Barcamp Frauen: „So offen und basisdemokratisch wurde bei der SPD noch nie diskutiert“

Die Mädchenmannschaft war am Samstag beim Barcamp Frauen in der Kalkscheune in Berlin und mischte selbst bei zwei Diskussionsrunden mit: Verena bot eine Session zum Thema „PorNO oder PorYes“ an und Nadine und ich entschieden spontan, eine Runde zum Thema „Herrschaftskritische Räume und Ladyfeste“ zu eröffnen.

Simultan mitgezeichnet hat Annalena (annalenaschiller.com)
Simultan mitgezeichnet hat Annalena (annalenaschiller.com)

Um 9 Uhr kamen die Ersten der insgesamt rund 100 Teilnehmer_innen in der Kalkscheune an und stimmten sich in kleineren Gesprächsrunden auf das Barcamp ein. Die Themen wurden vor Ort teilweise spontan festgelegt und waren recht vielfältig: Vormittags ergaben sich Sessions zu „Prostitution in Berlin“, „Familienpolitik“, „PorNo oder PorYes?“, „Weibliche Vorbilder in der Politik“ und zu der etwas provokanten Frage: „Frauen, was wollt ihr eigentlich?“. Nach der Mittagspause legten wir gemeinsam neue Themen für den Nachmittag fest, die sich teilweise aus unbeantworteten Fragen oder Themenkomplexen vom Vormittag ergaben. Diskutiert wurde zu „Antisexistische Umgangsformen“,  „Analbleaching“ (oder: Intim-Chirurgie als neuester normativer Schönheitsboom), „Herrschaftskritische Räume und Ladyfeste“ und erneut zum Thema „Prostitution“. Auf Grund von großem Interesse gab es am Ende noch eine gemeinsame Session aller Teilnehmer_innen zu „Mode und Feminismus“ von Tessa (flannel apparal).

Die Stimmung war locker, die Gesprächsrunden lebendig und teils kontrovers, gelacht wurde viel und die meisten befanden: Obwohl niemand ein Thema grundlegend vorbereitet hatte, konnte man durch die Diskussionen Neues lernen und mit interessanten Denkanstößen nach Hause gehen. Bei einigen Themen fehlte allerdings das Fachwissen, wie einige Teilnehmerinnen laut Vorwärts anmerkten.

Die Kritiken zum Barcamp waren überwiegend positiv: Ein Konzept, dass keine Themenschwerpunkte vorgibt, lässt viel Raum für die Anwesenden, eigene Interessen zu diskutieren. Politisch interessierte Menschen, die sonst „nur“ Zuhörer_innen sind, konnten so aktiv Themen vorschlagen und Diskussionen anregen. Obwohl nicht als SPD-Veranstaltung konzipiert, blinkte das rote Label dennoch durch, nicht zuletzt durch die Eröffnungsrede der SPD-Bundesgeschäftsführerin Astrid Klug. Interessant jedoch: Besonders jene, die parteipolitisch organisiert sind, befanden: So offen und basisdemokratisch wurde bei der SPD noch nie diskutiert. Ein weiterer Kritikpunkt war die Zusammensetzung der Teilnehmer_innen. Wenn ein Publikum fast ausschließlich aus weißen, jüngeren Akademikerinnen besteht, stellt sich die Frage, was am Konzept oder an der (An-)Sprache geändert werden kann, um ein zukünftiges Barcamp inklusiver zu gestalten.

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16 Kommentare zu „Barcamp Frauen: „So offen und basisdemokratisch wurde bei der SPD noch nie diskutiert“

  1. und was kam beim thema „Herrschaftskritische Räume und Ladyfeste” raus?

    und von der deutschlandfahne im zentrum wird mir etwas schlecht ;)

  2. @schokolade

    was meinst du mit: „was kam raus?“ Wir haben diskutiert, wie sich solche Räume gestalten lassen und welche Probleme es bei der Umsetzung gibt, beispielsweise Barrierefreiheit in linken/alternativen Wohnprojekten, Öffnung weißer Räume für nicht-weiße ohne Spiegelung/Reifikation/Reproduktion von Rassismen, etc.pp. Ich kann dir also keinen Stand der Dinge oder Best Way aufzeigen…

  3. @ schokolade

    Wir haben Ladyfeste als ein Beispiel von herrschaftskritischen Räumen genannt, bei denen aber selbstverständlich auch nicht alles perfekt ist: Die Etablierung von Barrierefreitheit (und das meine ich im weitesten Sinne) kann selbst für jene Gruppen schwierig sein, die sich und ihre Privilegien stets hinterfragen. Die Praxis beweist leider oft: Viele Orte sind nicht für Rollstullfahrer_innen zugänglich (insbesondere linke_queere Hausprojekte) und nicht in allen Kontexten fühlen sich alle Menschen gleichermaßen wohl/willkommen. Ebenfalls haben wir uns gefragt, wie mensch (An-)Sprache, Inhalte und Örtlichkeiten reflektieren sollte, wenn mensch eine Veranstaltung plant – denn das kann Konsequenzen für die Zusammensetzung einer Gruppe haben und zeigt auf, wer sich von bestimmten Konzepten angesprochen fühlt (oder nicht).

