Bitte nicht lächeln: Zur AfD

CdcaGPUWoAAzrsVEs ist Sonntagabend. Heute haben Menschen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt über neue Landesparlamente entschieden. In jeden der Landtage wird – so die ersten Hochrechnungen – die „Alternative für Deutschland“ (AfD) dank zweistelligem Prozentsatz einziehen; in Sachsen-Anhalt hat sogar fast jede_r Vierte die AfD gewählt. Hat man nach dem Erfolg der AfD bei den Kommunalwahlen in Hessen letzte Woche noch Nichtwähler_innen dafür verantwortlich gemacht (und nicht diejenigen, die die AfD und andere rechte Parteien wählten…), wird dieses Mantra für die drei Landtagswahlen schwierig. In jedem Bundesland lag die Wahlbeteiligung zum Teil weit über dem Schnitt der letzten Landtagswahlen vor fünf Jahren. Eine Analyse der „Forschungsgruppe Wahlen“ zeigt, dass zum Beispiel in Sachsen-Anhalt vierzig Prozent des Gesamtanteils an AfD-Stimmen von ehemaligen Nichtwähler_innen kamen. Dass siebzehn Prozent der AfD-Wähler_innen in Sachsen-Anhalt 2011 noch „Die Linke“ gewählt hatten, illustriert dabei übrigens die Querfrontstrategie, die sich Parteien gerne mit rassistischen und antisemitischen Parolen auf die Fahnen schreiben. Dass „Protestwählen“ in Deutschland immer nur „extrem rechts wählen“ heißt, ist wiederum ein Hinweis auf das im Folgenden angesprochene Problem der Diskriminierungsfreude der Gesellschaftsmitte.

Aber klären wir gleich Folgendes: Die AfD ist eine extrem rechte Partei. Sie versammelt Rassist_innen, Antisemit_innen, Geschichtsrevisionist_innen, völkische Nationalist_innen und (Hetero- und Cis-)Sexist_innen.

Laut des Grundsatzprogrammentwurfs der AfD möchte diese Partei den Paragraphen 218, der Schwangerschaftsabbrüche illegalisiert, aber unter bestimmten Bedingungen straffrei hält, verschärfen (was wohl heißt, Abtreibungen zu verunmöglichen). Die AfD möchte das Schuldprinzip bei der Scheidung wiedereinführen, „selbstverschuldeten“ Alleinerziehenden keine Unterstützung gewähren, und „Familie“ ist für AfD gleichbedeutend mit der völkischen-verstandenen Einheit „Cis-Hetero-Ehe mit Kindern“. Die AfD möchte „Geschlechter-Forschung“, Klimaschutzpolitik und das (bereits ausgehöhlte) Grundrecht auf Asyl abschaffen und die Wehr- und Dienstpflicht für Männer_Frauen (wieder-)einführen, hat verschiedene Ideen für einen „law and order“-/Überwachungs-Staat und möchte Arbeiter_innen-/Arbeitnehmer_innenrechte sowie Sozialleistungen noch weiter einschränken. Das alles ist en detail vielleicht unbekannt, kann aber nicht überraschend sein: Die AfD redet öffentlich und beständig über ihre Ziele; die AfD predigt gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, und zwar nicht nur, wenn von Storch gerade wieder „die Maus ausgerutscht“ ist. Nadia schrieb dazu:

Facebook

[„Die Leute wählen deshalb rechtspopulistisch, weil sie Rechtspopulismus voll in Ordnung finden. Die Leute wählen rassistische Parteien, weil sie Rassismus voll in Ordnung finden. Rassismus in Ordnung finden heißt, dass es ziemlich egal ist, was die Geschichte eine_n so lehren könnte. Und, dass es ziemlich egal ist, ob man sich vorher informiert hat, was man da wählt. Die Leute wissen, welche menschenfeindlichen Inhalte die AfD vertritt – und wollen genau das haben.“]

Die AfD ist eine extrem rechte Partei. Sie wird nicht aus „Unwissenheit“ gewählt. Das Programm, die Ideologie, die Debattenmächtigkeit, die Wahlerfolge der AfD haben ganz konkrete Auswirkungen auf Menschen, die nicht in das als deutsch definierte Bild der Partei und ihrer Anhänger_innen passen (wollen). Oftmals geforderte „Zivilcourage gegen rechts“, antirassistischer_antifaschistischer Aktivismus wird derweil durchgängig kriminalisiert.

