Der lange Weg der polnischen FeministInnen

Sieben Jahre nach Polens EU-Beitritt darf sich die dortige feministische Bewegung über einige Erfolge freuen. Das alte Klischee vom Feminismus als lächerliche, aus dem Westen importierte Ideologie gilt nicht mehr als selbstverständlich, schreibt Autorin Agnieszka Graff, eine der Hauptfiguren der Bewegung. Die rechtsliberale Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk hat neulich eine gesetzliche Frauenquote von 35 Prozent für die Parlamentswahlen eingeführt und das staatliche Angebot an Betreuungsplätzen für Kleinkinder verbessert. Die Medienresonanz einiger feministischer Veranstaltungen wächst durch die Teilnahme von Gesellschaftsprominenten wie Danuta Walesa, der Ehegattin des ersten polnischen Präsidenten und ehemaligen antikommunistischen Dissidenten Lech Walesa.

Freilich sind diese Erfolge auf eine pragmatische Neuorientierung eines Teils der feministischen Bewegung zurückzuführen, wie Graff zugibt. Denn der langjährige Kampf ums Abtreibungsrecht hat trotz aller Bemühungen nichts gebracht und die Chancen, dass dieses wichtige Ziel in absehbarer Zukunft verwirklicht wird, stehen weiterhin schlecht. Mit der Ausklammerung der Abtreibungsdebatte hoffen die eher liberal geprägten FeministInnen, den Widerstand des nach der Wende wiederentdeckten und seit Jahren dominanten Traditionalismus zu umgehen.

Tatsächlich könnte diese Rechnung aufgehen, denn sowohl der wirtschaftliche, als auch der politische Kontext scheinen günstig zu sein. Im Gegenteil zu allen anderen osteuropäischen Ländern hat Polen die Wirtschaftskrise gut überstanden und sieht sich dementsprechend weniger gezwungen, Kürzungen im Sozialetat vorzunehmen. Polnischen Frauen bleiben damit viele neue Probleme ihrer ungarischen oder rumänischen Geschlechtsgenossinnen zunächst erspart. Denn eine schwere Krise schwächt nicht nur die immerhin prekäre Wirtschaftsposition vieler Frauen, sondern stärkt in der Regel auch den Einfluss von neo­tra­di­tionalist­ischen und konservativen Diskursen, die dem Feminismus und der Modernisierung die Schuld für alles geben.

Umgekehrt verlieren die polnischen Rechtspopulisten um Jaroslaw Kaczynski an Wählerschaft, unter anderem gerade weil die Wirtschaftsbilanz der Regierung relativ gut ist. Und selbst die Erzkonservativen in der Katholischen Kirche sehen erstmals seit Jahren ihre Glaubwürdigkeit beschädigt, weil ihre politischen Spielchen von vielen BürgerInnen als übertrieben wahrgenommen werden.

Für die polnischen FeministInnen könnten diese Zusammenhänge eine Chance bieten, und zwar in zweierlei Hinsicht. Einerseits wäre es natürlich begrüßenswert, wenn auf Druck des liberalen Mainstream-Feminismus’ weitere Reformen durchgesetzt würden. Andererseits könnte gerade dieses Phänomen zu einer weiteren, erfrischenden Differenzierung innerhalb der feministischen Bewegung führen.

(Jeweils im März demonstrieren polnische FeministInnen in den Großstädten gegen das Abtreibungsverbot und für mehr Frauenbeteiligung. Rechtskonservative Gegendemos gelten allerdings immer noch als vorprogrammiert.)

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