    Eine Veranstaltung wie das Barcamp Frauen (beim Namen fängt es schon an…) kann in dieser Hinsicht sicherlich noch einiges verbessern/verändern.

  4. ich finde folgenden satz auf der zeichung beachtenswert: „die zeit des latzhosenfeminsimus ist vorbei“

    jo. die ist seit ca. 30 jahren vorbei. aber toll, dass das mal jemand merkt!!!

  5. Jaja, die Basis.
    Die diskutiert immer viele schöne Dinge. Die Parteiführung macht trotzdem was sie möchte und jede/r aus der Basis wird das, sofern er/sie es an die Spitze schafft, auch so halten.
    Wie man als Feminist oder als Feministin in der Partei sein kann, die mit ihrem staatlichen Verarmungsprogramm aktiv Politik gegen Frauen betrieben hat, verstehe ich nicht.

  6. @ schokolade

    “ und von der deutschlandfahne im zentrum wird mir etwas schlecht ;)“

    Wieso?

    Leben wir denn nicht in Deutschland oder habe ich irgendetwas verpasst?

  7. @access denied

    Absolut! Und deshalb finde ich es schon wichtig auf solche Veranstaltungen zu gehen, um meinen Unmut über diese Politik Luft zu machen. Uns ist allen klar, dass die „Basis“ nicht zwangsläufig die Parteiführung erreicht, aber: die Basis von heute kann die Parteiführung von morgen sein! Und wenn mensch den Politiker_innen von morgen verdeutlicht, dass die SPD für viele (Frauen!) gerade wegen des Verarmungsprogramms unwählbar ist, setzt vielleicht ein Denkprozess ein. Vielleicht zu illusorisch, aber zur Zeit weiß ich mir im etablierten Parteiensystem nicht anders zu helfen.

  8. @madeleine: schokolade soll für sich selbst sprechen, aber mir stößt schwarzrotgold auch auf und ich erkläre dir gerne warum:
    es ist nix, aber auch gar nix emanzipativ an einem staat, der abschiebt, kriege führt, den holocaust endlich mal vergessen möchte allen anschlägen auf synagogen zum trotz (wie gerade in mz), und der letztendlich auch eine biopolitik betreibt, die frauen konsequent und auf allen ebenen benachteiligt (abtreibung, familienpolitik, frauenbild uns so).
    selbst wenn das alles anders wäre, bleibt deutschsein eine rassistische kategorie, weil dabei andere identitäten außer dem [sic] mitteleuropäischen, weißen christen (oder aufgeklärten menschen, je nachdem gegen wen man gerade hetzt, lassen sich christentum und aufklärung austauschen) nie mitgedacht werden. siehe integrationsdebatte.

  9. Die Flagge symbolisiert auf dem Bild aber einen Themenbereich, in dem es explizit um deutsche Politik/Probleme ging.
    Meint ihr nicht, dass das gerade ein bisschen sehr Beißreflex ist?

  10. selbst wenn das alles anders wäre, bleibt deutschsein eine rassistische kategorie, weil dabei andere identitäten …

    das gilt dann aber für jede identität, denn da sind auch immer alle anderen nicht „mitgedacht“.

  11. @anna: beißreflex? ich hör erst auf über deutschland zu jammern, wenn deutschland von der landkarte gestrichen oder der morgenthauplan umgesetzt ist.

    @klingonische oper: da gebe ich dir recht, aber
    1. wenn ich mich z.b. als weiße definiere, kann ich mich nicht als nichtweiße definieren. das stimmt schon. daraus zu schließen, nichtweiße wären scheiße, ist ein furchtbarer fehlschluss. ich kann mich als weiße definieren und trotzdem kann ich (oder gerade deshalb muss ich!) damit auch sehr kritisch umgehen. und diese kritische selbstreflexion gibt es in deutschland so gut wie gar nicht.
    2. bitte auch anschauen, wie sich so eine identität entwickelt hat. beispiel, viele frauengruppen schließen männer per se aus. je nach kontext finde ich das gut oder unnötig, auf jeden fall ist es sexistisch. aber auch nachvollziehbar, weil es aus einer historischen und gegenwärtigen defensive entstand.
    deutschland hingegen hat keinen grund, nichtweiße, weder christlich noch aufklärerisch sozialisierte menschen usw. auszuschließen. selbst wenn menschen mit migrationshintergrund einen deutschen pass haben und assimiliert sind, werden sie nicht als deutsche betrachtet. deutschsein ist also an die biologische herkunft gekoppelt – kommt dir das vielleicht bekannt vor?

