Anonymisierte Bewerbungen gegen Diskriminierung?

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes startet heute das Pilotprojekt zu anonymisierten Bewerbungsverfahren und konnte für den Modellversuch fünf Unternehmen gewinnen: Deutsche Post, Deutsche Telekom, L’Oreal, MyDays und Procter&Gamble. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wird sich ebenfalls beteiligen. Begleitet und wissenschaftlich unterstützt wird das Projekt vom Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) und der Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt der Europa-Universität Viadrina (KOWA).

Bei einem anonymisierten Bewerbungsverfahren füllen Interessierte auf eine Stelle einen Bewerbungsbogen aus, der diskriminierungsanfällige Informationen bewusst nicht abfragt. Das heißt: Alter und Geschlecht sollen definitiv bei der Vorauswahl der Bewerbungen nicht erkennbar sein. Eine Behinderung kann von den Bewerbenden optional angegeben werden, da das Merkmal Behinderung nach dem Sozialgesetzbuch IX unter besonderem Diskriminierungsschutz steht und Unternehmen hierzu strenge Auflagen erfüllen müssen.

Dem Bewerbungsbogen wird ein Motivationsschreiben beigefügt sein, in dem die Interessierten sich wie gewohnt vorstellen. Sollten in dem Motivationsschreiben Hinweise zu finden sein, die eindeutig auf eines der in Deutschland unter Diskriminierungsschutz stehenden Merkmale (Alter, Geschlecht, Behinderung, rassistische Zuschreibung/ethnische Herkunft, sexuelle Identität, Religion/Weltanschauung) rückführbar sind, so werden diese Informationen nachträglich geschwärzt.

IZA und KOWA werden die eingegangenen Bewerbungen sichten, gegebenenfalls wie gerade beschrieben modifizieren und diese dann den Personalverantwortlichen der teilnehmenden Institutionen und Unternehmen zukommen lassen. Festgestellt werden soll, ob sich die Einstellungspraxis der Teilnehmenden durch anonymisierte Bewerbungen ändert und an welchen Stellen Nachbesserungsbedarf beziehungsweise Diskriminierungspotenzial besteht. Soviel zur Theorie.

Ich hatte vor ein paar Tagen die Gelegenheit diesen Modellversuch der Antidiskriminierungsstelle vorgestellt zu bekommen und bin sehr skeptisch, ob dieses Projekt die Lage der Betroffenen verbessern wird. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das seit vier Jahren Menschen vor Diskriminierung unter anderem im Berufsleben schützen soll, hat bisher kaum Wirkung gezeigt. Einerseits verunmöglicht das AGG durch etliche rechtliche Hürden den Klageweg für Betroffene nahezu (Fehlende Beweislastumkehr, kein Verbandsklage- und Beistandsrecht für Antidiskriminierungsverbände, sehr kurze Nachweisfrist, etc.), andererseits spielt das Gesetz in den einzelnen Unternehmen so gut wie keine Rolle.

Was fehlt, ist das Bewusstsein für Diskriminierung in der Gesellschaft, wie Diskriminierung wirkt und wer davon in welchem Maße betroffen ist. Dementsprechend sehen Unternehmen keine Notwendigkeit ihre Einstellungspraxis zu verändern. Das AGG bietet hierzu weder ausreichend Sanktionsmöglichkeiten noch werden Jurist_innen hinreichend in Antidiskriminierungsrecht ausgebildet. Die bisher gefällten Urteile zum AGG lassen keinen anderen Schluss zu, als dass gerade institutionell verankerte Benachteiligungen und Diskriminierungsmuster nicht ausreichend reflektiert und anerkannt sind. Antidiskriminierungspolitik und EU-Antidiskriminierungsrichtlinien werden in anderen EU-Ländern wie Großbritannien wesentlich strikter und nachhaltiger umgesetzt.

