Breitmachendes Dominanzgehabe

Marlen_e ist seit eineinhalb Jahren in der feministischen Blogosphäre unterwegs und empört sich gelegentlich u. a. auf ihrem unlängst gegründeten Blog Tenthousand Spoons. Sie ist Mitte der Siebziger-Jahre in eine erz-konservative Familie hinein geboren worden, die ihre revoltierenden Attitüden allerdings mit Befremden zu Kenntnis nahm. Das ist ihr aber egal.

Ich fahre fast jeden Tag mit dem Zug, der S-Bahn und mit dem Bus. Ich mag das mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gerne. Es ist eine Möglichkeit, die Umwelt zu schonen, ich kann die Zeit nutzen, um Musik zu hören oder zu lesen und ich entgehe dem aggressiv-wütend-hupenden Menschenvolk auf den Autobahnen zur Rush-Hour im Rhein-Main-Gebiet. Es ist also alles ziemlich ok. Und total gemütlich. Und entspannend.
Und total ekelhaft.
Manchmal.
Oft.

Es gibt da diese männlichen* Mitreisenden, die unglaublich anhänglich sind. Sie rempeln dich versehentlich an. Sie berühren dich zufällig. “Oh, Entschuldigung” sagen manche und grinsen über beide Backen, bis die Grinsefalte an den Ohren angekommen ist. “Huch, so sorry!” Grinsekatzen-Grinsen. “Ups”.

Mensch sieht vier Beinpaare sitzend. Jeweils zwei Menschen sitzen unglaublich breitbeinig und drängen die anderen Menschen neben ihnen jeweils an den Rand der Sitzfläche.
Zwei Typen machen sich breit (Bild: @puzzlestuecke)

Es gibt noch andere, die sich es total rattenscharf finden, sich möglichst breitbeinig und mit ausladend vor der Brust verschränkten Armen in eine Sitzreihe flatschen lassen (sofern sie nicht schon ihre symbiotische Beziehung mit ihrer Sitzgelegenheit eingegangen sind). Sie machen klar: “hey, ich sitz mal hier, klar?” Also das sagen die nicht, die gucken nur so, als denken sie es. Ihnen macht es auch quasi nada, niente, nothing aus, dass sie unabhängig von ihrer Körperfülle immer mindestens 2 Plätze belagern. Die macker-dominante Okkupation im täglichen Pendel-Geschehen. Zeitgenossen von einer Sympathie, dass mir selbst die Schnürsenkel wie Blindschleichen abhauen.

Gegenüber und daneben sitzen in der Regel dann Menschen wie ich, die ihren Körper in solchen Momenten quasi zippen. Ich mache mich dann klein und kompakt, wahrscheinlich könnte ich manchmal in einem der Klapp-Mülleimer Platz nehmen, ich habe es noch nicht ausprobiert. Wir, die Gezippten, quetschen unsere Gliedmaßen, und obwohl unsere Beinlänge durch Zippen und Quetschen quasi nur noch halb so lang ist, berühren wir sie trotzdem: Die Macker-Beine. Oder die Macker-Tasche. Oder das Macker-Essen. Oder der Macker-Kaffee-Becher. Letzteres passiert meist bei den Vorbeuge-Mackern. Die setzen sich erst einmal verhältnismäßig normal hin und dann stützen sie ihre Unterarme und Ellenbogen auf ihre Oberschenkel, beugen sich nach vorne und tun etwas. Kaffee-Trinken, Lesen, Programmieren, Musikhören. Ich denke sie legen ihre Hilfsmittel wie Computer oder Smartphone nur deswegen auf ihre Beine, weil meine als Tischplatte nicht geeignet sind. Die sind ja eingequetscht. Aber ihr Gesicht ist zum Greifen nah. Ihr Gesicht fällt fast in meinen Schoß. Natürlich völlig unabsichtlich.