Und jetzt werde ich noch feministisch-humorloser: Genau wegen alldem finde ich AfD-Scherze nicht (mehr) lustig. Es gibt hier nichts zu lachen (und das schon lange nicht mehr für Marginalisierte). „Tortaler Krieg“ ist ein ekliger Hashtag. Eure Stand-Up-Routinen zu Petry et al. könnt ihr euch sparen, weißdeutsche Cishet-Böhmermanns, wenn das schon alles ist, was ihr an Engagement zu bieten habt. Mit Klassismus und bildungsbürger_innenlichen Abgrenzungsversuchen durch Lächerlichmachung von Namen/formalen Bildungsgraden/Körpern, etc. der AfD-Anhänger_innen wird ebenso nichts erreicht.

Ich finde es faszinierend, wie nach einem polizeilich umpflegten, (extrem) rechten 3000-Personen-Marschs durch die Berliner Innenstadt, nach wiederholten zweistelligen AfD-Ergebnissen, nach hunderten von Brand-_Mordanschlägen und rassistischer Gewalt im letzten und in diesem Jahr und nach einem erneuten (gescheiterten) Bombenanschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft Leute darauf immer noch mit Scherzen reagieren können.

Selbstschutz, Abwehrmechanismus, coping strategy – ich kann es nachvollziehen. Ich kann es aber nicht mehr akzeptieren. Denn wer noch scherzen kann, der_die kann das aus Gründen. Vor allen Dingen aus dem Grund, keine Angst vor unmittelbarer Gewalt durch AfD-Anhänger_innen und Dunstkreis erfahren zu müssen. Aus dem Grund, sich nicht Sorgen machen zu müssen, ob man morgens zum Hauptbahnhof kann und ab wann dort Fascho-Trupps unterwegs sein könnten. Aus dem Grund, nicht aufgrund der eigenen (nicht-)geschlechtlichen Identität oder des Begehrens Angst im öffentlichen Raum haben zu müssen. Aus dem Grund, einen Pass zu besitzen, der einer_einem relative Reisefreiheit ermöglicht und somit auch Scherze über „Auswandern“ leichter machen kann. Aus dem Grund, nicht wegen einer Kippa beleidigt, bedroht, bedrängt, geschlagen, ermordet zu werden.  Aus dem Grund, nicht durch eine Behinderung als „volkskörperschädigend“ zu gelten im Weltbild der AfD und anderer extrem Rechter.

Fortgesetzte Witze über die AfD muss man sich leisten können. Dies illustriert mangelnde Empathie mit Leuten, die von AfD-Politiken, den langjährigen Politiken, die andere Parteien nun noch weniger kaschieren als zuvor oder sich schlicht direkt von der AfD abgucken (siehe z.B. die zweimalige Verschärfung des Asylrechts in diesem Jahr) und der gesellschaftlichen Mitte, die all das ermöglicht, unmittelbar negativ betroffen sind.

Ich bin also eine dieser „Privilegienchecker_innen“, von denen man momentan so viel hört. Ich wünschte, manch andere_r wäre es auch.

29 Kommentare zu „Bitte nicht lächeln: Zur AfD

  1. Danke für den Text. Ich fand diese hilflose Witzeln schon länger befremdlich, konnte aber nicht genau formulieren, was mich daran so gestört hat.

