50/50 bedeutet nicht die Auflösung aller Ungerechtigkeiten

Dieser Text erschien vor einigen Tagen als Gastbeitrag auf Lisas Blog fuckermothers. Jochen König ist Autor und lebt mit seiner dreijährigen Tochter in Berlin. Wir danken ihm und den Fuckermothers für die Erlaubnis zum Crossposten!

Gerade habe ich mich an einen Text übers Elternsein und Geschlechterverhältnisse gesetzt, den ich seit ein paar Wochen schreiben möchte, da erscheint ein Artikel von Stefanie Lohaus auf Zeit Online vielfach auf meiner facebook-timeline: Es geht um das Prinzip 50/50. Sie beschreibt wie sie sich mit ihrem Partner gleichberechtigt um das gemeinsame neugeborene Kind kümmert und greift dabei zwei Aspekte auf, über die ich aus meiner Perspektive als Vater seit einiger Zeit nachdenke.

Sicherlich ist es ein Fortschritt, dass solche Modelle in einer solch breiten Öffentlichkeit diskutiert werden. Das Abfeiern von 50/50-Arrangements finde ich jedoch ermüdend. Der Zusammenhang zwischen Elternsein und Geschlechterungerechtigkeit lässt sich nicht auflösen, indem die Väter die Hälfte der möglichen Elternzeit nehmen.

Ein Plädoyer für eine 50/50-Aufteilung lässt sich mit meinem (pro-)feministischen Anspruch nicht vereinbaren. Das heißt nicht, dass eine solche Aufteilung nicht als Ergebnis am Ende eines Aushandlungsprozesses herauskommen kann. Als Ziel zu Beginn eines Aushandlungsprozesses taugt es aus meiner Sicht als Vater aber nicht. Unterschlagen wird viel zu oft, dass Mutter und Vater aus ungleichen Ausgangssituationen in die Diskussion um die Aufteilung der Verantwortung und der Elternaufgaben gehen. Väter haben in den meisten Fällen viele Möglichkeiten mit der eigenen Rolle umzugehen. Sie können die klassischen Rolle des Familienernährers wählen oder die des „modernen“ Vaters, der sich für sein Kind engagiert. Viele Väter wählen auch eine dritte Möglichkeit: sie entziehen sich (nahezu) komplett der Verantwortung und kümmern sich weder um das Kind noch tragen sie über das einklagbare Maß zum Familienunterhalt bei. Die Wahlmöglichkeiten der Mütter sehen ganz anders aus. Wenn der Vater keine Lust hat ein „moderner“ Vater zu sein, liegen sie irgendwo zwischen: beim Kind bleiben und beim Kind bleiben. Und selbst wenn ein Vater für eine 50/50-Aufteilung plädiert, liegen die Möglichkeiten der Mutter immer noch nur zwischen beim Kind bleiben und die Hälfte der Zeit beim Kind bleiben. Von Müttern wird häufig wie selbstverständlich erwartet, dass sie ihre Mutterrolle erfüllen, indem sie (notfalls auch alleine) beim Kind bleiben. Und auch die fehlenden Betreuungsangebote gerade für kleinere Kinder führen in der Realität in den meisten Fällen nicht zu zusätzlichen Möglichkeiten. Wenn nun Väter ihre Entscheidung gegen die klassische Rolle des alleinigen Familienernährers und für eine 50/50-Aufteilung als Zugeständnis zu einer fairen und „gleichberechtigten“ Lösung verkaufen wollen, lassen sie sich für eine Entscheidung feiern, die die Mutter in dieser Form erst gar nicht treffen kann.