Ihr Macker da draußen mit eurem ewig-ätzenden-patriarchalen Dominanzverhalten, ihr nervt! Ihr verderbt mir die Laune. Ihr macht, dass mir mein Kaffee oder mein Frucht-Shake nicht mehr schmeckt. Ihr seid invasiv, grenzüberschreitend, kackendreist und zum Kotzen. Ich schwöre, bald wird es ein Tumblr geben, auf dem ich jede einzelne Quetsch-Situation festhalte. Vielleicht rafft ihr dann mal, wie es so mit Privilegien und Demonstration von Machtverhältnissen um euch bestellt ist: ihr habt euch null reflektiert und ihr geht mir damit auf den Zünder!

Marlen_e ist natürlich nicht die einzige, die sich an dieser mackerigen Raumeinnahme stört. Eine ihrer Leser_innen hat die Initiative ergriffen und ein Tumblr gegründet, auf dem nun Bilder, die das beschriebene Verhalten zeigen, gesammelt werden. Passender Weise heißt das Projekt „Breitmachmacker. Wenn euch also das nächste Mal jemand wegdrängt, Handy zücken, Foto machen und an das Tumblr zur Dokumentation schicken.

18 Kommentare zu „Breitmachendes Dominanzgehabe

  1. Absolut! Und am lustigsten sind dann die Reaktionen, wenn man sein Bein dann eben nicht dreimal einklappt und sich möglichst klein macht: Da wird dann verdutzt geguckt, geräuspert und dann der eigene Fuß doch ein klein wenig verrückt.
    Immer dagegenhalten ;)

  2. Das Gegenhalten ist natürlich eine Methode. Es zwingt eine(n) aber auch zur Berührung, was ich immer hochgradig unangenehm finde. Der letzte war besonders „subtil“, hat seine Hand zwischen uns auf den Sitz gestützt und immer mehr unter meinen Hintern geschoben. Alles gerade an der Grenze zum „Zufall“ und ich konnte (wegen der Wand) nicht weiter wegrutschen. Gegenhalten wäre in dieser Situation wahrscheinlich komplett aus dem Ruder gelaufen.

  3. @chesh: das ist mir auch letztens passiert.dabei schnaufte er allerdings noch ganz laut…wohl gerannt.k.a.ich hab dann ne sms getippt,das handy so gehalten,dass er mitlesen konnte: hier sitzt grad ein echt ekelhafter typ neben mir.gleich grabscht er.widerlich…hat ein bissel geholfen. Aber ansprechen wäre hier vllt die bessere alternative gewesen.oder nicht?ich weiss es nicht.ich fühlte mich jedenfalls sehr bedrän
    gt.zumal ich den fensterplatz hatte…

  4. Gegenhalten kann ja auch verbal bedeuten oder mit einem bösen Blick bedenken. Nur möglichst klein machen – das seh ich nicht ein.

  5. wieso dann in so nem fall wie bei chesh nicht einfach sagen: „nehmen sie ihre hand da bitte weg (von meinem arsch)“ möglichst laut ? und dann die reaktionen der mitfahrer beobachten…
    vielleicht beim aussteigen dann auch „ausversehen“ auf den fuß treten oder rempeln oder so, also sich selbst möglichst breitmachen und zurückdrängen.

    oder demonstrativ umsetzen wenns geht

  6. Ich kenne das natürlich auch! Und gerade wenn man so klein ist wie ich, also ich denke mir dann manchmal: „Naja Vicky, so viel Platz brauchst Du doch garnicht…“, dann setzt das mentale Wachrütteln ein und ich merke, dass ich mich tatsächlich noch kleiner mache und dass es DARUM ja nunmal nicht geht! Es gibt Tage, da werde ich einfach nur sauer und versuche den Umstand zu ignorieren, weil ich keine Lust habe, mich da aktiv mit auseinander zu setzten.

