Diese Sache, die immer nur woanders passiert.

Triggerwarnung: Gewalt gegen Frauen*, rape culture, sexualisierte Gewalt.

Wir leben in einem Land, in dem wir dafür zur Kasse gebeten werden, Männern bei ihren Grenzüberschreitungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zuzusehen. In dem Tätern die Chance eingeräumt wird, vor einer breiten Masse mit Wörtern wie „Opferabo“ aufzuwarten und ganze Bücher über „ihre Sicht der Dinge“ im Handel erscheinen. Wir leben in einem Land, in dem Täter gute Chancen auf einen Freispruch haben, auch wenn die Tat nachgewiesen werden kann. Und zwar selbst dann noch, wenn die Betroffene zum Tatzeitpunkt minderjährig gewesen ist. Wir leben in einem Land, in dem all das für viel zu viele Frauen* Alltag ist. Und in dem zumindest die Angst davor für vermutlich jede Frau* etwas Altbekanntes ist. Wir leben in einem Land, in dem sich kaum irgendwer ernsthaft dagegen empört. Zumindest nicht, so lange es vor – oder gar hinter – der eigenen Haustür geschieht.

In Delhi, Indien, ist eine junge Frau in einem Bus von mehreren Männern so brutal vergewaltigt worden, dass sie an den Folgen des Übergriffs gestorben ist. Das ist schrecklich, furchtbar, ja in gewisser Weise unvorstellbar. Diese Tat ist etwas, was mir die Worte im Halse stecken lässt, weil alle mir bekannten zu harmlos erscheinen, angesichts des Ausmaßes dieser grausamen Tat. Als der Vorfall öffentlich geworden ist, sind in Indien zehntausende Menschen auf die Straße gegangen, um ihrer Wut über das Versagen von Staat, Justiz und Polizei Luft zu machen. Und um ein Zeichen zu setzen, gegen eine rape culture (Vergewaltigungskultur), die Taten wie diese überhaupt erst möglich macht.

Ich kann ihre Wut absolut nachvollziehen, ich teile sie, und ja, es sollte mehr von solchen Demonstrationen geben. Mehr Wut, mehr Öffentlichkeit, mehr Solidarität. Mehr Stellung beziehen. Mehr Verbündete. Ich würde mir wünschen, dass Täter gesellschaftsunfähig gemacht werden würden. Dass die Grundlage, auf der tagtäglich, in jeder verdammten Sekunde, Menschen ähnliches durchmachen müssen, Stück für Stück zerschlagen werden würde. Aber nicht nur in Indien, sondern auch hier. In Deutschland. In Europa. Überall.

Europäische und us-amerikanische Medien scheinen das ähnlich zu sehen, zumindest so lange es um die indischen Verhältnisse geht. Doch wie kann es sein, dass dieselben Medien, die Kachelmann unkritisch eine Plattform bieten und mit Assange sympathisieren, sich plötzlich über die Vorfälle in Delhi empören, den Demonstrierenden Zuspruch schenken und die indische rape culture anprangern? Wer einen genauen Blick auf die aktuelle Berichterstattung wirft, wird leider feststellen müssen, dass es sich hier in erster Linie um ein altbewährtes (neo)koloniales Muster handelt und nicht etwa um Menschen, die plötzlich ernsthaft und konsequent gegen rape culture vorgehen wollen. Also eher sowas wie ein „white mens burden“-reloaded („die Bürde des weißen Mannes“), oder wie die postkoloniale Theoretikerin Gayatri Chakravorty Spivak es bezeichnet hat: „white men are saving brown women from brown men“ („weiße Männer retten Schwarze Frauen vor Schwarzen Männern“).

Denn eben diese Berichterstattung spielt Argumentationsmustern in die Hände, die den sogenannten „Westen“ als zivilisiert, fortschrittlich und überlegen darstellen und die von ihm kolonialisierte Welt dagegen als barbarisch, rückständig und minderwertig inszenieren. Daraus wird dann gerne noch die Pflicht abgeleitet, die kolonialisierte Welt „ebenfalls zu zivilisieren“ und sich in der Ferne für vermeintliche Rechte stark zu machen, die im eigenen Umfeld nach wie vor mit Füßen getreten werden. Ziel dieser Darstellungsweisen ist es zum einen, Machtungleichgewichte, militärische Einsätze und rassistische und (neo)koloniale Praktiken zu rechtfertigen. Auf der anderen Seite kehrt es aber auch bequem die eigenen Probleme in Sachen Gleichberechtigung unter den Teppich. Denn wer traut sich schon, noch über Lohnungleichheiten, Doppelbelastungen oder sexistische Werbung zu reden, wenn anderswo Frauen* brutal vergewaltigt und zu Tode gefoltert werden?