Gleichberechtigung bedeutet – zumindest in meinem Verständnis – nicht, dass beide Elternteile 50% der anfallenden Aufgaben übernehmen müssen. Gleichberechtigung sollte vielmehr bedeuten, dass auch die Mutter die Möglichkeit haben muss sich zu entscheiden. Solange sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht grundlegend ändern, besteht für mich als Vater (wenn ich ein gleichberechtigtes Elternverhältnis anstrebe) auf der individuellen Ebene die Aufgabe, für die Mutter meines Kindes die Voraussetzungen für eine möglichst große Entscheidungsfreiheit zu schaffen. Das bedeutet für mich: Ich muss deutlich machen, dass ich gerne dazu bereit bin (auch alleine!) mit dem Kind zuhause zu bleiben! Nur dann hat auch die Mutter die Möglichkeit zu entscheiden, ob sie mit ihrem Einkommen die Familie ernähren möchte, ob sie sich komplett aus ihrer Verantwortung verabschiedet, ob sie eine 50/50-Aufteilung wünscht (oder ob vielleicht doch lieber sie alleine mit dem Kind zuhause bleiben möchte).

Leider hat die Mutter auch in diesem Fall noch immer mit einer gesellschaftlichen Erwartungshaltung zu kämpfen, die es ihr nicht einfach macht von der klassischen Mutterrolle abzuweichen und sicherlich funktioniert der Aushandlungsprozess auch in diesem Fall nicht völlig außerhalb gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Von „freien“ Entscheidungsmöglichkeiten zu sprechen ist also immer schwierig, es wäre aber schön, wenn Väter diesen Aspekt in ihrer Beurteilung des 50/50-Prinzips berücksichtigen würden.

Teil 2 der Serie „Das Prinzip 50/50“ soll sich mit dem Thema Stillen beschäftigen: „Viele Aufgaben können sich junge Eltern teilen. Das Stillen nicht.“ Neben dem grundsätzlich fehlenden Engagement der Väter funktioniert Stillen als Haupthindernis auf dem Weg zur gerechteren Aufteilung der Belastungen und der Verantwortung, die das Leben mit Kind mit sich bringt. Das Still-Argument bietet eine super Ausrede für Väter gerade in den ersten Lebensmonaten der Mutter den größten Teil der Verantwortung zu überlassen und das Argument bleibt eigentlich fast immer unhinterfragt. Ich möchte in keinem Fall eine Mutter kritisieren, weil sie ihr Kind stillt. Problematisch finde ich mit welcher Selbstverständlichkeit sich Väter aus dieser Verantwortung zurückziehen und das Stillen als außerhalb der Diskussionen um die Aufteilung der anfallenden Aufgaben betrachten, weil Väter angeblich nun mal einfach nicht stillen können.

Ich möchte ein Vater sein, der mit ebensolcher Selbstverständlichkeit sagt: Ich kann stillen! Ich kann das vielleicht nicht mit meiner Brust und benötige dazu gewisse technische Hilfsmittel. Auch hat meine Milch nicht automatisch die optimale Temperatur, sondern ich muss sehr bewusst darauf achten. Es gibt Mütter, die benötigen zum Stillen ebenfalls technische Hilfsmittel wie beispielsweise Stillhütchen. Können diese Mütter deshalb nicht stillen? Ich benötige Flasche, Sauger und Milch zum Anrühren. Väter können stillen. Sicherlich bliebe das nicht ohne Konsequenzen, wenn sich ein Paar dazu entscheidet, dass sie sich diese Aufgabe teilen möchten. Es würde höchstwahrscheinlich bedeuten, dass die Mutter auch ihren Teil des Stillens nicht mehr mit der eigenen Brust erledigen kann. Es gibt also auch durchaus nachvollziehbare Gründe sich dagegen zu entscheiden diese Aufgabe aufzuteilen. Egal wie sich ein Paar entscheidet: diese Aufgabe nicht zu teilen, scheitert nicht grundsätzlich am „Können“, sondern am „Wollen“ (in erster Linie am „Wollen“ der Väter). Und wenn der Vater nicht „will“ und die Aufgabe wie selbstverständlich der Mutter zuweist, scheitert das Teilen der Aufgabe aus Sicht der Mutter natürlich auch wieder am „Können“.

