Ein Buch nach dem Anderen: Literatur aus Sri Lanka sowie Bücherclubs, das FBI und gebannte Werke

Dieser Text ist Teil 86 von 140 der Serie Die Feministische Bibliothek

Gelesen auf Papier

Vor einiger Zeit habe ich mir angewöhnt, wenn ich reise auch gleich die „passende“ Literatur mitzunehmen, nämlich jene von Autor_innen aus dem betreffenden Land/Region/Stadt oder die über diese schreiben. Dementsprechend regionaleinseitig gestaltet sich auch mein Lesestappel vom September: Im Mittelpunkt stehen englischschreibende Autor_innen aus Sri Lanka.

In Writing Sri Lanka: Literature, Resitance and the Politics of Place (2007, Routledge) analysiert Minoli Salgado das Schaffen von acht Autor_innen, die alle auf Englisch publizieren. Als roter Faden ziehen sich durch die Kapitel Fragen rund um Grenzziehungen. Wer wird als zugehörig konzeptionalisiert? Wer ausgeschlossen? Wie werden Grenzen zwischen „in Sri Lanka lebend“ und „Diaspora“ gezogen? Welchen Einfluss hat dies auf die Rezeption? Aber auch: Welche Grenzen werden in den Werken überschritten, aufgeweicht oder doch neu gezogen? Das Buch gibt einen spannenden Einblick in die betrachteten Literaturen (vor allem auch der zweier AutorINNEN: Jean Arasanayagam und Punyakante Wijenaike)  und das Umfeld, in welchem sie publiziert und rezepiert werden. Es ist aber eine wissenschaftliche Studie, die ohne Voriwssen zu literaturwissenschaftlichen Theorien (und insbesondere postkolonialen Theoretiker_innen) schwer zu lesen ist.

Glücklichweise veröffentlicht Salgado just in diesem Monat (morgen ist die Vorstellung in London) ihren eigenen Debut-Roman A Little Dust On The Eyes, in dem sie viele der Themen, die sie in Writing Sri Lanka herausgearbeitet hat, selbst literarisch aufgreift.

Da ich selbst erst kurz vor Abreise mich erinnerte, dass ich noch Romane besorgen muss_wollte, war meine Leseliste dann abgesehen von Salgado eine männlichdominierte – denn leider ist es ja bei den meisten Literaturen schneller möglich Autoren und deren Werke ausfindig zu machen, als die von Autorinnen. Ich las Reef (2011 (erstveröffentlicht 1994), Penguin Books) und Noontide Toll: Stories (2014, Penguin Books) von Romesh Gunesekera. Ersteres gibt es auch als „Riff“ in deutscher Übersetzung. Außerdem las ich Running in the Family (1993 (erstveröffentlicht 1982), Vintage) von Michael Ondaatje, besser bekannt als der Autor von „Ein englischer Patient“. Auch sein Buch wurde übersetzt („Es liegt in der Familie“), ist zwar literarisch nicht uninteressant, da es zwischen überwiegend prosaischen und poetischen Teilen wechselt, teilweise aber fehlen die tieferen Analysen der ihn umgebenden Gesellschaft. Nicht zu Unrecht wurde dem Buch Exotismus vorgeworfen. Spannend zu lesen ist es aber in Kombination mit dem entsprechenden Kapitel in Salgados Werk, in dem sie die Feinheiten des Texts auseinandernimmt. Zuletzt wandte ich mich Funny Boy: A Novel in Six Stories (1994, Vintage) von Shyam Selvadurai zu. Selvadurai schreibt eine fesselnde Familiengeschichte, in der es um so große Themen wie Identitäten und Zugehörigkeiten, Konstruktion von ethnischen Unterschieden, politische und_oder bewaffnette Konflikte und dem Coming-of-Age eines schwulen Jungen im Colombo der 1980iger geht. Leider bisher nicht ins Deutsche übersetzt.

