen als Anlage zu dieser Miteilung unsere aktuelle Preistabelle für das Jahr 2013 angehängt.  Das wird auch so bleiben, denn wir haben außer diversem Aktivismus, Beruf, Studium, Kindern, (Wahl)Familien, Bands und sonstigen Beschäftigungen eigentlich kaum etwas zu tun und reagieren jederzeit gerne kurzfristig auf Zuruf. Sie werden auch im Jahre 2013 feststellen, dass wir als komplett ehrenamtlich betriebenes Freizeitprojekt günstiger sind als eigene Recherchearbeit für Sie wäre. Und wesentlich netter auch!

Eine Rückfrage hätten wir noch, die wir einfach mal aufschreiben, weil sie uns gerade so einfällt: Was denkt Ihre Zeitung als Teil der Mainstreampresse eigentlich so über den Kapitalismus? Wir bitten um schnelle Antwort, denn wir wollen später noch in den Park zum Picknicken, und verbleiben

mit freundlichen Grüßen
Ihre Mädchenmannschaft

10 Kommentare zu „Ein paar Meinungen aus modern-feministischer Sicht

  1. Hahaha!!!! Geniale Antwort!!!!

    Jup, ich hasse sowas, eine getarnte „Macht doch einfach mal meine Arbeit“ Aufforderung. Zum Schießen ist ja das 15-16 Uhr…. Hirn anstrengen, sich früher damit beschäftigen? Nööö…

    Deshalb liebe Mädchenmannschaft: viel Spaß beim Picknicken/Bandprobe/…. !
    Ihr seid top!!

  2. Hi,

    sehr coole Replik.

    Nur eine Frage: Ist das Wort „Systempresse“ absichtlich gewählt worden?

    Viele Grüße
    Christian

  3. öhm. absichtlich ja, aber nicht in kenntis des begriffs (jedenfalls war er mir ehrlich gesagt nicht als „stehender begriff“ bekannt) – aber ein kurzes googeln zeigt, dass das wohl eher so ein rechter begriff ist, was? das ist ja dann eher ungünstig gewählt. änder ich mal, danke für den hinweis!

  4. „aber ein kurzes googeln zeigt, dass das wohl eher so ein rechter begriff ist, was?“

    euphemistisch ausgedrückt, ja. deswegen meine verwirrung und der hinweis.

    viele grüße.

  5. #systempresse

    ich hatte den begriff ja eingebracht und ich kannte den bisher als alt-linkes relikt, von den ganz ganz wilden zeiten, zwischen 68er und erste RAF genereation, mit dem ausgedrückt werden soll, dass alle großen medienorgane eh kapitalismus-befürwortend und system-stützend agieren.

    das sollte nur ein augenzwinkernder seitenhieb auf die [Edit: Name der Publikation entfernt – wir wollen ja niemanden verpetzen ;)] sein.

    so richtig genau wusste ich es aber nicht. und durch kurzes googeln hab ich auch noch keine verlässliche erklärung dazu gefunden. sorry falls ich rechten jargon hier reingespült habe!
    lieben gruß

  6. Nach den vielen vielen unsäglichen Diskussionen und klassischen Diskursmustern der letzten Zeit sehr angenehm, mal sowas im öffentlichen Raum zu erleben:

    Kontextproblematisches Wort wird unbedacht benutzt, jemand weist drauf hin, Benutzende_r überprüft und reflektiert kurz, wechselt das Wort aus, kein Abwehrgeschrei, kein großes Gerechtfertige, kein großes Jetztabererstmaldiskutierenundnachgewiesenhabenwollenobdaswort-WRIKLICHproblematisch ist, kein großes Traraaa, einfach kurzes Auswechseln, zack, feddich.

    Wie schön.

  7. @ Betti: jaaaaaaaaaaaaaaaa! so einfach! und man versteht den text dennoch! ;-)

    @ alle: sehr gute antwort. finde ich echt klasse. hoffe, ich denke noch dran, wenn ich mal zwischen tür und angel gefragt werde, warum ich feministin bin und was ich von der frauenquote halte und was denn so grad aktuell ist in der diskussion. aber bitte kurz, denn eigentlich will ich über was anderes reden…häääh?! is klar! *doing*

  8. Vielleicht geht ja „heteronormative Presse“?

    Oder: „Sehr geehrter Herr Hinterwäldler-Journalist, …“. Immerhin belegt auch eine solche (etwas dümmlich geratene) Anfrage, dass die Mädchenmannschaft seitens der Presse wahrgenommen wird. Das ist doch grundsätzlich schon einmal erfreulich, oder nicht? Wie auch immer. Ich wäre auch verärgert gewesen und hätte vermutlich eher so etwas geantwortet wie:

    Variante 1: „Googeln hilft!“

    Variante 2: „Wir können leider nicht beurteilen, wie ernsthaft Ihr Anliegen ist. Gegen eine überschaubare Gebühr (pro Stunde 20,- Euro pro Person) sind wir aber gerne bereit, Ihnen Interviewpartner für diese Thematik zu organisieren.“

  9. „Wir lehnen es ab, uns als Erfüllungsgehilfinnen für männliche Kritik an Weiblichkeitskonzepten (auch jenen, die Barbie verkörpert) zu betätigen“

    Dieser Satz ist wundervoll.

Kommentare sind geschlossen.

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