  2. Danke für den Artikel. In Stuttgart stand bei der CDU als Kandidatin Donate Kluxen-Pyta. Ich kann mit ihr oder Partei nichts anfangen, aber dabei haben einige Linke Freunde von mir ihren Sexismus und ihre bösartige Ignoranz beweisen. Danke dir den Artikel, der hilft meinen Gedanken Worte zu geben danke ich denen besser kontra geben kann.

  3. Menschen ihre Bewältigungsstrategien mit der Scheiße um sie herum abzusprechen ist anmaßend, zu kurz gedacht und schafft nur neue Zerwürfnisse in einer Linken, die selbst endlich mal aus der Geschichte lernen und über die internen Grabekämpfe hinwegsehen sollte.

    Der Kritikpunkt ist durchaus angemessen. Wie er formuliert wird führt nur zu Stagnation.

    „Denn wer noch scherzen kann, der_die kann das aus Gründen.“
    Nope. auch ohne bestandenen privilegiencheck gönn ich es mir. um nicht ganz unterzugehen. und das mit dem auswandern ist schon lange kein witz mehr.

  4. @Mareen: Danke für die wunderbare Illustration mangelnder Empathie, während woanders Geflüchtetenunterkünfte brennen (und tausende Neonazis munter durch Berlin marschieren, weil vielleicht manche Aktivist_innen mit dem Witze-Schreiben darüber beschäftigt waren?) – das gönnste dir, und um dich persönlich und dein allgemeines Wohlbefinden geht’s hier auch vorrangig, nech. Über z.B. als nicht-deutsch-Definierte jagende Mobs zu scherzen ist natürlich Self-Care für nicht von Rassismus Betroffene, während sie sich auf’s Auswandern vorbereiten – ich vergesse das manchmal. #Kartoffellinke

  5. Die AFD macht mir persönlich Angst, seit sie existiert, also schon seit Lucke. Die haben niemals darüber hinweg getäuscht, was sie eigentlich wollen und statt sich mit dem eigentlichen Problem zu beschäftigen, den gut integrierten Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft, wurden lieber Witze gerissen.

    Diese Partei besteht aus den übelsten Kombinationen aller Colleur. Sogenannte Lebensschützer, alte NPD Mitglieder (die schon lange ihr sinkendes Schiff verlassen haben) und nicht zuletzt all die Leute, die weiterhin das Gefühl haben wollen, dass sie durch ihre Geburt einfach besser sind als andere.

    Es ist für mich unbegreiflich wie man ein solches Konstrukt wählen kann.

  6. Ich weiß ja nicht.

    „Ich finde es faszinierend, wie nach einem polizeilich umpflegten, (extrem) rechten 3000-Personen-Marschs durch die Berliner Innenstadt, nach wiederholten zweistelligen AfD-Ergebnissen, nach hunderten von Brand-_Mordanschlägen und rassistischer Gewalt im letzten und in diesem Jahr und nach einem erneuten (gescheiterten) Bombenanschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft Leute darauf immer noch mit Scherzen reagieren können.“

    – Ich persönlich finde es schon faszinierend, dass die meisten ausreichend reflektierten Leute noch Bock haben, morgens aufzustehen. Klar, Witze können verletzen. Witze helfen einem aber auch, durch den Tag zu kommen. Sicher, sexistische oder rassistische Witze – auch gegenüber Sexisten und Rassisten – gehen nicht. Aber ich scherze nicht nur, weil ich es als Kartoffel noch kann, ich kann auch noch, weil ich scherze.

    Abseitige akademische Anekdote am Rande: Die Zeitschrift für Ideengeschichte hat ihren letzten Band der Idee der Party gewidmet. Darin findet sich auch eine Beschreibung einer der letzten Institutsfeiern im Institut für Sozialforschung in Frankfurt vor der Machtergreifung. Auch diesen Leuten, von denen ein Großteil nach dem Krieg tot war, kann ich ihren Spaß und ihre Witze – auch über diesen Herrn Hitler – nicht verdenken.

  7. @Fred: „Aber ich scherze nicht nur, weil ich es als Kartoffel noch kann, ich kann auch noch, weil ich scherze.“ Das freut mich für dich. Nur um dich geht es hier.