Doch Halt; Gewalt gegen Frauen* ist Alltag. In Europa genauso wie in Indien. Auf der Straße genauso wie im Ehebett. Und durch Familienmitglieder genauso wie durch Unbekannte. Wer ernsthaft etwas daran ändern will, muss zunächst einmal das anerkennen. Dass die Täter mitten unter uns leben, genauso wie die Betroffenen. Dass Vergewaltigungen nicht nur in dunklen Parks oder indischen Bussen geschehen, sondern auch in europäischen Ehebetten und deutschen Kinderzimmern. Und dass jeder einzelne dieser Vorfälle schlimm genug ist, darüber zu reden, dagegen zu demonstrieren und Anstoß zu sein, endlich etwas in Gang zu setzen. Auch hier.

24 Kommentare zu „Diese Sache, die immer nur woanders passiert.

  1. My thoughts exactly. Genau das hab ich auch bei den ganzen Berichterstattungen gedacht, insbesondere über den Fall in Indien. Das wurde immer schön als ein Problem der ‚3. Welt Länder‘ dargestellt, als hätte das mit uns in Europa überhaupt nichts zu tun.

  2. Glasklar analysiert! Über die Diskrepanz der Berichtertattung von ‚weiter weg‘ und der Salonfähigkeit von vermeintlichen Tätern in Europa habe ich mich auch schon immer gewundert. Bsp. Strauss-Kahns Beteiligung am Frauenhandel wurde im Radio salopp als „Lebemann hat Verbindungen ins Rotlichtmilleu“ bzw. augenzwinkernd als „anrüchig“ bezeichnet. Eine Alt-Herren-Schenkelklopfer-Solidarität die zynischer kaum sein kein.

  3. Vielem in diesem Artikel stimme ich zu. Ja, die Berichterstattung hatte etwas Skandalisierendes und Externalisierendes. Ein gutes Negativbeispiel (Triggerwarnung!) mit Sätzen wie „Das sind Themen, über die Indien jetzt diskutieren muss…“ und völlig unangemessenen Begriffen für sexualisierte Gewalt(-täterInnen):

    http://www.tagesschau.de/ausland/indien-kommentar102.html
    Die Medien greifen das Thema sexualisierte Gewalt wellenförmig auf. Der „Missbrauchsskandal“ ist nur noch jedes halbe Jahr eine Schlagzeile wert, Betroffene kommen gar nicht mehr zu Wort; die Arbeit des Missbrauchsbeauftragten ist wird nicht dargestellt.

    Schwierig fand ich die Aussage: „Auf der anderen Seite kehrt es aber auch bequem die eigenen Probleme in Sachen Gleichberechtigung unter den Teppich. Denn wer traut sich schon, noch über Lohnungleichheiten, Doppelbelastungen oder sexistische Werbung zu reden, wenn anderswo Frauen* brutal vergewaltigt und zu Tode gefoltert werden?“ Es ist sicher was dran, dass durch Darstellungen extremer sexistischer Gewalt, zumal wenn sie anderswo geschehen ist, alltäglicher Sexismus aus dem Blick geraten kann – etwa wenn deutsche Tageszeitungen den 8. März damit begehen, dass sie einen Leitartikel zu Frauenhandel und Zwangsprostitution veröffentlichen.
    Aber es wird doch niemand mundtot gemacht, die oder der über „Lohnungleichheiten, Doppelbelastungen oder sexistische Werbung“ reden will?

    Über sexualisierte Gewalt und Folter wird doch eher selten berichtet, weswegen ich es nicht angemessen finde, hier ein „Ablenkmanöver“ auszumachen. In Deutschland kam das alles erst in den Medien, als der indische Staat schon das Militär gegen Demonstrierende eingesetzt hatte, die eine Sperrzone durchbrochen hatten – einen Tag nachdem sich die amerikanischen Medien bereits des Thema angenommen hatten. Dass es in der Woche zuvor schon Proteste gegen sexualisierte Gewalt und mangelnde/falsche staatliche Reaktionen in Indien gegeben hatte, spielte auch keine Rolle. Das zeugt m.E. von neokolonialem Desinteresse.