So werden mit den anonymisierten Bewerbungsverfahren zwar potenziell mehr Menschen zu Gesprächen eingeladen, die vorher kaum Chancen hatten, doch solange der Antidiskriminierungsgedanke nicht im Kopf des/der Personaler_in angekommen ist, werden auch weiterhin die Arbeitnehmenden eines Unternehmens hauptsächlich homogen zusammengesetzt sein, das Gejammer um Fachkräftemangel hin oder her. Darüber hinaus beinhaltet allein der anonymisierte Bewerbungsbogen (den die teilnehmenden Organisationen und Unternehmen nach ihren eigenen Vorstellungen verändern dürfen!!) bereits ausreichend Angaben, die Rückschlüsse auf Alter und Geschlecht zulassen (Name, Wehrpflicht, Ausbildung, Berufserfahrung). Dass Studium oder besondere Zusatzqualifikationen (Weiter- und Fortbildungen, Sprachkenntnisse) auch hierzulande ein Privileg von Wenigen sind, Menschen aus bestimmten sozialen Schichten oder bestimmten „Migrationshintergründen“ bereits in der Primarschule Diskriminierung ausgesetzt sind, kann ein anonymisierter Bewerbungsbogen nicht darstellen.

Ein anonymisierter Bewerbungsbogen wird auch nicht verhindern, dass „Kopftücher gleich mal aussortiert werden, weil sie den Betriebsfrieden stören“ (Zitat eines Geschäftsführers in der Studie zum AGG in Unternehmen). Von anderen Benachteiligungen im Unternehmen wie sexuelle Belästigung und Lohndiskriminierung einmal abgesehen, wird ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren meines Erachtens nach nicht den Schalter im Kopf umlegen, dass Diskriminierung eine nicht hinnehmbare Verletzung der Menschenwürde ist.

Solche Maßnahmen müssen flankierend und integriert eingesetzt werden und sie dürfen nicht allein dem Ziel dienen, Zahlen und Statistiken zu Diskriminierung in Deutschland zu generieren, wie es eine Vertreterin der Antidiskriminierungsstelle vor ein paar Tagen in meiner Anwesenheit ähnlich formulierte. Diese Zahlen und Statistiken gibt es bereits zuhauf, Diskriminierung ist in Deutschland nicht wegzudiskutierende Alltäglichkeit. Einfach mal mit Betroffenen reden, Antidiskriminierungsverbände kontaktieren, die Augen offen halten, sich sensibilisieren.

Ich fragte bei der Vertreterin nach, warum keine der vielen Antidiskriminierungsverbände das Projekt begleitet. Diese könnten beispielsweise zeitgleich zum Bewerbungsverfahren Sensibilisierungstrainings und AGG-Beratung in den Unternehmen anbieten. Antwort: „Warum sollen wir mit Antidiskriminierungsverbänden zusammenarbeiten?“ Richtig. Eine nationale Antidiskriminierungsstelle, die nicht einmal Betroffene in einer anderen Sprache als Deutsch beraten kann, braucht natürlich keine Unterstützung.

Ich bin jedenfalls gespannt auf die Pressemitteilung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2011, in der sie uns mitteilt, dass die Deutsche Telekom das Pilotprojekt zu anonymisierten Bewerbungsverfahren super fand und überlegt, es nun längerfristig einzuführen. Während in der Personalabteilung von Unternehmen XY das nächste Kopftuch aussortiert wird.

30 Kommentare zu „Anonymisierte Bewerbungen gegen Diskriminierung?

  1. Ich finde es eine gute Sache, aber wie ist es aus mit dem Namen, der ja schon irgendwie angeben werden muss…da sieht man ja ob m/w…

    Selbst wenn nicht…

    Beim Lebenslauf geben ja Männer auch an, ob sie Zivildienst oder Wehrplicht geleistet haben, und die Meisten haben ja diesen Dienst geleistet, auch wenn es mehrheitlich der Zivildienst war… spätestens da sieht man es ja auch. Vielleicht in 20-30 Jahren nochmal versuchen?

    Hat aber Zukunft

  2. Achso ich weiß gerade gar nicht, ob der Name nachträglich geschwärzt wird… Im Muster-Bewerbungsbogen steht er jedenfalls drin. Nicht gut.

    Ansonsten vollkommen richtig, dass die Angabe über Wehr-/Zivildienst eigentlich nicht in eine anonyme Bewerbung gehört, wenn mensch wirklich nicht auf Geschlecht rekurrieren will.

  3. Ich ging eigentlich davon aus, dass der Name weggelassen wird. „Es bewirbt sich Liselotte Meier-Müller, aber wir verraten nicht ihr Geschlecht“ ist doch sinnlos.