    Zur „abseitigen akademischen Anekdote“: Ist das dein Ernst, das mit dem (und denen) im Text Kritisierten zu vergleichen? Wow…

    Übrigens: „Machtergreifung“ ist ein mythenperpetuierender Nazi-Terminus. Wählen alleine hilft hierzulande bekanntlich nicht gegen Faschismus.

  8. Hierzu ist ein Text auf dem Verfassungsblog erschienen, der aus anderer Perspektive andere gute Gründe nennt, warum Witze nicht die richtige Antwort auf Sonntagabend sind:

    http://verfassungsblog.de/fuenf-thesen-zum-wahlerfolg-der-afd/

    Nur an die Lösung, die da vorgeschlagen wird (Europa), glaube ich nicht. Was mich zu der Frage bringt, wie denn die Lösung sonst aussehen soll, wenn praktisch auf dem ganzen Kontinent (und in den anderen Ländern der „westlichen Welt“ gleich mit dazu, siehe Australien, siehe Trump) AfD und ihresgleichen mehr und mehr Raum gewinnen. Ich würde ja sogar gerne den Auswanderungsscherz machen. Ich wüsste nur gar nicht, wohin ich auswandern sollte, wenn ich das privat und beruflich könnte.

  9. Ich lache, weil ich Lachen in diesem Zusammenhang als Waffe auffasse. Ich lache über meine Familienmitglieder, die – selber untere Mittel- bis sog. ‚bildungsferne Unterschicht‘, die aber jede Gelegenheit nutzt, um nach unten zu treten – sich ihre eigene Lebensgrundlage wegwählen. Diese Leute sind nicht sonderlich gebildet, aber die sind nicht dumm. Ich erwarte von ihnen, dass sie wissen, was sie da tun. Und mein böswilliges Lachen, wenn ich ihnen runterbete, wofür und wogegen genau sie da stimmen, trifft sie, wo es wehtut.

    Ähnlich lache ich Wutbürger aus, die die AfD wählen, weil sie das Gefühl haben, nicht mehr der Nabel der Welt und das Maß aller Dinge zu sein. Nicht, weil ich diese Leute komisch finde. Ganz und gar nicht. Die machen mir Angst und bedrohen viel von dem, was mich ausmacht. Viel mehr noch bedrohen sie Leute, die mir unheimlich wichtig sind. Ich lache dieses AfD Pack aus, um deutlich zu machen: Ihr seid niemandem überlegen, und ihr seid ganz bestimmt nicht das Volk, das ihr da beschreit. Ihr seid erbärmlich.

  10. @Millie: OK, Du lachst Leute aus. Da stellen sich mir direkt folgende Fragen: Ausser deiner Genugtuung und der unzutreffenden (und klassistischen) Vorstellung, dass alle oder die meisten rechten Wähler_innen schlicht „ungebildet“ seien (die AfD hat, konträr dazu, viele Freund_innen in der Neuen Rechten) und man ihnen geistig überlegen sei (hier sei noch angemerkt, dass Leute sich gerne die materielle Lebensgrundlage wegwählen, während sie auf die ideellen Wert einer gruppenspezifischen „Überlegenheit“, z.B., weißdeutsch zu sein, vertrauen/diese ihnen wichtiger ist – da stehen also durchaus Überlegungsprozesse dahinter), was kommt dabei konkret heraus? Was ist an (alleinigem) Lachen der Aktivismus?

    Wählen die Leute, denen Dein Lachen wehtut, wie Du sagst, deshalb nicht mehr die AfD? Denken sie wegen Deines Lachens nicht mehr in rassifizierten, antisemitischen, ableistischen Kategorien? Sind die Leute, die von der AfD und anderen extremen Rechten bedroht werden und Dir wichtig sind, danach weniger bedroht? Fühlen sich die Leute, die Du auslachst, danach weniger als nicht-als-deutsch-Definierten „rassisch“ [sic] überlegen? Und ist das Volk [sic], das der AfD dank verankertem Rassismus, Antisemitismus, (Cis- und Hetero-)Sexismus, Ableismus, Neoliberalismus, Wahlerfolge beschert, dann weniger völkisch?