Selbstverständlich können sich Eltern trotz allem bewusst und gemeinsam dafür entscheiden, dass diese Aufgabe allein von der Mutter übernommen wird. Ein Vater, der die Frage allerdings erst gar nicht zur Diskussion stellt oder von sich behauptet nicht stillen zu können bzw nicht bereit ist das Stillen auch alleine zu übernehmen, kann für sich – meiner Ansicht nach – nicht in Anspruch nehmen zumindest annähernd mit der Mutter des eigenen Kind auf Augenhöhe über die Aufteilung der Aufgaben zu verhandeln.

Damit es nicht zu Missverständnissen kommt: Ich finde den Text von Frau Lohaus interessant, nachvollziehbar und gut. Mir geht es in keiner Weise darum das von ihr geschilderte Modell auf der individuellen Ebene zu kritisieren. Vielmehr möchte ich darauf hinweisen, dass es aus Väterperspektive auf dem weiten Weg zum schönen Leben für alle nicht ausreicht sich lediglich positiv darauf zu beziehen. An mindestens den beiden geschilderten Punkten ist eine weitere Reflexion der eigenen Vaterrolle nötig. Auch darüber hinaus gibt es natürlich immer noch weitere Aspekte, die berücksichtigt werden sollten, hier leider zu kurz kommen und hoffentlich an anderer Stelle weiter diskutiert werden. Um nur einen weiteren Aspekt zu nennen: Warum haben homosexuelle Paare noch immer nicht die gleichen Rechte wie heterosexuelle Paare? Und was hat das beispielsweise mit der ganz individuellen Performance von heterosexuellen Eltern in der Öffentlichkeit zu tun?

15 Kommentare zu „50/50 bedeutet nicht die Auflösung aller Ungerechtigkeiten

  1. Welch genialer Artikel! Wirklich toll!

    Den Artikel werde ich mal meinem Mann vorlegen – bin gespannt was er sagt:-).

  2. @stillen: kann die mutter nicht einfach milch abpupen und kühlen?
    meine eltern haben das gemacht-ich hab da ich kein kidn hab keine ahnung ob das generell gut geht, ich weiß nur dass meine mutter den „überschuss“ gesammelt hat und die hatten dann 2,3 kleine glasfläschchen im kühlschrank gelagert und mein vater & meine oma haben mich dann gestillt wenn mutter nicht konnte oder nicht wollte (schlaf war ihr immer heilig, da ist vatern dann ufjestanden^^)

    wenn man das am gleichen tag/innerhalb 12 oder 24 stunden verbraucht müsste man das doch im kühlschrank lagern und erwärmen können? so kann die mutter-wenn das paar geklärt hat dass sie sich das stillen teilen möchten wenn sie mag mit der brust stillen und kann aber auch wenn das kind keinen durst hat, aber milch da ist abpumpen und inflaschen im kühlschrank lagern. das ermöglicht auch dem vater nachts zu stillen damit mutter* durchschlafen kann.

  3. @name (requiriert): Ich habe ein Problem mit der „Kann man nicht einfach…“-Herangehensweise. Das Vorgehen, das du beschreibst, machen viele, ob sie es nun als einfach empfinden oder nicht (Muttermilch lässt sich übrigens auch einfrieren), für alle funktioniert es aber nicht. Und ich glaube, die ungleich verteilten Zuständigkeiten, die sich unter Eltern oft finden, liegen nicht primär darin begründet, dass die Leute nicht über bestimmte „technische Lösungen“ Bescheid wissen.

  4. Ich möchte mit meinem Text bei kleinerdrei, der hier so verlinkt ist, als plädiere ich dort (allenfalls) für eine Gleichaufteilung der Elternzeit, nicht missverstanden werden; mir geht es nicht um 50/50, sondern zum Teil genau um das hier im ersten Teil beschriebene Problem: Die Möglichkeiten, überhaupt gleichberechtigt auszuhandeln. Bei kleinerdrei habe ich versucht, das nicht aus politischer, sondern persönlicher Perspektive zu beschreiben, und betont, dass es Aufgabe der Familienpolitik sein muss, Rahmenbedingungen zu schaffen, die dieses Aushandeln erleichtern. Dass dazu natürlich die Partner_innen auch bereit sein müssen und sollen, und dass am Ende nicht immer genau 50/50 herauskommen kann, soll und muss, steht für mich außer Frage. Zumal das Leben im Zweifelsfall ja immer ein wenig komplizierter ist als die Theorie.