  4. @Marilena

    „Aber es wird doch niemand mundtot gemacht, die oder der über “Lohnungleichheiten, Doppelbelastungen oder sexistische Werbung” reden will?“

    Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass „Hier in Deutschland geht es den Frauen doch gut, guckt doch mal nach [nichtwestliches bzw. global südliches Land einsetzen], DA ist es schlimm!“ oder andere Hierarchisierungen von Gewalterfahrungen à la „DAS ist doch keine Vergewaltigung, Vergewaltigung geht soundso“ zum Standardrepertoire in Diskussionen mit feministischer Beteiligung gehören. Ich würde mich sogar so weit aus dem Fenster lehnen wollen, zu behaupten, dass „Argumente“ dieser Art zu den häufigsten Einwendungen gegen feministische Positionen gehören. Man sieht das übrigens auch sehr schön an zahlreichen (nicht freigeschalteten) Kommentaren zu Virulettas Artikel hier, die sich darüber beschweren, dass hier ja völlig unzulässige Vergleiche gezogen oder Dinge relativiert würden. Weil sie den Kontext nicht verstehen (wollen).

  5. Stimme dir vollkommen zu, Viruletta. Danke für den Artikel.

    Was ich mich außerdem frage: Wenn Gewalt gegen Frauen* in Deutschland nicht ernst genommen wird, z.B. „weil das in Indien, DAS war ja wirklich schlimm“ – was braucht es dann, damit hier ebenfalls Männer* in Massen gegen Vergewaltigungen auf die Straße gehen oder sie zumindest als ein ernsthaftes strukturelles Problem anerkennen? Etwa einen ähnlichen Fall wie in Indien? Sollen Vergewaltigungen so lange verharmlost werden, bis es zu einer ähnlichen Tat kommt, oder reicht es nicht schon zu sehen, wohin das Nicht-Ernstnehmen der Sicherheit von Frauen* führen kann? (rhetorische Fragen)

  6. @ Sunny Lemon:

    Es ist ja ein Trugschluss, davon auszugehen, dass Gewalt gegen Frauen* in Deutschland nur deshalb nicht ernst genommen wird, weil das Ausmaß hier „weniger schlimm“ sei. Zum einen ist alleine diese Hierarchisierung von Gewalt natürlich schon ekelhaft genug, zum anderen werden auch hier regelmäßig Frauen* misshandelt, vergewaltigt und ermordet. Amnesty International zufolge ist die sogenannte „häusliche“ Gewalt für europäische Frauen* zwischen 16-44 Jahren sogar die häufigste Todes- und Verletzungsursache, und zwar noch vor Verkehrsunfällen und Krebs. Und trotzdem ist das ein Thema, dem kaum Beachtung geschenkt wird. Oder nehmen wir den Fall Kachelmann; er stand vor Gericht wegen des Verdachts der besonders schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Die Betroffene hat ausgesagt, dass er sie unter Benutzung eines Messers zum Geschlechtsverkehr gezwungen hat. Aber dieser Fall wird nicht skandalisiert, im Gegenteil; Kachelmann wird immer wieder als „das Opfer“ dargestellt.

    Der Punkt ist doch; so lange es sich um weiße, sogenannte „westliche“ Männer handelt, werden die Fälle heruntergespielt, handelt es sich jedoch um schwarze und/ oder nicht-„westliche“ Männer, dann werden die Fälle skandalisiert. Es geht hier um Diskurse, um die Stabilisierung von Machtverhältnissen, und nicht darum, rape culture als ein Problem anzuerkennen und anzugehen.

  7. @viruletta: „Der Punkt ist doch; so lange es sich um weiße, sogenannte “westliche” Männer handelt, werden die Fälle heruntergespielt (…)“

    das sehe ich genauso. sobald die täter (ich schreibe dies bewusst) einem feindbild zuzuschreiben sind, sehen die kommentare zu berichten über sexualisierte gewalt ganz anders aus. wenn die masse der kommentatoren sich aber mit den tätern identifizieren kann, dann wird die glaubwürdigkeit der opfer und die schwere der tat ganz schnell in frage gestellt…

  8. Ich bin prinzipiell absolut eurer Meinung das Sexualverbrecher in den westlichen Ländern zu nachlässig bestraft werden, um es mal vorsichtig auszudrücken. Und auch das unsere gängigen Medien vieles verschönigen und bewusst verharmlosen ist leider Tatsache.