    Wie man darauf kommt, dass die AfD nicht das Volk sein solle, wenn sie höhere Wahlerfolge als „Volksparteien“ erzielt, wenn hunderte Anschläge verübt werden, wenn man tausende Nazis, aber nicht einmal halb so viele „engagierte Bürger_innen“ auf die Straße bekommt, etc., ist mir übrigens ein Rätsel. Das ist das Volk.

  11. Hallo Accalmie,

    bringt es etwas, Demos zu blockieren? Bin ich auch dabei – aber ganz ehrlich, denken die Leute danach anders?

    Wenn ich Leute auslache, dann führt das meiner Erfahrung nach zumindest kurzfristig schon dazu, dass Positionen hinterfragt werden. Spätestens, wenn meinem Gegenüber die Argumente ausgehen. Und nach Argumenten suchen sie, weil sie das Gefühl bekommen, sie rechtfertigen und verteidigen zu müssen. Es zwingt Leuten eine defensive Position auf. Hält der Effekt lange an? Leider nein. Dafür gibt’s zu viele von denen. Die bestätigen sich anschließend wieder gegenseitig.

    Selbst wenn sie nicht umdenken, kostet sie ihre politische Meinung wenigstens etwas. Nämlich meine Achtung. Was immer das wert sein mag.

    Ist das Aktivismus? Weiß ich nicht. Ich habe von Aktivismus keine Ahnung. Mit geht es darum, dagegen zu halten, und diese Leute nicht in dem Glauben zu lassen, es seien alle (die sie auf den ersten Blick in ‚ihrer‘ Gruppe wähnen) ihrer Meinung.

    Zum Volk: Jap, sind gruselig viele. Aber ich weigere mich, überhaupt auf diesen ‚deutschen Volks‘-Zug aufzuspringen. Das Volk, was da beschrien wird, gibt’s nicht. Zweitens: Ich weigere mich, denen irgendeine Form von Definitionsmacht zu überlassen. Wenn die sagen, sie sind das Volk, halte ich schon aus Prinzip dagegen.

  12. Ich danke für diesen Beitrag. Das ist genau das, was ich seit Wochen, bzw Monaten schon denke.
    Ich finde das ganze alles andere als witzig. Liegt es daran, dass ich aufgrund meines Aussehens und der Herkunft meiner Eltern Angst haben muss, oder schlicht und einfach daran, dass es nicht lustig ist?
    Spätestens seit gestern bringen mich die tollen Auswanderungssätze wirklich zur weißglut, oder fast schon zum weinen, denn Bekannte, ohne d. Nationalität planen gerade ihren Umzug hier weg. Aus Angst!

  13. Hallo Millie, da werden wir nicht zusammenkommen. Mir geht es um nämlich um Aktivismus, mir ist die Frage, ob Demos blockieren etwas bringt, wenn Neonazis durch Kieze laufen oder dann eben nicht, unverständlich, und mir geht es nicht um die AfD-Fremdzuschreibung dessen, was das „Volk“ sein soll, sondern um die Geschichte des Volksbegriffs hierzulande und der für mich falschen Vorstellung, dass man positiv darauf Bezug nehmen könnte oder sollte angesichts der (traditionellen) Verhältnisse.

  14. „und mir geht es nicht um die AfD-Fremdzuschreibung dessen, was das „Volk“ sein soll, sondern um die Geschichte des Volksbegriffs hierzulande und der für mich falschen Vorstellung, dass man positiv darauf Bezug nehmen könnte oder sollte angesichts der (traditionellen) Verhältnisse.“

    Okay, das trifft’s besser, da hast Du recht. Besonders mit der zweiten Hälfte. Danke dafür. Die Geschichte des Volksbegriffs werde ich mir mal anschauen.