 

Mitbringsel von der Buddhist Publication Society
Mitbringsel von der Buddhist Publication Society

Gelesen im Internet

Was kann unter „diversen Büchern“ verstanden werden? Und wie verkaufen sich diese am besten? Gerade auch bei Kinderbüchern, wo nicht nur die Kinder sondern auch Eltern zu überzeugen sind? Darüber spricht Buchhändlerin Elizabeth Bluemle mit NPR. Passend dazu – aus der Perspektive einer Autorin – schreibt Akchita Singh bei Feminspire, warum es so wichtig ist, in Büchern Personen zu finden, die einem ähnlich sind. (Beides Englisch)

Ist die „Great American Novel“ Männersache?, fragt Wieland Freund bei Der Welt und bespricht Meg Wolitzers Roman „Die Interessanten“ und auch ihr Essay „The Second Shelf“ von 2012, in welchem sie selbst den sexistischen Literaturbetrieb sezierte. (Deutsch)

Elle präsentiert elf aktuelle und ältere Bücher (vor allem aber 2014 erschienene), die Feminist_innen interessieren könnten. (Englisch)

Backlash – Ein Begriff der immer wieder und wieder fällt (und leider nur allzu passend). Matter und MSNBC haben den Sommer genutzt, Autor_innen, Aktivist_innen, etc. (zB Roxanne Gay! Aminatou Sow! Latoya Peterson!) eingeladen und den #BacklashBookClub gegründet, wo sie Kapitel für Kapitel Susan Faludis Kapitel und die heutige Relevanz diskutieren. (Englisch)

Bei Colorlines stellt Autorin Daisy Hernández acht Bücher vor, die sie geprägt haben. Im September erschienen ihre eigenen Memoiren „A Cup of Water Under My Bed“, in denen sie unter anderem über das Aufwachsen in ihrer kubanisch-kolumbianisch migratisierten Familie, Sprache und ihre queere Identität schreibt.  (Englisch)

Die letzte Woche im September ist „Banned Book Week“ in den USA. EFF erinnert daran, warum es wichtig ist, sich mit dem Thema zu beschäftigen (und posieren auf einem Foto mit ihren liebsten gebannten Werken). Bei der Huffington Post schreibt Tony Diaz: „Every Week Is Banned Book Week For Chicanos„. (Beides Englisch)

„Critical nonfiction was the initial target of the Bureau’s Cold War campaign to impose itself between unflattering portraiture and the reading public.  Yet the FBI’s individual author files of the period, only recently extracted through FOIA requests, demonstrate that Total Literary Awareness also kept a special watch over African-American drama, fiction, and poetry.“ – William J. Maxwell schreibt beim The American Reader unter anderem detailreich die Überwachung von Lorraine Hansberrys Schaffen und Leben. (Englisch)

The Rumpus veröffentlichte ein Interview mit Maya Angelou über Poesie, das Schreiben, Inspirationen und Vorhaben. (Englisch) (Zu Maya Angelous Tod im Mai hatte ich hier geschrieben.)

Alice Goofman hat das ethnographische Werk „On the Run: Fugitive Life in an American City“ veröffentlicht. Bei The Inquiry fragt Christina Sharpe in ihrem Beitrag „Black Life, Annotated„: „[…] On the Run is another story about a white lady come to study young black men. Who thought this was a good idea?„.

Liepollo Rantekoa war Autorin und Organisatorin des Literaturfestivals „Ba re e ne re“ in Lesotho. Im Jahr 2012 verstarb sie nach einem Autounfall gerade einmal 29 Jahre alt. Im September wurde das Festival – gerade auch im Gedenken an Rantekoa – wiederbelebt.

Ein Twitter-Tipp: The Worst Muse gibt Tipps für den perfekten Plot sowie Stil und deckt mit ihren ironischen Kommentaren die sexistischen, rassistischen Muster auf, die viel (gefeierter) Literatur zu Grunde liegt. (Englisch)

Und wer sich nun fragt „Wie lese ich eigentlich?!“, darauf hat Virginia Woolf sehr ausführliche Antworten parat, die bei Brainpickings auszugsweise zu lesen sind. (Englisch)

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Neuerscheinungen

Bei Bertz + Fischer erschien im September „Nerds, Geeks und Piraten“ von Nina Scholz.

Mannheims „andere“ Arbeiterbewegung. Beispiele eines lokalen Arbeiterradikalismus“ herausgegeben von der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union Mannheim erschien beim Verlag Edition AV.

“Ein Buch nach dem Anderen” ist quasi mein Anti-Lese-Motto. Meistens lese ich viele Bücher parallel, aber ich stelle sie der Reihe nach vor. Was lest ihr denn gerade? Erscheinen demnächst Bücher, auf die ihr euch ganz besonders freut?

Ein Kommentar zu „Ein Buch nach dem Anderen: Literatur aus Sri Lanka sowie Bücherclubs, das FBI und gebannte Werke

  1. Ahoi. Schreibt doch bitte vor dem Absatz, in welcher Sprache das vorgestellte Dingsi dann zu finden sein wird.

    Takk.

Kommentare sind geschlossen.

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