    Dinge wie der schon angesprochene Wehr-/Zivildienst sind auf jeden Fall ein Problem, denn man kann von Männern auch nicht erwarten, den zu verschweigen. Schließlich ist ein Zivildienst o. ä. eventuell als Berufserfahrung zu werten.

    Wie man das Alter weglassen kann, verstehe ich auch nicht ganz. Dass jemand, dessen Lebenslauf bisher nur aus Schule und einem Praktikum besteht, jünger ist als jemand, der ein z. B. Studium und mehrere Zusatzlehrgänge abgeschlossen und im Anschluss in zwei verschiedenen Unternehmen gearbeitet hat, ist doch irgendwie klar. Wieviel Erfahrung jemand mit einer bestimmten Tätigkeit hat, ist ja auch nicht unbedingt ein Diskriminierungs-Kriterium, sondern ein zulässiges (Teil-)Kriterium zur Auswahl.

    Und noch eine Frage habe ich: Wie sieht das in der Praxis denn sprachlich aus? Also wenn nun eine Frau wissenschaftliche Assistentin ist, schreibt sie dann, sie sei „Assistent“, „Assistent/in“, „Assistierende Person“ oder was?

  4. Hat nicht soviel mit Antidiskriminierung zu tun aber mit „Was sollte mensch alles auslassen“:
    Was hat es meine künftigen ArbeitgeberInnen zu interessieren, wer meine Eltern sind, wie sie heißen und was sie (beruflich) machen?

    Könnte auch gut ausgelassen werden.

    Eure Bedenken halte ich für durchaus relevant. Aber irgendwie wirds auch schwierig, wenn quasi nur angegeben würde, welche Qualifikationen für den beworbenen Beruf vorhanden sind. Da würden ja alle rausfallen, die umsatteln wollen. „Ich war noch nie in dem Bereich tätig aber würds gern mal versuchen/interessiere mich dafür etc“
    Böser Zwiespalt.

  5. Khaos.kind:
    Meine Eltern, deren Berufe, meine Geschwister oder auch meine Religionszugehörigkeit habe ich persönlich noch nie in einer Bewerbung angegeben. Das macht man tatsächlich schon länger nicht mehr (außer, man bewirbt sich bei einer kirchlichen Einrichtung, dann ist die Konfession natürlich eine wichtige Angabe).

  6. Man hört ja schon mal von Intelligenztests in Bewerbungsverfahren. Das hier scheint mir eindeutig auf einen Intelligenztest für Arbeitgeber bzw. deren Personalabteilung hinauszulaufen. Auch nicht schlecht. Als Bewerberin würde ich dann so vorgehen: Die Firma, die aus meinen anonymisierten Angaben nicht auf mein Geschlecht, Alter und was noch alles fehlt, schließen kann, bei der möchte ich nicht arbeiten. ;)

  7. @Judith

    Ohne das Namenschwärzen macht das alles natürlich wenig Sinn, da gebe ich dir vollkommen recht. Komischerweise steht die Angabe aber im Musterfragebogen. Wollen wir nicht zu sehr darauf rumreiten und gehen davon aus, dass die Namen bei der Bewerbung geschwärzt werden.

    Dass die Angabe Alter durchaus diskriminierungsanfällig ist, zeigen Fälle aus der Vergangenheit. „Dynamische Arbeitnehmer/in gesucht“, Einstellungsverbote für ältere Arbeitnehmer_innen als Pilot_innen usw. Da wurden einfach willkürlich Grenzen gezogen, die durch das AGG und Urteile bis vor den Europäischen Gerichtshof aufgehoben bzw. neu ausgelegt wurden. Alter bezieht sich hier weniger auf die tatsächliche fachliche Qualifikation, denn viel mehr eben auf das naja Alter eben. Eine_n 50-jährige_n Arbeitnehmer_in abzulehnen, weil sie zwar dieselbe fachliche Qualifikation mitbringt wie ein_e 25-jährige_r Arbeitnehmer_in, aber doppelt so alt ist, ist seit 2006 eine unzulässige Benachteiligung. Es sei denn, sie kann durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt werden. Hier kommen die Unternehmen allerdings oft in Bredouille, weil sie diesen nicht vorweisen können.