  15. Accalmie, ich danke dir für deinen Artikel und deine Kommentare!

    Mich hat die Nazi-Demo am Samstag auch sehr erschrocken und ich habe mich genau so gefragt, wo die ganzen Linken sind bzw. die, die gegen Rechtsradikale sind, abgeblieben sind. Es gab ja – wie so oft – sogar feines musikalisches Pausen- und Warte-Entertainment durch Torkel T und andere, und trotzdem war nur ne recht spärliche Anzahl an Gegenprotestler*innen da. Soll man vielleicht noch ein kaltes Buffet anbieten, damit sich die Leute bequemen, auf die Straße zu gehen? Ich kenne so einige Menschen, die zwar nicht in der Linken organisiert sind, die aber trotzdem keinen Bock auf die AfD und andere rechte Bewegungen haben. Dennoch kommen die seltsamer Weise nicht auf die Idee, dass es auf sie selbst ankommt, diesen erschreckenden Entwicklungen entgegen zu wirken. Aktivismus oder Demo-Teilnahme kommen bei Vielen gar nicht als Handlungsoption in Frage. Gruselig.

    Wenn man sich dann noch die Kommentarspalten dieser ganzen -istischen Facebook-Seiten anschaut, die „rhetorische Perlen“ von Afd-Anhänger*innen posten, dann wird mir sehr schnell klar, dass die meisten einfach null Plan und auch wenig Motivation haben, was herrschaftskritischen Widerstand gegen faschistoides Gedankengut angeht. Da wird doch viel zu oft mit Genuss Herrschaft ausgeübt.

  16. Der Unmut, der hier durch die Kommentarspalte sickert, hat sicherlich was mit ‚Privilegiencheck‘ zu tun. Es sollte eigentlich klar sein, dass im dümmlichen Witzeln über Doppelnamen, über mangelhafte Bühnenperformance von AfD-Mitgliedern und natürlich über Sahne auf biedermeierlichem Kostüm und bedröppeltem Gesichtsausdruck ein großes Stück Hipster-Sexismus/Hipster-Rassismus stecken. Dies anzugreifen ist richtig und wichtig und verärgert selbsternannte Stand-Up-Comedians.
    Allerdings würde ich ‚Lachen‘ nicht so monokausal als ein Feature betrachten, dass man sich erstmal leisten können muss. Ja klar, ich erlebe tagtäglich Sexismus, manchmal auch Rassismus, je nachdem wo ich mich aufhalte und wie ich wahrgenommen werde. Ich will mir aber meinen Humor bewahren, weil darin Macht und Sprengkraft stecken, ich will nicht, dass er von Ängsten aufgefressen wird. Jenseits der zurecht angesprochenen Privilegienebene geht es damit um eine Aneignung von Humor. Lachen/Ironie verstehe ich damit als eine Form der Subversion, die in vielen Kontexten gerade den Marginalisierten geholfen hat: seien es nun jüdische Witze oder iranische Comedy gegen das Mullahregime.
    Dabei alleine darf es nicht bleiben, ansonsten wäre die AfD einfach nur ein weiteres Betätigungsfeld für eine recht schlichte humoristische Praxis. Lachen und weitergehen. Das sehe auch ich als Gefahr, denn das lässt tiefergehende Kritik möglichweise verstummen und nimmt Raum für die Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit, die es braucht, um z.B. der AfD entschlossen entgegenzutreten. Humor alleine reicht nicht, und ist in seiner oberflächlichen Form mehr Problem als Lösung. Humor in seiner Form als Kommunikationsguerilla ist jedoch eine wichtige Widerstandspraxis, die aber nicht alleine stehen kann, sondern von anderen Praxen begleitet werden muss: direkte Aktionen, politische Analyse, Konfrontation in Interviews.