    Und dann gibt es Tage, da muss ich mich innerlich zusammen reißen um nicht aus der Haut zu fahren und sage: „Entschuldigen Sie, aber Sie machen sich grade ziemlich breit.“ – Meistens mit dem Erfolg gekrönt, dass tatsächlich die Breite aus den Beinen genommen wird, ein Zurechtrücken stattfindet. Ich glaube tatsächlich, dass es Personen gibt, die das nicht mit voller Absicht machen, sondern es eher mit ihrer grundsätzlichen Einstellung zu tun hat, die rücken dann auch tatsächlich.

    Eine Hand hatte ich noch nicht unterm Hintern, aber einen, der mich die ganze Zeit angesehen hat. Dem sagte ich, damals mit 14 auch, dass er mich die ganze Zeit ansieht, mich das stört und er bitte woanders hinsehen soll. Das hat funktioniert.

    Ich wohne ja im Ruhrgebiet, ich glaube, hier kann man tatsächlich ganz gut sowas sagen wie „Gleich sitzen Sie mir aufm Schoß!“

    Alles in Allem finde ich die Aktion mit dem Bilder machen gut, aber ich denke tatsächlich, dass etwas zu sagen das Effektivste ist. Hängt aber wahrscheinlich auch von der Uhrzeit, der Zusammensetzung der Fahrgemeinschaft, dem eigenen Gemütszustand etc. ab.

  7. Mich hat beim Straße überqueren neulich ein Fahrradfahrer fast überfahren. „Sorry“ mit einem fetten Grinsen, nachdem er mit einem Schlenker direkt auf mich zufuhr. „Soll das jetzt witzig sein?“ hab ich ihm hinterhergerufen und er nur noch weiter lächelnd „war keine Absicht“.

    Toll sind auch die Fahrradfahrer (ist mir bisher nur bei Männern passiert), die auf der falschen Seite fahren, auf Zubrüllen nicht reagieren sondern einfach grinsend weiterfahren und den anderen zum Ausweichen zwingen.

    Alles soooo lustig. Nicht.

  8. Mich nervt das auch schon ne ganze Weile, also hab ich mir gedacht: wenn ihr Jungs das könnt, kann ich das auch. Solange ich alleine sitze oder merke, dass sich so ein Macker neben mir breit macht, mach ich mich auch einfach mal breit. Besonders gern im Rock oder wenn ich auf andere Weise „fein“ angezogen bin – da gucken sie dumm, wie die Maulfrösche. Dabei spiegle ich nur ihr Verhalten.

    Im ersteres Fall (Doppelsitz; ich allein) hat das auch den Vorteil, dass sich keiner diese Typen dazu setzt.

    PS: Falls sich wer aufregt – ich benehme mich nur so, wenn ich eindeutig merke, dass da wieder einer sein Revier großzügig abstecken will. Anderen Fahrgästen gegenübern bin ich nicht so.

  9. Oh ja, das kenne ich. Ich bin ziemlich groß, auch meist größer als die viele Männer in Berlin. Die kommen dann immer an, setzen sich einem gegenüber und klong, deren Knie in meine gerempelt – man ist ja schließlich Macker und das/der Größte überhaupt. Das nervt einfach, weil die meistens viel kleiner sind als ich.

    Ich erinnere mich auch an ein Ereignis, als ich 16 oder 17 war. Ich saß in der U-Bahn, neben mir rechts und links ein normaler Platz frei. Kommt so ein Macker mit Goldkettchen an, macht ne Handbewegung, dass ich rüber rücken soll und setzt sich dann auf die beiden freien Plätze ind hat die Beine sooooo breit, dass die mich noch berühren. Damals habe ich mich noch nicht getraut etwas zu sagen…leider :(

  10. Besonders frustrierend ist es, die Entwicklung dieser Breitmachmackerei bei den eigenen Söhnen zu beobachten. Nach meiner Beobachtung sind die körperlichen Aspekte vor allem beim ersten Sohnemann nicht ganz so klar zuzuordnen und wahrnehmbar – aber spätestens beim Zweiten und Dritten wird es sehr deutlich und ist nicht mehr wegzudiskutieren.

