Armutsbericht: Einkommenskluft und Armut trotz Lohnarbeit

In der letzten Woche stellte der Paritätische Wohlfahrtsverband seinen aktuellen Armutsbericht „Die zerklüftete Republik“ für Deutschland vor. In diesem wurden die Zahlen für 2013 ausgewertet und eine weiter auseinandergehende Einkommensschere konstatiert: Die Armutsquote von 15,5 Prozent ist die höchste seit dem Beginn der regelmäßigen Berichte (2006). Auch wurden erstmals in dem Bericht besondere ‚Risikogruppen‘ identifiziert.

Was bedeutet Armut?

Der Armutsbericht arbeitet bei seiner Auswertung mit relativen Werten. Als arm gilt in diesem, wer unter 60% des bundesdeutschen durchschnittlichen Netto-Einkommens zur Verfügung hat. In Zahlenwerten bedeutet das z.B. weniger als 892 Euro als Einzelpersonen-Haushalt. Diese Art der Feststellung hat natürlich auch ihre Tücken, weil sie nur begrenzt etwas über den Lebensstandard betroffener Personen aussagt – da je nach Region Lebenserhaltungskosten beispielsweise unterschiedlich sind und Strukturen (z.B. Zugang zu Kinderbetreuung und deren Kosten) erst einmal keine Rolle spielen. Auf der anderen Seite ist aber der Vergleich mit einem bundesdeutschen Durchschnitt auch sinnvoll, da Einkommen ja auch etwas darüber aussagt, wer in welchem Rahmen Altersvorsorge treffen kann. Selbst wenn eine Person in eine andere Region zieht, bleibt ja diese vorherige „Erwerbsgeschichte“ mit Einfluss. Und auch macht diese Art der Betrachtung vor allem eins deutlich: Wie stark die Kluft zwischen verschiedenen Einkommensgruppen ansteigt.

Arm mit Lohnarbeit

Der Paritätische Wohlfahrtsverband stellt außerdem heraus, dass sich Erwerbslosenquote und Armutsquote voneinander entkoppelt haben. Das heißt: Auch bei sinkender Erwerbslosenzahl ist die Armutsquote weiter gestiegen, somit gebe es also eine Verstärkung des Phänomens der working poor: Menschen, die trotz Lohnarbeit unter die Armutsgrenze fallen. Wird der Mindestlohn, der ab 01. Januar dieses Jahres – in Teilen – greift, dort Abhilfe schaffen? Der Paritätische Wohlfahrtsverband jedenfalls verlangt erst einmal eine Anhebung des Mindestlohns, da dieser mit 8,50€ immer noch sehr niedrig ist. Aber selbst die 8,50€ werden nicht alle lohnarbeitenden Menschen erhalten. Menschen, die unter 18 Jahre alt sind und noch keinen Berufsabschluss haben, sind da ausgenommen (und während der Ausbildung bekommen sie auch keinen), aber auch Personen, die 12 Monate erwerbslos waren haben die ersten 6 Monate in einer neuen Anstellung kein Recht auf den Mindestlohn. Für eine Reihe von Branchen befürchten Gewerkschaften zu dem, dass durch Zeitabrechnungen und ähnliche Papiertrickserein, de facto der Mindestlohn umgangen wird. Besonders hart trifft es auch Menschen mit Behinderungen, die in Werkstätten für behinderte Menschen, arbeiten. Diese sind ganz und gar von der Mindestlohnregelung ausgenommen, stattdessen wir hier von einem „arbeitnehmerähnlichen“ Verhältnis gesprochen. (Menschen mit Behinderungen, die eine Assistenz in Anspruch nehmen, dürfen zu dem auch kaum Geld sparen.)

Nicht alle Personengruppen sind gleich gefährdet
Im Armutsberricht wird auch deutlich, dass nicht alle Gruppen gleichermaßen armutsgefährdet sind. In den Altersegmenten trifft es besonders junge Menschen und Rentner_innen. Bei der Auffächerung nach „Haushaltstyp“ wird sofort ersichtlich, dass die am stärksten betroffenen Haushalte jene sind, in denen eine erwachsene Person mit einem Kind oder mehreren Kindern lebt. Haushalte, die natürlich auch nicht gleichermaßen verteilt sind: In erster Linie sind hier alleinerziehende Frauen mit ihren Kindern betroffen. Außerdem stärker als andere Haushalte betroffen: Haushalte mit zwei Erwachsenen und drei oder mehr Kindern. Außerdem identifizierte der Bericht Menschen mit ’niedrigen‘ Berufsabschlüssen und migrantisierte Personen zu den Risikogruppen. Die Zugehöhrigkeit zu den verschiedenen Gruppierungen überlappt sich natürlich auch häufig – aufgrund sexistischer, rassistischer und klassistischer Strukturen. Auf Menschen mit Behinderungen geht der Bericht allerdings nicht gesondert ein und auch andere Diskriminierungsfaktoren werden gar nicht erst gezielt verfolgt.

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