    Zum Zivildienst: Sicher in einigen Fällen ist der durchaus relevant, aber eben nicht in allen.

    Zur Sprache weiß ich, dass die in den anonymen Bewerbungen gegendert wird. Ich gehe anhand deines Beispiels von „Assistent/in“ aus.

    Ich stimme mit dir vollkommen überein, dass es Schwierigkeiten gibt, da einige Angaben schon relevant sind je nach Kontext bzw.sich definitiv eben auf die Kategorien zurückführen lassen, die eben diskriminierungsanfällig sind. Weswegen ich anonyme Bewerbungen auch irgendwie schwierig finde. Denn die anderen Bewerbungsinstanzen wie Gespräche, Tests, usw. laufen bis heute nicht nach AGG-Kriterien.

    @Khaos.Kind:

    ich weiß nicht, worauf du hinaus willst, aber du bewirbst dich doch sicher nicht auf eine Kfz-Mechaniker_innen-Stelle, wenn du Germanistik studiert hast und sonst keine praktischen Erfahrungen im Kfz-Bereich hast oder? Und warum sollte dich dann ausgerechnet bspw. dein Geschlecht dazu befähigen?

  8. Wenn es diskriminierend ist, eine Frau nach einer eventuell bestehenden Schwangerschaft zu fragen und positivenfalls nicht einzustellen, warum enthält dann ein angeblich diskriminierungsfreies Bewerbungsformular eine Frage nach bereits abgeleistetem Zwangsdienst, zumal es Arbeitgeber gibt, die ganz offen Bewerbungen ablehnen, wenn und weil dessen Ableistung (eventuell) noch ansteht?

  9. @Laufleser

    ich weiß zwar nicht, was eine Schwangerschaft mit einem Pflichtdienst (Wehr oder Zivil) zu tun hat, aber vielleicht beantworten die oberen Kommentare und der Text deine Frage.
    Ansonsten gilt auch für dich die Netiquette.

  10. Wenn Arbeitgeber nach einer bestehenden Schwangerschaft fragen, dann tun sie dies, weil sie gesetzlich verpflichtet sind, den Arbeitsplatz einer Schwangeren oder frischgebackenen Mutter freizuhalten, und deshalb lieber keine Schwangeren einstellen. Da nur Frauen schwanger werden können, gilt diese Frage als geschlechtliche Diskriminierung und darf daher nicht gestellt, jedenfalls aber falsch beantwortet werden.

    Auch der Arbeitsplatz eines Wehrpflichtigen muß freigehalten werden, wenn dieser zum Zwangsdienst einberufen wird. Daher fragen viele AG danach und sagen oft ganz offen, daß eine eventuell noch anstehende Einberufung ein Hindernis für eine Anstellung wäre. Da in Deutschland nur Männer wehrpflichtig sind, hätte ich angenommen, daß ein diskriminierungfreier Bewerbungsbogen auch auf diese Angabe verzichtet.

    Ich hoffe, jetzt deutlicher geworden, was ich meine.

    Natürlich ist es -um wie gewünscht auf die Kommentare einzugehen- möglich, daß ein Bewerber seine beim Zwangsdienst erworbenen Fähigkeiten in seinem Bewerbungsschreiben erwähnen möchte. Aber das könnte er ja auch dort tun, wo frühere Beschäftigungsverhältnisse oder Fortbildungen aufgelistet werden, ein spezielles Feld ist dafür IMHO nicht nötig.

    Die Kommentarregeln für dieses Blog habe ich gelesen, aber ohne Hinweis darauf, gegen welchen der Punkte ich verstoßen habe oder könnte, fällt es mir leider schwer, mein offenbar vorhandenes oder befürchtetes Fehlverhalten zu erkennen und abzustellen.

  11. @Anna
    Bin ich schon so lang aus der Schule raus? Sind doch erst 5 Jahre… Also ich hab das noch so gelernt, dass ich meine Eltern/deren Berufe angeben muss. Wobei ich die Berufe seit einem Jahr oder so weglasse.
    Aber danke für den Hinweis :)

    @Nadine
    Wenn ich jetzt aber Germanistik studiert hätte und eine KfZ-Lehre anfangen will, dann steht das Studium auch im Lebenslauf. Mir gings in meiner Anmerkung um Lehrlinge/späte UmsattlerInnen, die ohne große Vorkenntnisse aufscheinen und vielleicht dadurch benachteiligt werden.
    Wobei… gelten die anonymisierten Bewerbungsverfahren überhaupt für Lehrstellen? Ich blick da nicht mehr durch.