    Und ist das „Abfeiern von 50/50-Arrangements“ wirklich ermüdend? In feministischen Kontexten womöglich ja, gerne. Aber gesamtgesellschaftlich sind wir noch lange nicht so weit: Für viele Menschen ist eine gleichberechtigte Aufteilung der Reproduktionsarbeit nach wie vor so ungewöhnlich und unvorstellbar, dass wir das auf dem langen Weg zu freien Arrangements vielleicht hinnehmen müssen. Besser als der sonst ja auch sehr sichtbare Backlash (Herdprämie, anyone?) ist das allemal.

  5. @rrho: Abgesehen davon, dass ich deine Trennung von politisch und privat vor diesem Kontext hier nicht nachvollziehen kann und wie/wo genau hier Theorie ins Spiel kommt: Genau das, was du im zweiten Absatz schreibst, wird doch im Text oben bestätigt und kritisiert – nicht die Tatsache, dass Leute über 50/50-Modelle reden und diese versuchen umzusetzen, sondern dass sich darin der progressive Diskurs oft zu erschöpfen scheint. Und Väter, die die Hälfte der Zuständigkeit übernehmen (ok, allein das kommt schon selten genug vor, klar), gefeiert werden, ohne dass breit über die Voraussetzungen, vor denen derartige Entscheidungen überhaupt getroffen werden können, debattiert würde. Ich verstehe deine Kritik hier nicht ganz. Durch „Hinnehmen“ tut sich halt in der Regel eher selten großartig etwas…

    Ich lese den Text nicht als Gemäkel am 50/50-Modell (steht ja auch explizit drin), sondern vor allem als Selbstverortung des Autors aus Vaterperspektive und als Forderung an sich als emanzipatorisch/(pro)feministisch verstehende (potentielle, werdende derzeitige) Väter, die persönliche (!) Situation, das persönliche Handeln, in einen größeren Kontext einzubetten und vor diesem nicht nur kritisch zu reflektieren, sondern diese Reflexionen auch in Handlung umzusetzen. Was dringend notwendig ist in familienpolitischen Debatten.

  6. @anna-sarah: danke für die grandiose(n) antwort(en)! habe dem inhaltlich zumindest in bezug auf meinen text an dieser stelle nichts weiter hinzuzufügen.

    @rrho: ich bin offen für eine darüber hinausgehende, detailliertere diskussion über die unterschiede zwischen deinem und meinem text bzw darüber, was ich an deinem text gut und was ich weniger gut finde. allerdings glaube ich, dass ein feministischer raum/blog nicht der richtige ort dafür ist – hab kein bedürfnis die mädchenmannschaft ungefragt als moderator_innen für eine diskussion zwischen zwei väterperspektiven in anspruch zu nehmen. ich schreibe dir dafür auf anderem weg meine mailadresse.

  7. Ich verstehe den Impetus des Textes, aber im Ergebnis hat er mich trotzdem eher verärgert. Denn die Quintessenz, idealiter handelten Mutter und Vater frei von gesellschaftlichen Zwängen genau die Lösung aus, die ihnen gefällt, führt im Ergebnis nicht zu interessengerechten Lösungen. Ich kenne – als Mutter eines kleinen Kindes – viele andere Mütter, die mir alle versichern, sie hätten sich ganz und gar freiwillig dazu entschieden, dass er voll und sie Teilzeit arbeitet. Diese Mütter glauben sich das jeweils individuell auch. Hier mag ein Machtgefälle im Spiel sein. Aber das ist den Leuten nicht bewusst. Wäre dagegen eine 50%/50%-Lösung gesellschaftlicher Konsens oder sogar gesetzlich privilegiert, würden dieselben Leute die Freiwilligkeit ihrer Entscheidung anders hinterfragen und kämen öfter, meine ich, zu anderen Ergebnissen.