  17. @Franziska: An einigen Punkten stimmen wir überein, an anderen bin ich verwundert, wie Du den Text interpretierst. Der Text hat eine ganz bestimmte Ausrichtung, da er ein ganz bestimmte Personengruppe kritisiert. Die Vergleiche mit der Humorgeschichte jüdischer communities oder iranischen Comedy gegen das Mullahregime finde ich daher unfassbar daneben.

    Ich kritisiere Leute, die es sich hierzulande mit Witzen über die AfD bequem machen können, weil sie von der AfD nichts (oder wenig) zu befürchten haben bezüglich Leib und Leben (und darum geht es hier: Es geht um existenzielle Fragen für viele Menschen, siehe z.B. Lyiis Kommentar, nicht (nur) um politische Gestaltungsdifferenzen), die sich lieber einen Scherz über Petry „gönnen“, statt sich zum Beispiel (und es gibt viele Möglichkeiten des Aktivismus‘) an Demos zu beteiligen, antirassistischen_antifaschistischen Aktivismus zu unterstützen, mehr als nur „tortaler Krieg“ zu tweeten, etc., also die – ich zitiere aus dem Text – weißdeutschen Cishet-Böhmermanns, die ausser Stand-Up nichts zu bieten haben, während nebenan schon wieder eine Geflüchtetenunterkunft brennt. Wie man das mit Humor als einer Überlebensstrategie in unterdrückten communities vergleichen kann, ist mir unverständlich. Es geht um die Leute, die eben nicht marginalisiert sind.

    Doch auf einmal sind hier alle Charlie Chaplins und Kurt Tucholskys, und erkennen sich in ihren Witzeleien über die AfD wieder als existenziell bedrohte Satiriker_innen (man findet gar Selbstvergleiche mit im Nationalsozialismus bedrohten und ermordeten Autor_innen/Satiriker_innen, um selbst weiter AfD-Witze machen zu können – man lasse sich das mal auf der Zunge zergehen…), während diejenigen, die tatsächlich bedroht sind, auf keinerlei Empathie oder gar Unterstützung hoffen können – jedenfalls niemals über Phrasen hinaus.

    Genau deshalb habe ich z.B. von Privilegien geschrieben: Es sind nicht alle gleich betroffen von der AfD. Die AfD nicht Ernst nehmen können nur ganz bestimmte Leute. Und genau deshalb habe ich im Text versucht, das in einen Kontext zu stellen: Es geht ja nicht nur um die AfD. Es geht um gesellschaftliche Verhältnisse, in denen jede Nacht eine Geflüchtetenunterkunft brennt. So zu tun, als säßen „wir“ hier alle im gleichen (lustigen) Boot, ist perfide. Das Abstellen darauf, dass andere Leute ja auch lachen, ignoriert den Kern des Problems: Wer sind diese Leute und worüber lachen sie? Wer sind die Leute hier, die über die AfD (nur) lachen? Es geht mir um Leute, die 1. AfD-apologetisch unterwegs sind, weil sie in der AfD ein Protestwahl-Phänomen „Ungebildeter“ sehen und sich über jene lustig machen, und/oder 2. Leute, die Humor als Widerstandspraxis verstehen, sich aber als gleich betroffen mit allen anderen und darüber ein Unterdrückungsverhältnis imaginieren, und das, wie Du schreibst, nicht von anderen Praxen begleitet ist (deshalb steht im Text auch: „wenn das schon alles war, was ihr an Engagement zu bieten habt“ – es geht hier also um eine Relation zu anderen Formen von Engagement).