  12. @Laufleser

    danke für deine Ausführungen.

    Zunächst: Fragen nach Schwangerschaft oder Kinderwunsch sind laut dem AGG eine unzulässige Abstellung auf das Geschlecht und daher verboten. Natürlich fragen Arbeitgeber_innen noch immer danach, um sich abzusichern, allerdings ist dies Diskriminierung ohne sachliche Rechtfertigung. Aber was soll diese Gegenüberstellung hier?
    Natürlich sind Männer, was die Pflichtdienste angeht, strukturell benachteiligt. Ich sehe da allerdings in naher Zukunft eine Abschaffung dieser. Von 20 auf 6 Monate in fast 5 Legislaturperioden… Da geht noch was :)
    Obwohl das Arbeitsplatzschutzgesetz eindeutig Wehrdienstpflichtige vor Arbeitsplatzverlust (bei unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen) schützt und damit versucht diesen strukturellen Nachteil auszugleichen, schützt es jedoch nicht vor Diskriminierung bei Einstellung. Im AGG ist dazu nichts explizit ausgeführt, aber die bisherige Rechtssprechung und Gesetzeskommentierungen sagen hier eindeutig, dass Fragen nach noch nicht abgeleistetem Pflichtdienst (oder ob einer bevorsteht) unzulässig sind und daher gegen das AGG verstoßen.

    Ich sehe daher auch keine Notwendigkeit, das in einem Bewerbungsbogen abzufragen, schrieb ich aber bereits weiter oben. Der Musterbewerbungsbogen fragt jedoch anders: „Bitte ankreuzen, wenn zutreffend: Ich habe Wehr- oder Zivildienst geleistet, ein
    Freiwilliges soziales Jahr absolviert oder als Au-pair gearbeitet“ Ein bisschen tricky, aber noch im Rahmen des Vertretbaren.

    Ansonsten sollten dir diese drei Stellen aus der Rechtsliteratur zum AGG und Arbeitsrecht weiterhelfen:
    http://is.gd/hMnxn
    http://is.gd/hMnGD
    http://is.gd/hMnKp

    (musste kürzen wegen URL-Länge)

    PS: Wir kommentieren unsere Moderation nicht. Grundsätzlich aber gilt (steht auch in der Netiquette): Erst lesen, dann kommentieren. Und auf einen respektvollen Ton achten.

  13. @Khaos.Kind

    ich glaub, du missverstehst die Problematik Antidiskriminierung ;-) Wenn Arbeitgeber_innen diskriminieren, dann nicht weil sie die Person nicht einstellen, die schlechter qualifiziert ist bzw. nicht die entsprechenden Qualifikationen mitbringen, sondern weil sie nach Geschlecht, Alter, Religion/Weltanschauung, usw unzulässig differenzieren. Du wirst dann nicht nicht eingestellt, weil du Germanistik studierst, sondern nicht-weiß bist, einer bestimmten Religion angehörst usw.
    Antidiskriminierungsmaßnahmen wollen Menschen vor solchen Diskriminierungen schützen. Als Diskriminierungsmerkmale gelten in der Regel historisch gewachsene Ungleichheitsachsen. Zum Glück (noch) nicht das Germanistik-Studium :)

    Klar, dass das Anforderungsprofil einer Ausbildung ein anderes ist als das eines Vollzeitjobs, für den eine abgeschlossene Berufsausbildung in dem entsprechenden Berufszweig nötig ist.

  14. Ich habe die beiden Fälle nicht gegenübergestellt (im Sinne von „gegeneinander ausspielen“), sondern verglichen. Da die Schwangerschaft das kanonische Beispiel für eine unzulässige Frage ist (Jedenfalls in alles Vorlesungen und Vorträgen zum Arbeitsrecht, die ich besucht habe.) und deutliche Parallelen aufweist, betrachtete ich sie als günstige Grundlage für eine Analogiebildung.