  8. Ich versuch’s. Klingt aber vielleicht etwas trocken:

    Wenn ich den Text richtig verstehe, kritisiert der Autor, dass eine Aufwandsteilung zu gleichen Teilen nicht hinreichend emanzipatorisch sei. Er stellt dem ein Modell gegenüber, in dem beide Elternteile jeweils frei sind, Anteile von 0% bis 100% zu übernehmen.

    Im Ergebnis führt ein solches auf die Praxis heruntergebrochenes Modell meines Erachtens aber nicht zu mehr, sondern zu weniger Gleichheit. Denn die vom Autor angesprochene Verhandlungslösung findet ja nicht im luftleeren Raum statt. Vielmehr bringen alle Beteiligte ihre unterbewussten Vorstellungen von der „richtigen“ Aufteilung mit, so dass am Ende eines – vordergründig freien – Verhandlungsprozesses über Verantwortungsteilung regelmäßig Abreden stehen würden, bei denen die Mutter mehr als 50% übernimmt.

    Ich meine, dass man die unterbewusste Prägung für die Familienrollen aushebeln könnte, wenn es gesellschaftlich oder gesetzlich als normal gelten würde, Verantwortung zu gleichen Teilen zu verteilen. Insofern sehe ich den Artikel in der ZEIT als interessant an, im Saldo auch als zielführender als die Darlegung des Autors in vorstehendem Text.

  9. @Modeste:

    Wenn ich den Text richtig verstehe, kritisiert der Autor, dass eine Aufwandsteilung zu gleichen Teilen nicht hinreichend emanzipatorisch sei.

    Nee, das ist ein Missverständnis: In dem Text steht deutlich, dass es eben nicht um eine Kritik am jeweilige Ergebnis der Aushandlung geht, sondern um eine Kritik an deren Bedingungen. Siehe auch die bisherige Diskussion hier im Thread.

    Denn die vom Autor angesprochene Verhandlungslösung findet ja nicht im luftleeren Raum statt.

    – eben genau das ist der Punkt des Textes.

    Ich persönlich würde in dieser Sache glaube ich auch andere Faktoren als un(ter)bewussten Prägungen die Hauptrolle zuschreiben wollen, sprich gesellschaftlichen Strukturen, die bestimmte Verhaltensweisen (wie z.B. partner_innenschaftliche Arbeitsteilung) befördern oder sanktionieren. Wobei diese Strukturen natürlich auch mit mentalen Aspekten wie Einstellungen, Bedürfnissen etc. in einem Wechselverhältnis stehen, klar. Ich finde es nur wichtig festzuhalten, dass familiäre Arbeitsteilung nicht ausschließlich auf subjektiven Vorlieben – wie bewussst die auch immer sein mögen – beruht.

    Sorry, aber ich hab deine Kritik am Text immer noch nicht verstanden :/ Vielleicht meldet sich der Autor ja noch zu Wort.

  10. Mir ist durchaus klar, was der Autor meint. Vom Ergebnis her gedacht, halte ich das aber für ein wenig – pardon – weltfremd und nicht für besonders zielführend. Das ist mir nicht handfest genug.

    Wer will, dass Eltern Verantwortung anders teilen, sollte, meine ich, rechtlich, v. a. steuerrechtlich agieren und so die gesellschaftlichen Strukturen, von denen Du sprichst, auf einer inidviduellen Ebene überblenden. Interessant wären da sicher Maßnahmen wie die Abschaffung der 12/2-Regelung beim Elterngeld. Denkbar wäre sicher auch 7/7. Erfolgversprechend von meiner Warte aus auch die Abschaffung des Ehegattensplittings und des Kindergeldes im Gegenzug zu einer vollen Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten und einer drastischen Erhöhung des Kinderfreibetrags. Denkbar ist da viel.