    Tatsache ist aber leider auch das Frauen in Indien kaum Gesellschaftliches Ansehen geniesen! Und das senkt auch die Chance das die Vergewaltiger dort eine angemessene Strafe kriegen. Ich denke das puplizieren in den internationalen Medien soll Indien einfach unter Druck setzen den Frauen dort mehr Gleichberechtigung zu bringen.

  9. Absolut richtiger Artikel.

    Hier unser Protest-Aufruf, der gerne weiterverbreitet werden kann:

    Proteste gegen sexuelle Gewalt: endlich auch in Deutschland!

    Legt schon mal die warmen Wintermäntel raus, denn unser nächster Protest gegen rape culture, justizielle Untätigkeit in Sachen Sexualdelikten und vor allem Kachelmanns routinemäßiger Diffamierung von Betroffenen finden während einer angekündigten Kältewelle statt. Anders als in Indien werden wir hier Minusgrade haben, was uns aber nicht vom Demonstrieren abhalten wird. Denn was viele bei der Berichterstattung über die Vergewaltigungsfälle in Indien und den darauffolgenden Protesten übersehen, nicht wahrhaben wollen oder schlicht nicht wissen, ist, dass die Zustände hierzulande ebenfalls desaströs sind. Quizfrage:In welchem Land kann ein Vergewaltiger aufgrund von „geschlechtsspezifischer Situationsverkennung“ freigesprochen werden, wo wird also einem Mann einfach aufgrund der Tatsache, dass er ein Mann ist, strafrechtlich ein Extrabonus zum Vergewaltigen zugebilligt? Nein, es ist nicht Indien, es ist Deutschland.

    Wir wollen nicht relativieren, was in Indien passiert ist und weiter passiert, aber wir wollen deutlich machen, dass ein gesellschaftliches Umdenken auch hierzulande notwendig ist. Wir wollen einen Wandel hin zu einem Bewusstsein, das nicht nur die extremen Gewaltexzesse verurteilt und ablehnt, sondern jegliche Übergriffigkeit. Und wir wollen einen Rechtsstaat, der seine Verpflichtung zum Schutz sexueller Unversehrtheit ernst nimmt: einen, der nicht über 80% aller Vergewaltigungs-Anzeigen einstellt, wie es derzeit der Fall ist. Wir wollen ein Bewusstsein, das diese Übergriffe wahrnimmt und vor allem Konsequenzen daraus zieht: Hilfe und Solidarität mit den Betroffenen, Ächtung der Täter.

    Kachelmanns Botschaften, die er über sämtliche Medien verbreitet, sind eine ungehemmte Förderung der Vergewaltigungskultur, in der Betroffene weiter zum Schweigen gebracht werden sollen. Denn anders als von Kachelmann behauptet, haben Frauen hierzulande mitnichten ein sogenanntes „Opfer-Abo“, ganz im Gegenteil. Am 30.1.2013 findet der nächste Termin von Kachelmanns Schadensersatzprozess statt. Er verklagt die Nebenklägerin des Vergewaltigungsprozesses auf Schadensersatz für Gutachten, die er selbst in Auftrag gegeben hat. Wir haben seine Anregung aufgegriffen und werden vor Ort „Opfer-Abos“ an alle Interessierten verteilen – vielleicht lassen diese sich ja irgendwo einlösen?

    Kommt zum Prozess, bringt Plakate und Trillerpfeifen oder einfach euch selbst mit und lasst uns gemeinsam ein Statement gegen rape culture und ihre Auswüchse in Form von Kachelmann’schen Falschbehauptungen abgeben. Jede Person, die kommt, stärkt durch ihre Anwesenheit das Gewicht unseres Protests!

    Termin: 30.1.2013, Treffen 13:00 (der Prozess beginnt um 14:00)

    Ort: Landgericht Frankfurt, Gebäude E, Hammelsgasse 1

    Bitte meldet euch aus organisatorischen Gründen vorher bei uns, unter dem Betreff „Protest“. Wir helfen euch auch gerne, Fahrgemeinschaften zu organisieren:

    http://fuer-gerechtigkeit.jimdo.com/kontakt-impressum/

    Die Initiative für Gerechtigkeit bei sexueller Gewalt

  10. Ein inbrünstiges full ack zu diesem Artikel.

    „Dank“ Indien können unzählige gewaltbetroffene Frauen* auch wieder einen größeren Bogen um die Frage machen, ob sie Gewalt in ihren Intim-, Arbeits-, Freundschafts-, etc. -beziehungen machen. Gewalt gegen Frauen passiert anderswo. Frauen*, die nunmehr noch wagen, sich über Grabschereien, Anzüglichkeiten o.ä. zu beschweren, können nun sogar unter Applaus nicht nur der Überempfindlichkeit, Humorlosigkeit ad nauseum bezichtigt werden, sie sollten sich schämen, ihre was-auch-immer, Empfindlichkeit? – auszuleben und sich auf eine Stufe mit „der armen Inderin“ zu stellen. Sexuelle Gewalt ist erst, wenn man zu Tode vergew. wird. 2012 war das Jahr des Victim Blamings, 2013 startete nicht nur mit tons of self-righteous shit sondern könnte dann wohl zum Jahr der Bagetellisierung werden.