    Danke für die Literaturquellen. Tatsächlich stehe ich mit meiner Ansicht also nicht allein, daß die Frage nach dem Zwangsdienst unzulässig ist. Umso erschreckender, mit welcher Direktheit sie oft gestellt und wie kritiklos sie von Bewerbern hingenommen wird. Zum Glück wird ein Lernprozeß in dieser Sache wohl für beide Seiten nun nicht mehr nötig sein.

    Die konkrete Formulierung der Frage umgeht das Problem zwar formal, aber wenn der AG aus anderen Angaben zu glauben weiß, daß der Bewerber männlich ist, könnte ein fehlendes Kreuz dennoch einen Nachteil darstellen. Ich hätte ausgerechnet von der Antidiskriminierungsstelle mehr Sensibilität erwartet, denn die Aufnahme des Themas in den Bogen insinuiert doch zudem, die Frage nach bereits abgeleistetem Zwangsdienst könne eben doch zulässig sein.
    Zudem wirkt die Zusammenstellung eher willkürlich: Warum wurde z.B. das FÖJ nicht aufgeführt? Auf eine Beschäftigung im sozialen Bereich kann die Frage nicht zielen, denn dann würde nicht nach dem Kriegsdienst mit der Waffe gefragt.

    Aber in der Sache sind zumindest wir beide uns ja offenbar einig. Ich hatte auch nicht gefragt, um unbedingt Widerspruch zu ernten, sondern suchte -da das Thema hier sowieso schon angesprochen worden war- nach Informationen. Die habe ich zum Teil ja auch bekommen -vielen Dank nochmal-, und die Motivation der Initiatoren zur Aufnahme dieser Frage werden mit letzter Sicherheit -wenn überhaupt- sowieso nur diese selbst erläutern können. (Ohne damit nun die Möglichkeit anderer Antworten ausschließen zu wollen.)

  15. Umso erschreckender, mit welcher Direktheit sie oft gestellt und wie kritiklos sie von Bewerbern hingenommen wird. Zum Glück wird ein Lernprozeß in dieser Sache wohl für beide Seiten nun nicht mehr nötig sein.

    Gestellt wird sie, weil kaum eine_r hierzulande weiß, was Diskriminierung bedeutet. Hingenommen wird sie aus selbem Grund. Der Gesetzgeber war/ist verpflichtet, auf die Bekanntheit des AGG hinzuwirken. Welche Menschen wissen schon gut um ihre Rechte? Es ist ein Trauerspiel.
    Doch der Lernprozess wird nötig sein, zumal das hier nur ein Pilotprojekt ist und keine flächendeckende Zwangsmaßnahme.

    Ansonsten: Bitte. Gerne :)

  16. Danke, Nadine, für deine Ausführungen.

    Ich schätze, wir können uns darauf einigen, dass die Sache beobachtenswert ist.
    Alles in allem bin ich der Meinung, dass diese Initiative durchaus ein Schritt in die richtige Richtung ist, aber letztlich schafft man Diskriminierung nicht ab, wenn man Leute in bestimmten Situationen am Diskriminieren hindert. Wenn nicht – wie schon im Text oben angemerkt – Diskriminierung in der Gesellschaft abgebaut wird, wird spätestens beim Bewerbungsgespräch, auf das wir anonymisierterweise eingeladen wurden, fröhlich weiterdiskriminiert (es sei denn, wir sollen dort mit einem Sack über dem Kopf und einem Stimmverzerrer erscheinen).

  17. Ich finds blöd.
    Jeder, auch ein Arbeitgeber, zum Beispiel der Chef eines hat doch auch das Recht zu sagen: „Ich will keine Frau in meinem Betrieb, ich will keinen Türken, ich will keinen homosexuellen, ich will keinen, der in seiner Freizeit Briefmarkensammelt, ich will keinen Handballspieler“.

    Nett wäre diese Auswahl nicht, gehört aber doch wohl zum Grundrecht der freien Berufsauswahl und Berufsausübung, oder?

  18. Mich erinnert diese Text etwas an den Beitrag „Du willst nicht dieser Typ sein“ (oder so ähnlich), den ich hier neulich gelesen habe. Deshalb werde ich das Gefühl nicht los, dass es auch hier wieder die Opfer sind, von denen man eine Verhaltenänderung erwartet.