    Beim Ersten fiel mir zunächst lediglich auf, dass Raumstrategien schon sehr früh sehr wichtig waren und dabei immer wieder die Grenzen ausgetestet wurden. Bsp: Wer sitzt auf dem begehrtesten Platz am Tisch? Später im Grundschulalter war dann immer wieder zu beobachten, dass ein nebeneinander gehen schwieriger wurde, sondern Sohnemann immer wieder so vor mir lief und dann bremste, dass er mich ausbremste, wenn ich ihn nicht umlaufen wollte. Außerdem wurde der Erzählton immer lauter und damit akustisch raumgreifender. In der Pubertät nahm das Ganze dann jeweils so überhand, dass es im Flur oder in der Küche zu regelrechten Rempeleien kam, wenn ich nicht auswich. Die Gesprächslautstärke war für Schwerhörige bestens geeignet.

    Und das alles, trotzdem der Vater gerade nicht so auftritt und ich keine Mühe scheue, um diesem Verhalten entgegenzutreten. Da merkt man als Eltern wie hochwirksam der Einfluss jenseits des Elternhauses ist. Zu beobachten war über die gesamte Zeit des Aufwachsens, dass die Sohnemänner durch das Machogehabe anderer Jungs selbst erheblich unter Druck gerieten und ihnen deren dominante Raumstrategien sehr zu schaffen machten.

  11. Kenn ich nur zu gut, die Situation.
    Reagiere da auch ganz unterschiedlich drauf.
    Ein „Nimmst du dein Bein da weg! Du bist schon auf meiner Seite“ hilft leider auch nicht immer. Das heisst aber trotzdem nicht, dass ich damit aufhöre, weil es in den meisten Fällen eben doch funktioniert.

    Ich gebe aber auch strike recht. Habe auch desöfteren beobachtet, wie es dieses Gerangel auch unter Männern gibt. Sprich es gibt auch Männer, die sich von diesem Verhalten anderer Männer gestört fühlen. Dennoch weichen sie sich gegenseitig eher aus, als die Bedränger es bei Frauen tun.

    Typisch ist auch, dass zwei Männer, die zusammen unterwegs sind, jeweils 4 Sitze (oder 2 je nach Bestuhlung) auf einmal beanspruchen. Da kommts auch häufig genug vor, dass man gezwungen ist neben einem Mann sitzen. Dann auch noch neben denen der unangenehmen Sorte.

    Vielleicht müsste man mal ein Kunst-/Protestaktion in öffentlichen Verkehrsmitteln starten. Wo mindestens fünf demonstrativ klischeeweiblich angezogene Frauen breitbeinig dasitzen und Männer (die evtl zur Truppe gehören) mit den Beinen oder sonstwie bedrängen. Dinge sagen wie „Huch, hab ich da etwa in Ihren Schritt gegriffen? Ist ja auch so eng hier.“ usw.

  12. In einem voll besetzten Bus bin ich einmal Zeugin einer Hand-unter-Po-Situation geworden. Die Dame hat den Grabscher aber sehr effektiv zurechtgewiesen, indem sie lautstark verkündete: „Wenn ihre Finger kalt sind, dürfen Sie sich eine Weile an meinem Kaffe festhalten, aber mein Hintern ist kein Heizkissen.“ Der Angesprochene stand mit hochrotem Kopf auf, murmelte etwas von „Versehen“ und stieg an der nächsten Haltestelle aus.

  13. Ich mache es so wie Sandra. Ich habe ehrlich gesagt genug andere Dinge zu tun, als dass ich in der UBahn oder im Bus auf solches Verhalten höflich und bedacht reagieren möchte. Ich mache mir Platz! Ich gucke sauer, mache abfällige Bemerkungen, schupsse und schiebe.

    Ich kann auch höflich, aber das nur bei Leuten, die mir gegenüber so viel Respekt mitbringen, dass sie mir so eine übergriffige Situation nicht zumuten.

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