Die Mutter-Schublade

Dieser Text ist Teil 3 von 45 der Serie Muttiblog

Neulich beim Eltern-Stammtisch des Kindergartens: drei der zehn im Biergarten anwesenden Personen trinken Kräutertee, daraufhin die Bedienung: „Bei dem Wetter Tee trinken, das machen doch nur Kindergartenmütter!“

Frau in High Heels und Bluse, Minirock und Leggins, die eine Aktentasche, Pfanne und Staubwedel mit drei Armen hält, sowie ein Baby in einem kleinen Wagen hinter sich herzieht

(C) Eva Hillreiner, www.evahillreiner.de

Am nächsten Tag: ich bin mit Fahrrad inklusive Anhänger inklusive Baby in der Innenstadt auf dem Markt. Ich komme vollgepackt zum Hänger zurück mit dem Kind auf dem Rücken und Tüten in der Hand, neben mir schließt gerade ein Typ (Student oder Surfer oder beides, Anfang 20) sein Fahrrad an. Als ich gerade losfahren will (Einkäufe und Kind sind verstaut) und er gerade losgehen will (ob er wohl Gemüse einkauft?), kommt ein junges dynamisches Kamerateam (Studentinnen, Anfang 20) auf uns zu. „Hallo, wir machen eine Umfrage zum Thema Veranstaltungsmagazine, kannst du uns erzählen, was dir da wichtig ist?“ . Typ so: „Na ja, wo die geilen Parties sind und fette Locations, das ist schon wichtig“. Danach labern alle noch so in bisschen rum, die angehenden Redakteurinnen bestätigen mit seinen Worten die echt belanglose Aussage des Surfers. Währenddessen lege ich mir im Kopf eine kluge Antwort zurecht, eine die überraschen soll, die intelligent ist und witzig und so weiter. Schließlich (und das weiß ich aus eigener Radioerfahrung) nimmt man doch an Aussagen, was man kriegen kann, um später aus der Masse die besten Antworten rauszufiltern. Aber was passiert? Das ambitionierte Kamerateam und der Student verlassen die Szene.

Zack, da bin ich also drin in der Mutterschublade: Mütter trinken abends immer Kräutertee und haben ja keine Ahnung von Veranstaltungsmagazinen, weil sie ja sowieso nie weggehen. Frechheit! Mütter können alles genauso gut oder schlecht wie andere (kinderlose) Menschen. Sie gehören in keinen Verein, der ihnen verbietet zu tanzen und Alkohol zu trinken. Mich persönlich interessieren die geilsten Locations jetzt zwar nicht so brennend wie die letzte Ausgabe der Fiber, aber ich möchte doch zumindest auch gefragt werden, wenn’s ums ausgehen geht!

Klar, das ist nicht das Wichtigste von der Welt, sich zu Partymagazinen zu äußern, aber das ist ja nur der Knauf zu der Schublade, in die man als Mutter so gesteckt wird. Klischees wie Mütter so „allgemein“ sind oder zu sein haben gibt es schließlich so reichlich wie Schmutzwäsche in einem Mehr-Personen-Haushalt mit Kleinst- und Kleinkindern: Mütter kümmern sich, Mütter sind aufmerksam, Mütter ernähren sich bewusst, Mütter haben immer einen Arm mehr als real vorhanden und das Oberklischee Mütter schlechthin: wissen immer, was das beste für ihr Kind ist (Liste kann beliebig erweitert werden…)
Klar ist, dass es Klischees nun mal gibt (und leider oder vielleicht muss das auch so sein, dass es Frauen gibt, die diesem Klischeebild entsprechen), und irgendwie logisch ist auch, dass sich im Leben von Menschen, die Kinder bekommen so einiges ändert – ABER sie werden deswegen nicht komplett neue Wesen aus der Kategorie Mutter!

An dieser Stelle kann ich nur für mich sprechen: ich will nicht nur als Mutter wahrgenommen werden. Ich bin eine Frau mit eigenen Bedürfnissen, ich gehe auch ab und zu aus, wenn ich gerade nicht zu müde bin, ich lebe gerne mit meinem Freund und meinen Kindern zusammen, aber ich bin immer noch ich und möchte das verdammt noch mal auch bleiben.