    Also ja: Wenn Humor, dann bitte von anderen Praxen begleitet. Und doch: Zugleich bleibt mir das Lachen im Hals stecken, wenn weißdeutsche Cishet-Böhmermanns über die AfD scherzen – die Frage ist für mich also nicht nur die Praxenausformung und – kombination, sondern eben das, was im Text kritisiert wird: Wer kann noch lachen und warum? Wann wird immer noch gelacht? Ich habe geschrieben, dass ich Witze über die AfD und Dunstkreis „nicht (mehr)“ lustig finde. Das führt wieder zurück auf den Kontext der exponentiell angestiegenen rechten Gewalt – wie lange wollen Leute eigentlich lachen? Bis wohin? Bis zum ersten Mord (nach den Morden in Mölln und den NSU-Morden…)? Auch scheint den neuen Satiriker_innen nie aufzufallen, wer genau sich denn (allein) „humoristisch“ und wer sich besorgt äußert und wer nicht, siehe z. B. die ganz und gar unbelustigten Statements von Vertreter_innen des Zentralrats der Juden. Klingelt da bei manchen Leuten wirklich gar nichts? Und um unpassende Vergleiche noch einmal aufzugreifen: Tucholsky und Chaplin haben beide an bestimmten Punkten aufgehört, Witze zu machen (mit sehr bitteren Konsequenzen bei Tucholsky; Chaplin hat später geschrieben, er hätte den Film 1940 nicht gedreht, hätte er zu der Zeit die Ausmaße der Shoah erahnen können – ich möchte letztere keinesfalls mit der momentanen Situation vergleichen; ich möchte damit sagen, dass die hochgehaltenen AfD-Witz-Legitimierungs-Exempel keine solchen sind). Für mich ist dieser Punkt heute und hier schon lange erreicht, aus den oben genannten Gründen. Wer sollte sich vielleicht fragen, wie er_sie diejenigen, die es nicht mehr können, ganz konkret unterstützen kann? Wer sollte sich fragen, ob das schon alles an antirassistischem_antifaschistischem „Aktivismus“ war, den er_sie zu bieten hat?

    @Hotzenplotz: Danke!

  18. Den Bezug auf jüdischen Humor und iranische Comedy möchte ich nicht als ‚Entlastungsderailing‘ verstanden wissen. Wo bitte habe ich hier einen Vergleich gezogen? Ich habe ja gerade _nicht_ geschrieben: Weil Tucholsky dies tut, sind Tortenwitze automatisch okay.
    Mir geht es vielmehr darum, zu fragen, wann, unter welchen Umständen und aus welchen Perspektiven Humor eine kluge Strategie sein kann, und die genannten Beispiele sind nur einige Situationen, die das Potential zeigen. Nur als Facebook-Aktivismus, nur als bequemes ‚Lachen-über‘, nur als neues geldwertes Bühnenprogramm jedoch sicherlich nicht, das reicht nicht, und für ‚Allies‘ oder die, die es gerne sein möchten, erst recht nicht.
    Man kann deinen Text aber sehr leicht als sehr grundsätzliche Ablehnung – du sprichst von ‚Nichtakzeptanz‘ der Humorebene verstehen. Dein Kommentar verdeutlicht, dass das offensichtlich nicht so ist, danke dafür!

  19. @Franziska: Danke für die Klärung – der Hinweis mit unpassenden Vergleichen war etwas unfairerweise in meiner Antwort nicht nur an dich gerichtet, sondern auch Antwort auf einige gruselige Kommentare, die ich sonstwo las (oder die es in diesem Blog nur in den Papierkorb schafften, da sie ihre AfD-Witze mit „The Great Dictator“ oder eben jene weißdeutschen Cishet-Böhmermanns – meist sich selbst – mit Tucholsky verglichen o.ä., siehe bereits meine ungläubige Nachfrage an Fred). Bezüglich der „Nichtakzeptanz“ von Humor: Im Text steht: „Selbstschutz, Abwehrmechanismus, coping strategy – ich kann es nachvollziehen. Ich kann es aber nicht mehr akzeptieren. Denn wer noch scherzen kann, der_die kann das aus Gründen.“ Zuvor wird auf die rechte Gewaltwelle (und rechten Normalzustand) hierzulande aufmerksam gemacht. Es geht also um Reaktionen innerhalb dieses Kontexts und um die Fragen, von wem sie kommen und warum, warum die AfD und Fans nicht zum (Weg-)Lachen sind und warum man auch einfach mal erkennen oder zugeben könnte, dass all das nicht (mehr) lustig ist.

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