  12. Auch die heutigen Spitzen sind nicht in die Partei eingetreten, um Politik für das Kapital zu machen. Man wird eben so. Gut zu sehen bei den Grünen. Ehemalige Linke wie Joschka Fischer, aber auch schon PolitikerInnen auf kommunaler Ebene, oder z.B. in Hamburg, haben so dermaßen schnell ihre eigenen Ideale verkauft, dass einem schwindlig beim zusehen wurde.

  13. 1. wenn ich mich z.b. als weiße definiere, kann ich mich nicht als nichtweiße definieren. das stimmt schon.

    wenn du eine weiße bist, ist es egal, wie du dich definierst. du bist es unabhängig von deiner definition.

    daraus zu schließen, nichtweiße wären scheiße, ist ein furchtbarer fehlschluss.

    den schluss hat hier auch niemand gezogen (strohmann).

    ich kann mich als weiße definieren und trotzdem kann ich (oder gerade deshalb muss ich!) damit auch sehr kritisch umgehen. und diese kritische selbstreflexion gibt es in deutschland so gut wie gar nicht.

    oder du nimmst es einfach als tatsache hin, dass du eine weiße bist. denn du hast ja zu diesem umstand nichts beigetragen. sie existiert ohne dein zutun, als musst du DICH nicht deshalb kritisch reflektieren, also in frage stellen. dass es so eine selbstreflektion nicht gibt, so sie denn nötig wäre, würde ich nicht behaupten. viel mehr haben viele deutsche generell ein problem mit ihrem deutschsein (und damit meine ich nicht nur die biologische herkunft). wie man auch hier daran sehen kann, dass diese frage überhaupt auftaucht.

    beispiel, viele frauengruppen schließen männer per se aus. je nach kontext finde ich das gut oder unnötig, auf jeden fall ist es sexistisch.

    nö. sexistisch ist es nur, wenn männer damit tatsächlich benachteiligt, diskriminiert und unterdrückt werden, weil sie gern an einer frauengruppe teilnehmen würden, aber nicht dürfen:

    „Unter Sexismus versteht man die Diskriminierung oder Unterdrückung von Menschen allein aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit.“

    wäre es so, wie du behauptest, wäre jede beliebige gruppe sexistisch oder rassistisch oder auf andere weise diskriminierend, weil sie menschen ausschließt. das ist aber das wesen einer gruppe: sie schließt die gruppenmitglieder ein und alle anderen aus. ich kann z.b. nicht einfach beim FC bayern mitstpielen, eben weil ich nicht zur gruppe gehöre. damit werde ich aber nicht diskriminiert.

    deutschland hingegen hat keinen grund, nichtweiße, weder christlich noch aufklärerisch sozialisierte menschen usw. auszuschließen.

    wer genau ist denn hier „deutschland“?
    deutschland als staat schließt nichtweiße, nichtchrtisten usw. auch nicht aus, im gegenteil.

    selbst wenn menschen mit migrationshintergrund einen deutschen pass haben und assimiliert sind, werden sie nicht als deutsche betrachtet.

    wer genau betrachtet sie denn nicht als deutsche? (das scheint mir auch ein strohmann zu sein.)

  14. @Madeleine

    Ach bitte…
    Wenn man sonst nichts zu sagen hat, kommt die übliche Frage, warum man hier sei und dergleichen Nonsens.
    Als hätte jede/r einfach so die Möglichkeit, wegzugehen.
    Mal abgesehen davon, dass solche Sätze und vor allem die dahinter stehenden Intentionen schon nahe am patriotischen Kritikverbot sind

  15. Ich kann mir sehr gut vorstellen dass die Ministerpräsidentin des Landes NRW nach 10 Jahren guter „Absichtserklärungen“ (Corporate Governance Kodex) und beschränkten Ergebnissen nicht bereit ist, nochmal 10 Jahre zu warten, bis ein weiteres Unternehmen die Quote einführt. Ich glaube, die Vorteile von Quotebn in Aufsichtsräten UND Vorständen ist dort verinnerlicht.

    Wie auch das Thema Ehegattensplitting :

    http://www.badische-zeitung.de/nachrichten/deutschland/spd-will-weg-vom-ehegattensplitting–39874018.html

    „..wäre, das Ehegattensplitting komplett abzuschaffen. Das Ehemodell mit dem Mann als Alleinversorger und der Gattin als Hausfrau ohne Einkommen entspreche nicht der Lebenswirklichkeit der meisten Partnerschaften und schon gar nicht sollte es mit Steuergeld gefördert werden, lautet die Argumentation.“

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