    Ein anderer Aspekt:

    Nachdem fast sämtliche deutsche Medien sich in den letzten Wochen verausgabt haben was das Anprangern von Gewalt gegen Frauen angeht, wird es zunehmend still um das Thema (sofern nicht von Indien geschrieben wird). Entweder ist die google alert Funktion ähnlich desensibilisiert wie die Gesellschaft hier und in anderen „fortschrittlichen“ Ländern, – oder es findet so gut wie keine Gewalt gegen Frauen in diesem Land mehr statt. Die Wut über das sich anschließende „weder noch“ ist schlichtweg lähmend.

  11. Danke für diese Analyse.

    Die Analyse ist genauso auf ein anderes Beispiel anwendbar: Pussy Riot in Russland. Die deutsche Berichterstattung malte ein Bild eines diktatorischen Russlandes, an dem sich deutsche Stammtischklischees abarbeiten konnten. Um die Inhalte von PR ging es wenn überhaupt nur am Rande.

    Kritikpunkt: Das Zitat von Gayatri Chakravorty Spivak bezieht sich auf „brown“, also „braune“ Menschen. Eine Übersetzung ins Deutsche mit „Schwarze Frauen … Schwarze Männer“ ändert die Aussage. Bei wem liegt die Definitionsmacht?

  12. Einmal vielen Dank für den Artikel. Die Kommentare zu vielen Artikel zu den öffentlichen Vergewaltigungen in Indien waren oft so gruselig rassistisch und islamfeindlich (WTF?). Gruppenvergewaltigungen sind grundsätzlich kein Indien-spezifisches Problem. Es gibt Fälle von Gang Rape in Europa, in den USA und, ja, auch in Deutschland. Es gibt Ursachen für sexualisierte Gewalt die universal gelten. Wo waren die 10.000en Demnostranten bei Gruppenvergewaltigungen in Europa und den USA?
    Wenn man sieht, was für ein Heldenkult um bekannte Vergewaltiger wie Polanski und Kinski betrieben wird, sieht man rape culture in Reinform „auch“ in Deutschland.
    Gleichzeitig finde ich es lohnenswert sich die spezifische Situation von Frauen* in der indischen Gesellschaft anzuschauen, das indische Justizsystem, den indien-spezifischen Euphemismus „eve-teasing“ für sexuelle Belästigung, usw. usf. um nicht von deutschen Zuständen auf den Rest der Welt zu schließen.
    Vielleicht vergleichbar wie man trotz Erfurt, Winnenden etc.. bei school shootings in den USA durchaus auch über das 2nd Amendment und den politschen Einfluss der NRA reden kann.

  13. Gerade gelesen, den wirklich lohnenswerten Artikel zu genau diesem Thema von Samhita Mukhopadhyay von feministing. Ihre Perspektive als indisch-stämmige und in den USA geborene Feministin fand ich dazu sehr interessant.

    http://feministing.com/2013/01/14/delhi-is-different-from-steubenville/

    Das Zitat beschreibt die Gratwanderung, die aus westlicher/weißer feministischer Perspektive notwendig ist bei der Betrachtung der Situation in Indien.

    „Understanding international women’s rights in context means both avoiding the racist colonialist stance that sees our third world sisters as uniquely oppressed and in need of our intervention, and avoiding universalizing women’s experiences in a way that ignores the ways patriarchy works differently across cultural contexts.“

    Von mir mal laienhaft übersetzt:
    „Internationale Frauenrechte zu verstehen bedeutet
    sowohl den rassistischten, kolonialistischen Standpunkt zu vermeiden, der unsere Schwestern in der dritten Welt einzig als unterdrückt und interventionsbedürftig betrachtet,
    als auch zu vermeiden, die Erfahrungen von Frauen auf eine Art zu verallgemeinern, die die Arten ignoriert, auf die sich das Partriachat in kulturellen Zusammenhängen unterschiedlich auswirkt.“

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