Der Kampf um die Frauen

Die Volksparteien werben wie nie zuvor um Wählerinnen. Angela Merkel muss diesmal ohne Frauen-Bonus antreten

Knapp sieben Wochen sind es bis zur Bundestagswahl, und die Parteien bringen langsam ihre Truppen in Stellung. Nicht nur die Soldaten, auch die Soldatinnen werden in Position gebracht. Frank-Walter Steinmeiers Schattenkabinett besteht immerhin zur Hälfte aus Frauen. Das Signal: Vor allem die Wählerinnen sollen diesmal umworben werden. Aber hat in dieser Hinsicht nicht Angela Merkel schon gewonnen? Kann sie als Frau nicht sowieso mit den Stimmen der Wählerinnen rechnen?

Nein, kann sie nicht.

Es wird ja gern angenommen, Frauen würden eher Frauen wählen – weil sie sich von ihnen eine frauenfreundliche Politik versprechen. Vielleicht wird hier einfach die „Schwesternschaft“ von Frauen romantisiert – ist ja auch eine nette Vorstellung, dass sich die Schwestern gegenseitig uneingeschränkt unterstützen. Dagegen spricht, dass Frauen auch nur Menschen sind – und gelernt haben, sich in Machtfragen besser an die Männer zu wenden, weil die das Sagen haben. Noch immer. Auch in Deutschland. Frauen trauen Frauen oft genauso wenig zu wie viele Männer. Macht ist noch immer männlich konnotiert. Deswegen entscheiden sich auch Frauen eher für einen Mann, wenn sie sich fragen: Von wem erwarte ich mir handfeste Entscheidungen, wer soll mich auf höchster Ebene repräsentieren, wer kann den politischen Gegnern zusetzen?

Das ist der eine, der psychologische Grund, warum Angela Merkel nicht automatisch mit den Kreuzen der Frauen rechnen kann. Der andere ist die Kanzlerin selbst und ihre Politik. Denn Frauen erwarten – und hier verallgemeinere ich einfach mal und lasse all die Wählerinnen beiseite, die so wählen wie ihr Ehemann oder unpolitisch sind und überhaupt nicht wählen gehen – von Politikern (egal welchen Geschlechts) Inhalte. Sie können noch so feministisch sein, sie werden keine Politikerin nur wegen ihres Geschlechts wählen. Doch frauenpolitische Inhalte hatte Angela Merkel in ihrer Regierungszeit mit der Frauenministerin Ursula von der Leyen nicht wirklich zu bieten. Von ihr ist frauenpolitisch einfach nichts zu erwarten, da­raus hat die Kanzlerin noch nie ein Geheimnis gemacht. Und von der Leyen betrieb fröhlich ihre Familienpolitik. Verkaufte ein Geburtensteigerungsprogramm als großen Wurf für die deutschen Frauen. Veränderte aber nicht allzu viel an deren Situation. In ihrer Zeit als Ministerin, die auch für Gleichstellungsfragen verantwortlich ist, wurde keine einzige konkrete Maßnahme zur Gleichstellung von Frauen verabschiedet: Frauen sind immer noch unterbezahlt. Es gibt keine verpflichtenden Quoten für die Privatwirtschaft. Von der Leyens familienpolitische Neuerungen kommen vor allem Gutverdienern zugute. Alleinerziehende waren kaum Thema. Eine Reform des Ehegattensplittings wurde in der Großen Koalition noch nicht einmal in Betracht gezogen.

Bleibt nur ein Grund, warum Frauen Angela Merkel wählen sollten: Weil sie eine Frau da oben an der Spitze sehen wollen. 2005 wurde bei Angela Merkel zwar tatsächlich noch die Frauenfrage gestellt und das nicht zu knapp. So ging es manchen Frauen bei der Stimmenabgabe vielleicht auch darum zu beweisen, dass eine Frau wirklich Bundeskanzlerin sein kann. Doch im Wahlkampf 2009 ist die Frage, ob eine Frau Kanzlerin sein kann, einfach nur lächerlich.