  11. @Modeste: Ich finde es sehr zielführend, wenn gerade Väter selbstkritisch ihr eigenes Handeln in der Beziehung und Familie hinterfragen – wenn eben diejenigen, die die privilegierte Position einnehmen, auf einen Teil ihrer Privilegien verzichten. Genau das bedeutet für mich politische Praxis. Weltfremd wäre, wenn man davon ausginge, dass diese Praxis bereits Mainstream wäre. Dass es zusätzlich – aber nicht stattdessen – noch anderer Dinge bedarf, z.B. staatlich-monetäre Maßnahmen wie du sie nennst, ist, denke ich, klar.

  12. @Modeste: hm, ich versuche mal eine antwort.
    als erstes zu deinem ersten post: wenn sich jemand „freiwillig“ für irgendwas entscheidet und sich selbst das auch noch glaubt, maße ich mir sicherlich nicht an zu entscheiden, ob sich die person vielleicht lieber doch anders entschieden hätte. ich bin dafür menschen ernst zu nehmen, wenn sie wünsche äußern. dazu gehört auch ernst zu nehmen, wenn sich eine mutter für eine „klassische“ aufteilung entscheidet.
    so wenig wie ich mir die vorherrschende norm wünsche, so wenig wünsche ich mir in meiner vorstellung vom schönen leben eine 50/50-norm. normen schränken immer ein. normierte aufteilungen können nie den individuellen bedürfnissen gerecht werden. ehrlich gesagt fände eine 50/50-norm sogar fast noch schlimmer. ich kenne viele mütter, die aus guten gründen ganz froh sind, dass sie sich mit dem vater ihres kindes nicht alles 50/50 teilen müssen.

    nun zu dem, was ich versucht habe zu beschreiben:
    ich persönlich kann weder das ehegattensplitting abschaffen, noch das elterngeld reformieren, noch für mehr kitaplätze sorgen. ich könnte die ganzen ungerechtigkeiten auf die gesellschaftlichen rahmenbedingungen schieben und in meiner individuellen elternbeziehung genau die strukturen reproduzieren, die ich auf politischer ebene bekämpfe. statt dessen habe ich versucht zu überlegen, was ich auf der ganz individuell/persönlichen ebene tun kann um wenigstens die aufteilung der aufgaben zwischen mir und der mutter meines kindes einigermaßen gerecht zu gestalten (und mir ist bewusst, dass das nicht 100%ig funktioniert, weil wir nicht in einer seifenblase leben, sondern teil der strukturen sind, die uns umgeben und die auch bearbeitet werden müssen) – und ich denke, dass es vätern durchaus möglich wäre auf der ganz individuellen ebene mehr freiheiten zu schaffen, wenn sie bereit wären die aspekte zu berücksichtigen, die ich in meinem text beschrieben habe, anstatt sich „nur“ für ein 50/50-modell auszusprechen.

  13. @Jochen: Das mag jetzt an meinem Beruf liegen (ich bin Juristin), aber ich habe zu Normen kein so belastetes Verhältnis. Denn ich verspreche mir von Normen, die mehr Egalität als Regelfall vorschreiben, dass sie der Traditionalisierung entgegenarbeitet, die mit dem ersten Kind vielfach greift. Ich halte zwar viel von individuellen Versuchen, ein anderes Leben als das traditionell geprägte zu führen. Wir versuchen das ja auch. Der Schlüssel zu einer schnellen und effizienten Durchsetzung einer anderen Verantwortungsteilung im familiären Rahmen liegt aber aus meiner Sicht nahezu ausschließlich bei rechtlichen und ökonomischen Steuerungsinstrumenten, die ich deswegen

    @Anna-Sarah

    nicht als „zusätzlich“, sondern als zentral betrachte. Es ist schade, dass die Parteien sich auch für die nächste Bundestagswahl dies nicht zum Ziel gesetzt haben.

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