    Du willst nicht vergewaltigt werden? Dann lauf doch nachts nicht durch die Stadt. Du willst nicht wegen deiner Hautfarbe diskriminiert werden? Dann geb sie auch nicht an? Geschlecht, Religion und sex. Ausrichtung gehören wohl ins heimische Umfeld und nicht in die „Geschäftswelt“.

    Ich bin skeptisch, ob eine Anonymisierung wirklich das Problem an den Wurzeln packt.

  19. @Dirk

    Bitte den Text vorher lesen und sich ggf. selbst informieren. Ich empfehle das Grundgesetz. Ansonsten gilt für dich die Netiquette.

    @Nansen

    Interessanter Aspekt, vielen Dank. Ich glaube sogar, dass ich dir zustimmen muss :) Nun es ist wirklich eine spannende Frage, wie beseitigen wir Diskriminierung in der Gesellschaft? Ich gehöre ja zu den Verfechter_innen rigoroser Gesetze (ein Hoch auf positive Maßnahmen) bei gleichzeitigem Consciousness-Raising von Kindesbeinen an. Momentan gibt es ja neben Antidiskriminierung von die Konzepte Mainstreaming und Diversity (und einseitige Förderung bestimmter Gruppen). Alle haben ihre Schwächen bzw. werden zu wenig nachhaltig umgesetzt. Symptombekämpfung…

  20. @Nadine

    „Ich gehöre ja zu den Verfechter_innen rigoroser Gesetze (ein Hoch auf positive Maßnahmen) bei gleichzeitigem Consciousness-Raising von Kindesbeinen an.“

    Ja, das sehe ich ähnlich.

    Ich hoffe nur, dass das „Zurückhalten“ solcher Daten nicht zu einer allg. Zurückhaltung führt. Zur einer Tabuisierung. Denn nachhaltig wäre die auch.

  21. „Fun-Fact“ >> Demnächst will die ADS Bund eine Statistik herausgeben, welches Merkmal besonders häufig anfällig ist für Diskriminierungen. Die Zahlen werden ermittelt aus Erzählungen von Betroffenen, Antidiskriminierungsverbänden, Rechtsfällen.

    Was fehlt: Die Namen der Unternehmen/Organisationen werden nicht veröffentlicht, die offen oder versteckt diskriminiert haben. Begründung: „Nein, das wäre ja eine öffentliche Diffamierung. Das können wir nicht machen“

    Soviel zum Thema!

  22. Außerdem kommt hinzu, dass nicht durch die Qualifikationen zählen – auch das Menschliche geht dabei vermutlich verloren und ist es nicht gerade das Klima im Betrieb, dass einem die Arbeit zu Spass macht?

  23. Den Einwurf von Nansen finde ich auch wichtig und ich frage mich ob und inwiefern das Weglassen von solchen Informationen tatsächlich zu weniger Diskriminierung führen kann.

    Ich würde hier den Vergleich zum „Color blindness“ Prinzip in den USA ziehen wollen. In der Theorie klingt das alles wunderbar: Niemand „sieht“ mehr die Hautfarbe des anderen und alle sind glücklich! Racism is over, woohoo! In der Praxis hatte das jedoch den Effekt, dass diese Leute dann den Status Quo dann versuchten auf andere Weise zu rationalisieren – z.B. im Sinne von: „Rassismus ist ja vorbei, also muss es daran liegen, dass der weiße Typ einfach besser für den Job war!“ Dieses Verhalten wurde schon bei Kindern mit dem berühmten Doll-Test nachgewiesen.

    Bei einem anonymisierten Bewerbungsverfahren kann ich mir zwar einerseits vorstellen, dass unter Umständen eine größere Palette an Menschen zumindest zu den Einstellungsgesprächen eingeladen werden. Andererseits sehe ich aber durchaus die Gefahr, dass genau diese Vorgehensweise dazu missbraucht wird, um dennoch diskriminierende Entscheidungen zu treffen – nur dass man jetzt die hervorragende Ausrede hat, dass man doch ein neutrales Auswahlverfahren hatte und die weißen Männer eben einfach am besten waren.