Was ist die Alternative? Hat Merkels He­rausforderer Frank-Walter Steinmeier bessere Chancen, die Stimmen der Frauen für sich verbuchen zu können? Die Öffentlichkeit staunte ja nicht schlecht darüber, dass die Hälfte aller Schattenkabinettsposten mit Frauen besetzt sind. Mit Manuela Schwesig wurde sogar eine interessante Herausforderin Ursula von der Leyens nominiert. Die Familienministerin in Mecklenburg-Vorpommern will die liegen gelassenen Themen der Großen Koalition an­packen: Kinderarmut und die Probleme Alleinerziehender zum Beispiel. Für das klassisch männlich besetzte Ressort Verteidigung ist Ulrike Merten vorgesehen, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag. Die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles soll sich um Bildungs- und Integrationspolitik kümmern. Steinmeier scheint also verstanden zu haben, dass der öffentliche Ruf nach stärkerer Teilhabe von Frauen nicht nur eine hübsche Forderung ist. Er kann sogar auf einige frauenpolitische Ideen im SPD-Wahlprogramm verweisen, zum Beispiel eine 40-Prozent-Quote für deutsche Aufsichtsräte nach norwegischem Vorbild.

Das ist für eine Volkspartei ein geradezu umstürzlerischer Programmpunkt, bei dessen tatsächlicher Umsetzung es zu kreischendem Protest der Industrie kommen dürfte, wie wir ihn bei der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) erlebt haben. Mit Gleichstellungspolitik kann man sich ins Gespräch bringen, aber keine Mehrheiten gewinnen. Gleiche Löhne, Quoten für Aufsichtsräte oder die Abschaffung des Ehegattensplittings sind deshalb schon in der Sache nichts für eine „Volkspartei“. Die SPD liegt momentan in den Umfragen bei 20 Prozent und kann sich vielleicht deshalb eine frauenpolitische Forderung wie die Quote leisten, weil sie ahnt, dass sie nach dem 27. September in der Opposition sitzen wird.

(Dieser Text erschien ursprünglich im aktuellen Freitag und auf Freitag.de.)

6 Kommentare zu „Der Kampf um die Frauen

  1. Ich habe schon oft gehört, wie Frauen erzählten, dass sie ja unter Chefinnen nicht arbeiten könnten. Die weiblichen Bosse wären ja so zickig usw. Das halte ich kaum aus. Ich habe für weibliche und männliche Chefs gearbeitet und unter beiden Gruppen gibt es gute und schlechte Bosse. So viel zur Solidarität unter Frauen …

  2. Die SPD stellt ihre Forderungen, um mit den Frauen genug Stimmen zu bekommen, um Juniorpartner einer erneuten Großen Koalition zu werden, und dann im Rahmen der Koalitionsverhandlungen und des täglichen Regierungsgeschäfts diese Forderungen wieder vergessen zu können.

  3. frauenpolitik hat frau von der leyen tatsächlich nicht gemacht. da kommt fws ja auf den ersten blick ganz passend mit seinem kompetenzteam, in welchem erstmal die schiere anzahl von frauen zu überzeugen scheint. zugegeben – auf dem verteidigungsposten ist eine frau etwas wirklich neues und deswegen gewagt und sehr zu befürworten. andererseits ist frau schwesig meiner ansicht nach leider bisher lediglich jung und schön. klar, kinderarmut ist ein wichtiges thema, aber mit frauenpolitik hat auch sie sich bisher nicht auseinandergesetzt – vielmehr hält man es ihr im konservativen lager zugute, dass sie einiges von frau von der leyen hält – mehr als manche parteifreundin. habe mich vergangene woche mit manuela schwesig beschäftigt – wer mag, gerne hier – http://stadtpiratin.blogspot.com/2009/08/die-kinderministerin.html nachlesen.
    mensch, jetzt hab ich schon wieder eigenwerbung betrieben. aber die verschiedenen sichtweisen sind echt interessant.

  4. Ich find das übrigens gut, dass der Freitag Geschlechterthemen jetzt auf die Titelseite bringt. Das erinnert glatt an den alten Freitag, wo es vor einiger Zeit eine reguläre Geschlechter-Rubrik gab…

  5. Ich ärgere mich übrigens maßlos, dass die SPD nur dann ein Frauen-Team aufstellt, wenn die Wahlen eh nicht zu gewinnen sind.

Kommentare sind geschlossen.

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