Jetzt schließt sich die Schublade

Bis in 12 Tagen
Grüßt eure Mrs. Pepstein

6 Kommentare zu „Die Mutter-Schublade

  1. Grins, die Liste lässt sich beliebig erweitern.
    – Sobald frau bei der Arbeit erklärt, sie sei schwanger, nehmen viel an, sie werde jetzt nicht mehr viel arbeiten und ständig wegen Krankheit fehlen. Auch wenn das in 90% der Fälle unbegründet ist und die 10% eher Unterstützung als Häme brauchen, daran ändert sich nix.
    – Ist das Kind da, nehmen alle an, frau werde sich jetzt erstmal jahrelang an Kind und Küche ketten. Das mit der Kirche hat sich ja weitgehend erledigt. Tut frau das nicht, kommt das nächste Vorurteil – sie ist eine Rabenmutter.
    – Mit sichtbarem Bauch oder mit Kinderwagen wird frau nicht erkannt. Ich habe Leute auf der Straße gegrüßt, die durch mich hindurch guckten und sich, falls sie es bemerkt haben, damit entschuldigten „… weißt Du, mit Kinderwagen, da achte ich nicht so drauf…“
    – Frau mit Kind fehlt oft auf der Arbeit, weil das Kleine krank ist, sie zum Kinderarzt muss.

    So, und nun noch ein selbst gebasteltes Vorurteil:
    Ich wohne nicht in Deutschland. Vor kurzem habe ich ein Wochenende mit vielen Mütterkontakten in Baden Württemberg gehabt. Meine Erkenntnis: Deutsche Mütter haben selbst für einen Ausflug von 1 Stunde zum Spielplatz dabei: eine Plastikdose mit Apfelschnitzen, Dinkelbrezeln mit wenig Salz, ein Trinkgefäß mit Apfelschorle oder Kindertee.
    Ich finde das sehr lustig. Bei uns gibt’s höchstens Wasser.

  2. „ich gehe AB UND ZU aus“ – diese Selbsteinschätzung passt doch prima zum Klischee.

  3. Ich bin auch in der Zeit prä-Kind nur ab und zu ausgegangen. Als Studi hatte ich nicht so viel Geld. Später nicht so viel Zeit. Und wahrscheinlich nie so das Interesse.
    Das ist aber Mutti-unabhängig…

  4. Ich (Mann) erinnere mich. Als unser Kind auf dieser komischen Welt war, war es für mich eine Selbstverständlichkeit, die „Kurze“ überall mit zu nehmen.
    Fete wurde ja nicht im Schlafzimmer gefeiert, eben mal um die Ecke gucken ob alles in Ordnung war tat der Fete nichts.
    Es gab damals übrigens noch einen positiven Nebeneffekt, unsere Tochter wuchs in einem riesigen Bekanntenkreis auf, die sich alle für sie interessierten und noch interessieren.
    Heute ist das meiner Tochter manchmal peinlich, wenn ihr jemand erzählt, dass sie mit dem Strampler im Türrahmen stand, weil sie Durst oder was anderes hatte. Einer von uns ist dann immer aufgestanden und hat sie wieder in den Schlaf gebracht.
    Es war übrigens unsere Tochter, nicht meine (Frau) oder deine(Mann) Tochter!

  5. also ich geh auch nur ab und zu aus, das reicht mir, und ich bin 19 und kinderlos
    es ist doch wichtig, dass eltern nicht nur eltern sind, sondern auch ein leben außerhalb der kindererziehung haben, dass sie freunde treffen, denn es ist schrecklich wenn man irgendwann nur noch ein ehepaar ist und keine freunde mehr hat
    und wenn die mutter zum beispiel all ihre interessen vernachlässigt schadet das auch dem kind
    und es stimmt, mütter werden ziemlich schnell abgestempelt und nicht mehr ins gesellschaftsleben einbezogen, höchstens in der krabbelgruppe…
    aber ich kenne auch viele gegnbeispiele, wo alles normal weitergeht, bis auf die kleine änderung dass da halt ein mensch mehr in der familie ist…

Kommentare sind geschlossen.

Betrieben von WordPress | Theme: Baskerville 2 von Anders Noren.

Nach oben ↑