    Ich denke dennoch, es ist ein interessanter Feldversuch. Die ultimative Lösung zu Gender- und Rassendiskriminierung wird es jedoch nicht sein.

  24. @y? das diskriminierende Klima meinst du? ;) Spaß beiseite, natürlich zählt (auch) das Menschliche bei der Auswahl von Bewerber_innen. Aus den Studien, die ich im Text verlinkt habe, geht allerdings hervor, dass eben gerade nicht auf das Menschliche abgestellt wird, sondern eher auf Vorurteile.

    @Sabrina

    korrekt. PS: Bitte nicht von Rassen sprechen. Das fiept dann immer so in meinen Ohren :-)

  25. @Nadine: Sorry, ich les nur viel auf US-Blogs und da ist „race“ einfach ein gängiger Terminus. Da kommt das schon mal vor, dass ich das einfach so übersetze. Was wär für dich/euch eine akzeptable Alternative?

  26. mmh.

    race und Rasse sind im politischen Kontext zwei völlig verschiedene Dinge und somit auch nicht wortwörtlich dasselbe bzw. in die jeweils andere Sprache übersetzbar. Du kannst ersteren Begriff gern benutzen, mach‘ ich auch in den meisten Fällen. Weil es schon mehr ein Konzept ist als Hautfarbe, ethnische Herkunft, Migrationshintergrund (und was es da nicht noch alles für Begriffe gibt). Ähnlich wie Gender auch nicht einfach mit Geschlecht übersetzt werden kann.
    Im Antidiskriminierungskontext ist wohl rassistische Zuschreibung als Begrifflichkeit am passendsten, denn darum geht es ja bei der Diskriminierung – um Rassismus.

    Aber: feel free! Nur keine Begriffe aus der Rassentheorie ;)

  27. Absoluter Mist. Wirklich anonyme Bewerbungen haben für Unternehmen NULL Aussagekraft.

    Lebensläufe müssten aufgrund von Altersdiskriminierung komplett abgeschafft werden. Dadurch gehen den Firmen relevante Informationen flöten. Anhand eines Lebenslaufes lässt sich im weiteren auch Geschlecht und Migrationshintergrund ablesen.
    FOLGE: Nur der höchste Abschluss und die letzte Arbeitsstelle können genannt werden. Jugendliche die aber erstmalig arbeiten wollen könnten diese Arbeitsstelle aber nicht nennen -> Altersrückschluss!
    Auch ist es problematisch wenn jemand dauerarbeitslos aufgrund eines Firmenkonkurses ist. Hier lässt sich auch wieder eiiniges ablesen. Also dürfte auch die letzte Beschäftigung nicht genannt werden.

    Bleibt noch der Schulabschluss. Und der auch nur bedingt. Man kann ohne weiteres das Alter daran ablesen weil sich das Schulsystem beständig wandelt. Im weiteren wird zB keine ältere Person einen BA/MA-Abschluss vorweisen, sondern ein Diplom / Magister.

  28. Das ist m. E. ein „slippery slope“-Argument, das keinen Gehalt hat, Hundi. Die Besetzung von Stellen sollte nach entsprechender Qualifikation erfolgen, entsprechend sind Informationen primär zur Qualifikation auch erlaubt, selbst wenn sekundär Rückschlüsse möglich sind. Umgekehrt aber Informationen, die höchstens sekundär Rückschlüsse auf Qualifikation erlauben, sind wegzulassen.

    Aber einen Lebenslauf wegzulassen fände ich gar nicht schlecht, und stattdessen Kompetenzen/Qualifikationen anzugeben. „Mehrjährige Berufserfahrung im Verkauf“, „Computer-Zertifikat der IHK“, „Sehr gute Englischkenntnisse“ – die biografische oder chronologische Auflistung, ist die wirklich nötig?

  29. Der Witz ist der: Es gibt eine EU-Richtlinie für Bewerbungen, die vorschreibt, dass Geschlecht, Religion und Hautfarbe nicht erkennbar sein sollen, weswegen alle Bewerbungen mit Foto im Lebenslauf sofort vernichtet werden müssten. Dies beachtet nur kein Unternehmen in Deutschland. In den USA und GB wird diese Regel hingegen eisern eingehalten.

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