Der alltägliche Sexismus – und was sich dagegen tun lässt

Manchmal sehen wir den Wald vor lauter Bäumen nicht. So lassen sich die Er­geb­nisse einer Studie von Julia C. Becker und Janet K. Swim beschreiben, die sie vor kurzem im wissenschaftlichen Journal Psychology of Women Quarterly ver­öffent­licht haben (begrenzt öffentlich verfügbar). Danach bestätigen und verbreiten wir sexistische Annahmen, weil sie so weit verbreitet sind, dass wir sie gar nicht mehr als sexistisch wahrnehmen.

Darunter fällt etwa der „gutgemeinte“ Sexismus, nach dem Frauen die besseren Menschen seien und sich z.B. besser um Kinder kümmern können. Er wird seltener als Sexismus benannt und scheint zunächst ein positives Frauenbild zu vermitteln. Dabei vertieft er die Machtgefälle zwischen Männern und Frauen und festigt das Bild von Frauen als schwachen Menschen. Tatsächlich zeigen Frauen sogar schlechtere kognitive Leistungen, wenn sie gönnerhaften, herablassendem Verhalten ausgesetzt waren. Trotzdem wehren sich wenige dagegen und verbreiten sexistische Ansichten auch selbst weiter.

Was also lässt sich tun? Die Wissenschaftlerinnen ließen ihre Proband_innen Tagebuch führen, welche Arten von sozialen Interaktionen sie beobachteten. Wurden darunter explizit sexistische Beispiele vorgegeben, erhöhte sich nicht nur die Wahrnehmung dieser – die Probandinnen selbst hatten danach weniger sexistische Ansichten. Bei den Probanden reichte es allerdings noch nicht aus. Erst wenn sie zusätzlich gebeten wurden, sich in die Betroffenen der sexistischen Vorfälle zu versetzen und ihre möglichen Emotionen zu notieren, veränderte sich ihre Einstellung. Dies liege am höheren gesellschaftlichen Status, den Männer innehaben, so die Autorinnen. Damit einher ginge ein größeres Interesse, diesen erstmal beizubehalten.

Auch wenn es auf Dauer ermüdend scheint – mehr Bewußtsein zu schaffen für alltäglichen Sexismus zahlt sich also aus. Wer die sexistischen Bäume erkennt, pflanzt keine neuen mehr. In Gesprächen mit Männern braucht es dagegen noch die Frage „Was meinst Du, wie ich mich bei sexistischer Kackscheisse fühle?“

9 Kommentare zu „Der alltägliche Sexismus – und was sich dagegen tun lässt

  1. ist das jetzt nicht schon wieder sexistisch: männer müssen von frauen erst auf die anwendung von empatie aufmerksam gemacht werden? bzw. frauen müssen in gesprächen mit männern ihr verhalten ändern? klingt nach tipps aus brigitte.

  2. @Inge: Das sind erstmal die Schlüsse aus der Studie und keine Handlungsempfehlungen für Frauen. Sondern für alle, die etwas gegen Sexismus tun wollen – Frauen, Männer, andere Geschlechter, Institutionen. Den letzten Satz hab ich nun aus meiner Perspektive geschrieben.

  3. @Helga: Hmm, „im Gespräch mit Männern“ stößt mir persönlich auch ein bischen auf – denn leider gibts ja auch genug Frauen die sexistischen Schrott von sich geben. Das musste ich zwar auch erstmal lernen dass Frausein leider nicht bedeutet, nicht sexistisch zu sein. Blöderweise kommt man dann mit dem „Was meinst Du wie ich mich dabei fühle“ oft auch nicht weiter…

  4. ich denke es ist noch viel arbeit hier nötig. das sichtbarmachen des sexismus im alltag ist ein erster schritt dazu…

  5. ubarto: Das ist aber doch genau das, was die Studie belegt: Bei Frauen reicht es im allgemeinen, auf Sexismus hinzuweisen, bei Männern muss man noch den inneren Positionswechsel anregen. Helgas letzter Satz ist damit genau das: eine Zusammenfassung der Aussage der Studie. Du kannst der Meinung sein, dass die Studie Mist ist, aber das ist dann eben ein anderer Standpunkt, der auch erst mal belegt sein will. Erstmal hat Helga die Beweislage auf ihrer Seite, damit ist der Satz berechtigt.
    Und mal ehrlich: So abwegig ist der doch gar nicht. Männer sind auch keine schlechteren Menschen als Frauen, aber sie erleben diese ’sexistische Kackscheiße‘ eben nicht täglich am eigenen Leib. Natürlich muss man sie erst mal dazu bringen, den entgegengesetzten Standpunkt einzunehmen, bis sie es kapieren. Ist doch keine Schande. Andersherum wäre es genauso.

  6. Katharinas Aussage scheint mir genau den Kern zu treffen. Wenn ich ehrlich bin muss ich zugeben, dass ich genauso denke, zunächst einmal subjektiv, wie jeder Mensch es tut. Vllt. macht es aber genau die Aufforderung feministisch zu denken aus, dass eine objektivere Haltung eingenommen wird. So würde ich es zumindest auch von Männern erwarten. Sicher sind sie zumeinst nicht betroffen, aber ein gewisses Gespür für Gleichberechtigung dürfte nicht zu viel verlangt sein. Schließlich bemerke und kritisiere ich auch unterschwellige Töne, die sich gegen Gruppen richten, denen ich nicht angehöre.

  7. immerhin, ne studie dazu, finde ich schon mal gut – danke @Helga.

    mEn nach ist mensch generell „genervt“ wenn ich mal auf -ismen hinweise und dann // auweija // darauf deute/kurz sage, dass/was mich da nervt/stört.
    oft mache ich es sowieso nicht (weil …)
    und es gehört mEn entsprechende aufmerksamkeit dazu – immer wieder, all/täglich.

    btw, empathie ist ausserdem, so meine analyse, eine der schwierigsten und wichtigsten menschlichen fähigkeiten und auch sie braucht aufmerksamkeit, bewusstsein, selbst-/reflektion und übung.

    zK, hier eine studie „wie gesellschaft den status-quo beibehält“ – englisch
    „Rethinking Sexism: A Daughter-Father Team Examines How Society Maintains the Status Quo

    ScienceDaily (Nov. 12, 2009) — There is a tendency to think that only men treat women in a sexist way, but a new study by a University of Miami researcher and his daughter shows that both men and women participate in maintaining a gender hierarchy in our society. The study was recently published by the journal of Sex Roles.“

    http://www.sciencedaily.com/releases/2009/11/091112151434.htm

  8. Wie weit zieht ihr eigentlich den gutgemeinten Sexismus?

    In der Studie fällt da ja auch einer Frau schwere Sachen tragen und allgemein das, was man wohl als Kavaliersverhalten sehen könnte darunter, was ich sehr weitgehend finde.

    Sind alle sozialen Umgangsformen, die besondere Rollen von Mann und Frau betreffen, auch im Umgang miteinander davon betroffen oder gibt es eine Abgrenzung?
    Wenn ja, wie findet man die am besten?

    Mich verwirrt der gutgemeinte Sexismus noch sehr. Vieles soll ja einfach eine Nettigkeit sein und ist es auch häufig. Ein Lob an eine Mutter als Sexismus zu sehen, wie in der Studie, finde ich auch realtiv hart.

Kommentare sind geschlossen.

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